CPS - Chinese Project Semester© T. Specker
CPS - Chinese Project Semester

„Ich sehe China mit ganz anderen Augen“

Eine Woche hat FH-Student Joshua Engels mit 25 anderen Teilnehmenden des Chinese Project Semesters in Shanghai verbracht. Welchen Herausforderungen er dort begegnet ist und welche Vorurteile sich aufgelöst haben, darüber berichtet er hier selbst.

Im Oktober letzten Jahres habe ich mich für das „Chinese Project Semester“ (CPS) beworben. Ich hatte zwar kaum eine konkrete Idee, was mich erwarten würde, die Möglichkeiten des Projektes klangen aber sehr interessant. Es sollte darum gehen, Chinakompetenz aufzubauen, ein Projekt in Zusammenarbeit mit chinesischen Studenten zu bewältigen und eine Woche in Shanghai an der Tongji-Universtität zu erleben. Kurz nach Weihnachten kam dann die Zusage und ich war sehr gespannt auf die Kick-Off-Woche in Kiel.

Im März traf ich das erste Mal auf die anderen 29 Teilnehmerinnen und Teilnehmer des CPS. Wir waren eine wild durchgemischte Truppe. Die  Teilnehmenden kamen von Hochschulen aus ganz Deutschlandn. In Kiel haben wir uns alle sehr gut verstanden und haben uns sowohl tagsüber als auch zu den späteren Stunden gut amüsiert. Tagsüber haben wir viele interessante Einblicke in die chinesische Kultur erlangen können. Wir haben uns zunächst mit der chinesischen Geschichte beschäftigt und sind dann über den Transformationsprozess bis zur heutigen wirtschaftlichen und politischen ituation vorgestoßen. Außerdem hatten wir einen Crash-Kursus in Chinesisch. Dieser war äußerst interessant, hat aber leider in China nicht viel gebracht. Dafür ist Chinesisch wohl einfach eine zu komplexe Sprache. Der vorletzte Punkt auf der Agenda war die tatsächliche Chinakompetenz. Durch viele hilfreiche Anekdoten von Herrn Prof. Specker wurden uns erste kulturelle Unterschiede aufgezeigt. Wie sich in China aber herausstellte, lässt sich so etwas kaum lehren, sondern nur durch eigene Erfahrungen erlernen. Als Abschluss der Kick-Off-Woche wurden uns die Themen erläutert, die wir in den folgenden acht Wochen als Team - bestehend aus jeweils 6 deutschen und zwei chinesischen Studierenden – bearbeiten durften.

Nach einer aufregenden Arbeitsphase, die durch viel interkulturellen Austausch begleitet wurde, haben wir uns alle im Mai in Shanghai erneut getroffen. In Shanghai bin ich zum Glück mit fünf weiteren CPS-Teilnehmern gelandet. Es ist eine riesige Stadt mit guten 25 Millionen Einwohner*innen und dazwischen 30 deutscheStudierende. Da hat man schnell mal das Gefühl, man würde untergehen. Dieses Gefühl hat vor allem die ersten Tage geprägt. Es war echt ungewohnt, egal in welche Richtung man schaut, ausschließlich hohe Häuser zu sehen. Allerdings wurde einem das zu Beginn scheinbar endlose Metronetz immer vertrauter, und man fing zumindest grob an, einen Überblick über die relevanteren Ecken der Stadt zu gewinnen. Unsere Unterkunft lag auf dem Jiading-Campus der Tongji-Universität, dies ist eine der Elite-Hochschulen des Landes. Die Aufnahmebedingungen für einheimische Studierende sind äußerst hoch und das Studium ist laut Erzählungen der chinesischen Gruppenpartner äußerst stressig. Einen eigenen Einblick konnten wir in den Studienalltag leider nicht gewinnen. Die deutschsprachigen Studierenden, die für ein Jahr nach Shanghai gehen, um ihren Doppelabschluss zu erreichen, haben uns aber von machbaren Herausforderungen im Studium vor Ort berichtet. Wir haben die Wochenenden und freien Abende genutzt, um Shanghai auf eigene Faust zu erkunden. Unter der Woche haben wir unsere Projekte vor Vertretern der heimischen Wirtschaft vorgestellt und durften an verschiedenen Exkursionen teilnehmen.

Ich habe mich zwar im Voraus mit Shanghai beschäftigt und mir versucht auszumalen, was mich dort erwarten wird, aber ich habe mir aus der Ferne kein Bild von der Stadt machen können. Nach meiner Woche vor Ort weiß ich, dass mir ein realistisches Bild auch gar nicht gelingen konnte. Die kulturellen Unterschiede sind so extrem, das kann man sich kaum vorstellen. Allein beim Thema Essen hat man so viele falsche Vorurteile. Ich dachte, die chinesische Küche würde fast nur auf Reis aufbauen. Tatsächlich bin ich aber beim Essen nur einmal auf Reis gestoßen. Auch in den Bereichen Umweltschutz und Innovation sind wir ganz falsch eingestellt. Die Chinesen sind deutlich weiter als wir im Thema Elektromobilität, setzten in der Wirtschaft echte Maßnahmen zum Umweltschutz durch und spielen längst nicht mehr die Rolle der billigen Arbeitskräfte, sondern liefern eigene innovative Ansätze im High-End-Niveau.

Sehr unerwartet hat uns die Sprachbarriere getroffen. Wir waren davon ausgegangen, dass wir uns mit den Chinesinnen und Chinesen auf Englisch verständigen könnten. Die Menschen, die man auf der Straße trifft, sprechen aber fast kein Wort Englisch. Das hat viele Herausforderungen mit sich gebracht, allerdings lässt sich dieses Problem durch wildes Gestikulieren und den Einsatz von Übersetzungshilfen am Handy auch in den Griff bekommen. Dazu kommt, dass zu uns alle Chinesinnen und Chinesen äußerst freundlich und zuvorkommend waren. Jeder, den wir getroffen haben, war super hilfsbereit und versuchte auch trotz Kommunikationsproblemen uns bestmöglich zu helfen. Auch darum fühlte ich mich stets herzlich willkommen.

Abschließend lässt sich sagen, dass ich eine sehr schöne und aufregende Woche in Shanghai hatte. Ich habe so viel Neues gelernt und einen ganz anderen Blick auf das chinesische Volk erhalten. Ich denke, China wird in der Zukunft eine sehr wichtige Rolle in der Wirtschaft spielen und ist somit für jede*n ein relevantes Thema. Die Allgemeinheit der Deutschen hat ein Bild auf China, das durch Vorurteile geprägt ist und kaum ins Detail geht. Ich empfehle jeder Studentin und jedem Studenten, die oder der die Möglichkeit hat und offen für Neues ist, sich in den Folgejahren für das Projekt zu bewerben. Durch die Projektleitung von Frau Mehrvar wurden wir perfekt an die chinesische Kultur herangeführt und haben endlos viele Einblicke erhalten dürfen. Speziell für Studierende, die sich für das Doppelabschlussprogramm mit der Tongji-Universität interessieren, ist das CPS empfehlenswert, weil man sich das Leben dort, ohne es persönlich erlebt zu haben, nicht ansatzweise einschätzen kann.

Ich hatte eine unglaubliche Zeit in Shanghai und würde die Gelegenheit, erneut Teilnehmer vom CPS zu sein, jedes mal wieder ergreifen.

© Fachhochschule Kiel