Portrait Prof. Holger Thiele.© A. Die­köt­ter
Hat mit sei­nen Mas­ter­stu­die­ren­den Ge­schäfts­mo­del­le für Pflan­zen­koh­le ent­wi­ckelt: Agrar­öko­nom Prof. Hol­ger Thie­le.

In­no­va­ti­ve Ge­schäfts­ide­en rund um Pflan­zen­koh­le

von Frau­ke Schä­fer

Stu­die­ren­de der Fach­hoch­schu­le Kiel (FH) Kiel haben im Rah­men ihres Mas­ter­stu­di­ums Agrar­ma­nage­ment Ge­schäfts­ide­en rund um Pflan­zen­koh­le ent­wi­ckelt. Der Welt­kli­ma­rat sieht in der ther­mo-che­mi­schen Um­wand­lung (Py­ro­ly­se) von Pflan­zen zu Kohle eine Chan­ce, dau­er­haft CO2 aus der At­mo­sphä­re zu bin­den. Die dabei ent­ste­hen­de Pflan­zen­koh­le kann viel­sei­tig ein­ge­setzt wer­den: Als Zu­satz zum Tier­fut­ter för­dert sie die Ge­sund­heit von Nutz­tie­ren, in Böden ein­ge­bracht ver­bes­sert sie deren Fä­hig­keit, Was­ser und Nähr­stof­fe zu spei­chern. Und sie kann für die Ge­win­nung grü­ner En­er­gie ge­nutzt wer­den. Ein Pa­ra­de­bei­spiel hier­für ist Stock­holm: In der schwe­di­schen Haupt­stadt wird Bio­mas­se in Klein­gär­ten und öf­fent­li­chen Parks ge­sam­melt, um sie mit­tels Py­ro­ly­se in Pflan­zen­koh­le zu ver­wan­deln. Das dabei ent­ste­hen­de Py­ro­ly­se­gas wird ver­brannt und heizt mit sei­ner Ab­wär­me rund 400 Haus­hal­te; die Pflan­zen­koh­le wird als Bo­den­sub­strat in Gär­ten und Grün­an­la­gen ein­ge­setzt.

Trotz ihres auch wirt­schaft­li­chen Po­ten­zi­als spielt Pflan­zen­koh­le in Deutsch­land als Er­werbs- oder En­er­gie­quel­le in der Land­wirt­schaft bis­lang kaum eine Rolle. „Ins­be­son­de­re die Land- und Er­näh­rungs­wirt­schaft in Schles­wig-Hol­stein könn­te durch die Pflan­zen­koh­le ein deut­li­ches Stück kli­ma­ak­ti­ver zu wer­den“, be­tont Hol­ger Thie­le, Pro­fes­sor für Agrar­öko­no­mie an der FH Kiel. Wie dies kon­kret aus­se­hen könn­te, haben Prof. Thie­le und seine Mas­ter­stu­dent*innen im ver­gan­ge­nen Se­mes­ter un­ter­sucht. Un­ter­stützt von Chris­toph Thom­sen von der In­itia­ti­ve Mo­dell­re­gi­on kli­ma­po­si­tiv: „Als Kli­ma­schüt­zer schlägt mein Herz für die Pflan­zen­koh­le. Und als Pro­jekt­ma­na­ger rei­zen mich die vie­len Zahn­räd­chen, die für ein gutes Ge­samt­pro­jekt in­ein­an­der­grei­fen müs­sen, von der Bio­mas­se­be­schaf­fung über die Nut­zung der Ab­wär­me bis hin zur Pflan­zen­koh­le­ver­mark­tung.“

Gleich zwei Stu­die­ren­den­grup­pen wol­len Knick­holz für die Pro­duk­ti­on von Pflan­zen­koh­le nut­zen. Knicks sind be­pflanz­te Wälle und ein ty­pi­scher Be­stand­teil der schles­wig-hol­stei­ni­schen Kul­tur­land­schaft. Das re­gio­na­le Knick­netz um­fasst rund 60.000 km Länge und ist ein­ma­lig in Deutsch­land und Eu­ro­pa. Die Land­wirt*innen in Schles­wig-Hol­stein pfle­gen die Knicks und müs­sen sie alle zehn bis 15 Jahre stark zu­rück­schnei­den.

Die Grup­pe „Knick­koh­le“ mit Karen Rei­ter, Na­di­ne Sie­vert und Sören Stau­pe möch­te den Holz­schnitt zu Pflan­zen­koh­le ver­edeln. „Wir sind alle in der Land­wirt­schaft tätig und wis­sen aus ei­ge­ner Er­fah­rung, dass das Knick­holz für die land­wirt­schaft­li­chen Be­trie­be un­brauch­bar ist und durch den Schnitt nur Kos­ten an­fal­len. In der Regel wird das schlicht auf einen Hau­fen ge­scho­ben und ver­brannt. Ein kli­ma­schäd­li­ches Ver­fah­ren, das CO2 frei­setzt und damit dem Klima scha­det“, er­klärt Na­di­ne Sie­vert. Würde das Holz in einem ge­steu­er­ten Pro­zess ver­kohlt wer­den, könn­te Koh­len­stoff in der Pflan­zen­koh­le ge­bun­den wer­den. Lang­fris­tig könn­ten ein Holz­kraft­werk auf­ge­baut und Strom, Wärme, Pflan­zen­koh­le und CO2-Zert­fi­ka­te ver­trie­ben wer­den. Die ge­naue In­ves­ti­ti­ons­sum­me für ein sol­ches Kraft­werk zu be­zif­fern, das jähr­lich mit ei­ni­gen 1000 Ton­nen Knick­holz be­speist wer­den könn­te, sei schwie­rig, räumt Na­di­ne Sie­vert ein: „Wir haben eine grobe Pro­jekt­fi­nan­zie­rung durch­ge­führt, hat­ten für einen Busi­ness­plan aber zu wenig Zeit. Die Bran­che ist jung und dy­na­misch, ei­ni­ges be­ruht auf An­nah­men. Aber wir sind von der Grund­idee über­zeugt und sehen die Not­wen­dig­keit, für die glo­ba­le Her­aus­for­de­rung des Kli­ma­wan­dels re­gio­na­le Lö­sun­gen zu fin­den, auch mit ge­ziel­ten Ne­ga­tiv-Emis­si­ons­tech­no­lo­gi­en wie der Her­stel­lung von Pflan­zen­koh­le.“

Die Grup­pe „Kli­ma­koh­le” un­ter­such­te eben­falls die Py­ro­ly­se von Knick­holz aus Schles­wig-Hol­stein. Va­nes­sa Chris­ti­an, Mo­ni­ka Ke­tel­sen und An­net­te Plü­schau kön­nen sich au­ßer­dem vor­stel­len, durch einen Zer­ti­fi­zie­rungs­pro­zess CO2-Zer­ti­fi­ka­te zu ver­kau­fen. „Unser Busi­ness-Case sieht vor, die Kohle mit einem CO2-Zer­ti­fi­kat ver­se­hen an die Milch­bäue­rin­nen und -bau­ern der Nord­see­Milch eG in Witz­wort wei­ter­zu­ge­ge­ben, die die Pflan­zen­koh­le zur CO2-Bin­dung in den Boden ein­ar­bei­ten“, so Mo­ni­ka Ke­tel­sen. Da­durch könn­te deren Milch kli­ma­neu­tral wer­den und einen hö­he­ren Milch­preis er­zie­len.

Nils Suhr, Jan-Ni­klas Steep und Sa­mu­el Friedl sind für die Rea­li­sie­rung ihrer Grün­dungs­idee nicht von hohen In­ves­ti­tio­nen, son­dern vor allem von der wei­te­ren po­li­ti­schen Ent­wick­lung im Be­reich der Er­neu­er­ba­ren En­er­gi­en ab­hän­gig. Mit ihrer Nord­koh­le-Be­ra­tung GmbH wol­len sie Land­wirt*innen beim Ein­stieg in die Pro­duk­ti­on von Pflan­zen­koh­le be­ra­ten. Hier­bei haben sie die Be­trei­ber*innen von Bio­gas­an­la­gen im Blick, die künf­tig nicht mehr durch die im Er­neu­er­ba­re-En­er­gi­en-Ge­setz (EEG) fest­ge­leg­te EEG-Um­la­ge ge­för­dert wer­den. Tat­säch­lich ist mit der Ge­set­zes­no­vel­le von 2014 die zu­künf­ti­ge Be­zah­lung von Bio­gas­ener­gie nur noch über Aus­schrei­bun­gen und damit deut­lich un­ter­halb der bis­he­ri­gen Prei­se mög­lich. Ihre Vi­si­on: Statt einer un­wirt­schaft­li­chen Wei­ter­nut­zung könn­ten in vie­len Fäl­len Bio­gas­an­la­gen im länd­li­chen Raum zur Pflan­zen­koh­le­an­la­gen um­ge­baut wer­den, wie Nils Suhr er­läu­tert: „Diese Tech­no­lo­gie bie­tet einen mög­li­chen Lö­sungs­an­satz, damit Deutsch­land seine Kli­ma­schutz­zie­le rea­li­sie­ren kann. Doch dafür müss­ten die Dün­ge­mit­tel­ver­ord­nung und das Kreis­lauf­wirt­schafts­ge­setz no­vel­liert wer­den. So könn­te der Ein­satz­be­reich von Pflan­zen­koh­le auch aus an­de­ren Aus­gangs­stof­fen vor allem in der Land­wirt­schaft er­wei­tert wer­den.“ Die Chan­cen dafür ste­hen nicht schlecht, die EU möch­te das Thema mit ihrer für 2022 ge­plan­ten No­vel­le der Dün­ge­mit­tel­ver­ord­nung an­ge­hen.

„Es hat Spaß ge­macht, die Stu­die­ren­den bei den Case-Stu­dies als Men­tor zu un­ter­stüt­zen“, bi­lan­ziert Chris­toph Thom­sen von der Mo­dell­re­gi­on kli­ma­po­si­tiv und wagt den Blick nach vorne: „Die Er­geb­nis­se der Busi­ness-Cases stim­men mich sehr zu­ver­sicht­lich, dass in den kom­men­den Jah­ren eine ganze Reihe an Pflan­zen­koh­le-Pro­jek­ten ent­steht, die Kli­ma­schutz und hei­mi­scher Land­wirt­schaft glei­cher­ma­ßen nüt­zen.“ Diese Ein­schät­zung teilt Hol­ger Thie­le als Pro­jekt­in­itia­tor: „Wir pla­nen wei­te­re in­no­va­ti­ve Kli­ma­kon­zep­te an der Fach­hoch­schu­le Kiel, und un­se­re Stu­die­ren­den wer­den in der nächs­ten Zeit einen Teil ihrer Ge­schäfts­mo­del­le in die Pra­xis um­set­zen.“

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