Franziska Stremme, BA-Studierende der Sozialen Arbeit, verbrachte das Sommersemester 2020 in Granada. Sie findet, dass insbesondere Studierende der Sozialen Arbeit sehr von einem Auslandsaufenthalt profitieren. Von ihren Erfahrungen berichtet sie im Interview mit Marie Ohm.
Frau Stremme, warum haben Sie sich für ein Auslandssemester entschieden?
Ich wollte Erfahrungen in einem anderen Land mit einer anderen Kultur sammeln und eine fremde Hochschule kennenlernen. Ich wollte erfahren, wie es ist, für eine Zeit Teil eines anderen Systems zu sein – was so als Tourist nicht möglich ist. Wichtig war für mich auch, neue Theorien und Konzepte kennenzulernen, v.a. mit Hinblick auf die Soziale Arbeit – und natürlich mich persönlich weiterzuentwickeln.
Und warum haben Sie sich dafür die Universidad de Granada ausgesucht?
Da ich vorher schon Spanisch gelernt hatte, hatte ich mich damit auf das spanischsprachige Ausland festgelegt. Ich war zuvor bereits mehrfach in Spanien. Andalusien, die Region, in der Granada liegt, hat mich wegen der Vielfältigkeit fasziniert. Davon wollte ich mehr sehen. Ich war daher sehr froh über das Agreement des Fachbereichs mit der Universidad de Granada und die Möglichkeit, dort ein Austauschstudium absolvieren zu können.
Wie haben Sie sich auf Ihren Aufenthalt in Granada vorbereitet?
Vor allem habe ich mich sprachlich vorbereitet. Beim ZSIK habe ich alle Spanischkurse durchlaufen. Alltagsgespräche funktionierten schon super. Die Vorlesungen auf Spanisch waren zu Beginn eine Herausforderung. Aber mit der Zeit ist es besser geworden.
Wie war die Betreuung vor Ort?
Vor dem Aufenthalt war der Kontakt mit dem International Office in Granada gut. Da es dort aber sehr viele internationale Studierende gibt, war man vor Ort eine von vielen, und die Betreuung war weniger persönlich. An der dortigen Fakultät für Soziale Arbeit ging es hingegen sehr familiär zu. Die Anzahl der Austauschstudierenden war klein, und ein Professor hat uns sehr gut betreut.
Was war besonders an der Hochschule? Wie war der Unterricht?
Die Universität in Granada ist sehr groß. Man sagt auch: "¡La ciudad de Granada es la universidad y la universidad es toda Granada!" – das heißt: „Die Stadt Granada ist die Universität, und die Universität ist ganz Granada!“ Tatsächlich ist sie eine der größten Bildungsinstitutionen Spaniens. Für die Soziale Arbeit allein gab es eine riesige Fakultät.
Die Lehrmethoden unterschieden sich von denen der FH Kiel – es war sehr verschult. Es gab ein Klassensystem und Anwesenheitspflicht. Sogar Noten für die mündliche Mitarbeit wurden vergeben. Ein Pluspunkt war, dass ich viele neue und andere Theorien kennenlernen durfte.
Wie ist das studentische Leben in Granada?
Die Stadt bietet viel für Studierende. Überall verteilt gibt es Studi-Cafés und Bibliotheken. Es herrscht wahrlich ein Studierendenflair. Viele Bars haben ein extra Angebot für Studis. Darüber hinaus organisiert die Organisation ESN Granada für Austauschstudierende Ausflüge und Veranstaltungen. Gerade zu Anfang habe ich an einigen Aktivitäten teilgenommen, um Leute kennenzulernen. So traf ich andere internationale Studierende, mit denen ich tolle Erfahrungen gesammelt habe. Aber die "international bubble" machte es auch etwas schwierig, Kontakte zu Einheimischen zu knüpfen.
Wie sind Sie finanziell über die Runden gekommen?
Glücklicherweise deckte das Erasmus-Stipendium die gesamte Miete ab. Für Ausflüge und Aktivitäten in Granada sollte man sich aber auf jeden Fall etwas ansparen. In Granada gab es Studierendenrabatte – sie gelten für Studierende bis 25 Jahre.
Wie haben Sie sich durch den Auslandsaufenthalt weiterentwickelt?
Ich habe gelernt, in einem fremden Land den Alltag zu meistern und konnte voll in die andalusische Kultur eintauchen. Es war toll, sich mit den spanischen Nachbarn zu unterhalten. Durch meinen Aufenthalt bin ich selbstständiger und disziplinierter geworden und auch offener und toleranter. Ich habe Erfahrungen in einem fremden System gemacht und auch Abhängigkeit von diesem erfahren. Fachlich konnte ich mein Wissen durch neue Theorien und Methoden bereichern. Spannend war, dass in Spanien auch südamerikanische Theorien behandelt werden.
Wie verlief es nach dem Aufenthalt mit der Anerkennung der Leistungen?
Durch das im Voraus abgeschlossene Learning Agreement wurden mir alle Kurse – insgesamt 30 ECTS – anerkannt. Der Corona-bedingte Lockdown kam mir wahrscheinlich zugute. So konnte ich mich auf die Uni konzentrieren und die Kurse erfolgreich abschließen. Sechs Kurse empfand ich als große Workload und würde empfehlen, einen wegzulassen.
Welche drei Ratschläge würden Sie anderen Studierenden geben?
1. Wenn ihr ein Land richtig kennenlernen wollt, absolviert einen Auslandsaufenthalt! Insbesondere Grundfähigkeiten der Sozialen Arbeit lassen sich sehr gut im Ausland weiterentwickeln.
2. Seid euch sicher, ob ihr an eine große Hochschule mit vielen internationalen Studierenden gehen möchtet oder an eine kleine Hochschule, an der es eventuell einfacher ist, Einheimische kennenzulernen.
3. Plant frühzeitig und behaltet die Kurse im Auge: Je später man im Studium weggeht, umso kleiner wird die Kursauswahl an der Partnerhochschule – jedenfalls, wenn sie anerkannt werden sollen.