Ein Mann in Jackett und Hemd posiert an der Schwentinemündung und schaut in die Ferne.© C. Bergmann
Für Prof. Dr.-Ing. Jochen Immel gehören Praxis und Theorie zusammen. An der FH Kiel findet er beide Bereiche vor.

„Ich möchte für Technik begeistern“

von viel.-Redaktion

Der Umzug in die Landeshauptstadt hat sich für den begeisterten Wassersportler Prof. Dr.-Ing. Jochen Immel nicht nur privat gelohnt. Seit Anfang Januar hat der 39-Jährige die Professur „Mechatronische Konstruktion“ am Fachbereich Informatik und Elektrotechnik der Fachhochschule Kiel (FH Kiel) inne. Hier lassen sich die Bereiche Lehre und Forschung ideal miteinander verbinden, wie er findet.

Laura Berndt (LB): Warum haben Sie Ihr Studium gewählt?

Jochen Immel (JI): Mein Studium bestand aus einem wirtschaftlichen sowie einem technischen Anteil. Nach dem Abitur entschloss ich mich für einen dualen BWL-Studiengang an einer Berufsakademie. Insbesondere die praxisnahe Ausbildung gefiel mir an dieser Form des Studiums. Dennoch habe ich mich bei weitem mehr für die Technik begeistert und mich noch während des dualen Studiums dazu entschlossen, diese in den Mittelpunkt zu stellen. Schon in der Jugend haben mich Modellbau und die Eigenschaften dieser Systeme fasziniert. In dem anschließenden Maschinenbaustudium in Braunschweig legte ich den Schwerpunkt nach dem Grundstudium auf die Mechatronik. Durch die Verbindung von Mechanik, Elektrotechnik und Informatik lassen sich Aufgaben in den verschiedensten Bereichen wie beispielsweise in der Produktionstechnik optimal auf die gestellten Anforderungen anpassen. Ich sehe hier auch weiterhin großes Potential, da die Mechatronik die Basis für viele der unter dem heute verbreiteten Begriff Industrie 4.0 zusammengefassten Themenfelder darstellt.

LB: Wo liegt der Schwerpunkt Ihrer bisherigen Tätigkeiten?

 

JI: Auch nach dem Studium lag mein Fokus auf der Mechatronik, diesmal im Rahmen von Forschungsarbeiten im Bereich der Produktionstechnik an der Leibniz Universität Hannover. Für die Erhöhung der Bearbeitungsgenauigkeit beziehungsweise auch die Messung der Bearbeitungskräfte wurden mechatronische Systeme konstruiert, aufgebaut und getestet. Die dazu integrierte Sensorik und Aktorik wird über einen Mikrocontroller gesteuert. Da die Systeme in der Werkzeugmaschine mit bis zu 10.000 Umdrehungen pro Minute rotieren, erfolgt der Datenaustausch mit einem Steuerungsrechner und die Energieübertragung berührungslos und damit robust und verschleißfrei – eine zentrale Anforderung in der Produktion.

Während meiner anschließenden Tätigkeit in der Industrie stand die Regelungstechnik im Vordergrund. Neben der klassischen Regelung von Servomotoren in produktionstechnischen Anlagen habe ich mich im Besonderen mit der Systemidentifikation beschäftigt. Hierbei ermöglicht die Kenntnis relevanter Parameter eines Systems die gezielte Anpassung der regelungstechnischen Parameter. Ändert sich beispielsweise die Zuladung und damit die Massenträgheit eines Systems, ändert sich ebenso das dynamische Verhalten. Damit sich produktionstechnische Anlagen in unterschiedlichen Beladungszuständen annähernd gleich verhalten, werden unerwünschte Effekte, wie beispielsweise Überschwingen durch eine adaptive Nachführung der regelungstechnischen Parameter, gezielt vermieden.

LB: Wie würden Sie Laien Ihr Arbeitsgebiet erklären?

JI: Produkte und Produktionsprozesse lassen sich durch den Einsatz von Mechatronik optimieren. Für Unternehmen bedeutet das beispielsweise, dass sie ihren Ausschuss verringern, die Inbetriebnahmezeiten von Maschinen verkürzen und Kosten einsparen können. Die komplexen Verfahren laufen im Hintergrund und sind für Anlagenbetreiberinnen und -betreiber nur insoweit wahrnehmbar, als dass sie die Bedienung und den Betrieb der Anlagen vereinfachen. Die dynamische Entwicklung der Märkte erfordert ständig neue und angepasste Konstruktionslösungen für elektromechanische Systeme, die sich anhand der Mechatronik umsetzen lassen.

LB: Warum haben Sie sich entschieden, an der FH Kiel zu lehren?

JI: Praxis und Theorie gehören für mich zusammen; mit einem eigenen Mechatronik-Studiengang und dem entsprechenden Institut bietet diese Hochschule ein sehr gutes Umfeld für eine Tätigkeit sowohl in der Lehre als auch in der Forschung. Des Weiteren ist sie eng mit regionalen und überregionalen Unternehmen verzahnt, was ich für wichtig halte. Zum einen, um diese bei Entwicklungsvorhaben zu unterstützen, und zum anderen, um Studierende bestmöglich auf die Arbeit in der Wirtschaft vorzubereiten, beispielsweise durch die Teilnahme an Kooperationsprojekten und die Erweiterung der Lehrinhalte durch aktuelle Fallbeispiele.

LB: Was wollen Sie den Studierenden vermitteln?

JI: Ich möchte sie für Technik begeistern und ihnen zeigen, wie sich Systeme in der Praxis anhand von Gleichungen beschreiben und deren Eigenschaften vorausberechnen lassen, denn dieses Wissen ist essentiell, um entsprechende Aufgaben im späteren Beruf zu lösen. Darüber hinaus sind soziale Kompetenzen wie Teamfähigkeit oder Kommunikationsstärke mehr denn je ein Schlüssel für den Erfolg im Berufsleben. Die Studierenden bei der Entwicklung solcher Soft Skills zu fördern gelingt am besten durch Projektarbeit in Kleingruppen. Im Sommersemester werden die Teilnehmerinnen und Teilnehmer meiner Veranstaltung „Konstruktionsprozess mechatronischer Systeme“ beispielsweise eine Elektronik für die Ansteuerung eines Motors aufbauen. Weiterhin möchte ich meine Studierenden zu guter Letzt dazu motivieren, ins Ausland zu gehen. Ich habe eineinhalb Jahre meines Studiums an einer französischen Hochschule verbracht und diesen Aufenthalt in jeder Hinsicht als Bereicherung empfunden.

LB: Was erwarten Sie von Ihrem ersten Semester an der FH Kiel?

JI: Die neuen Aufgaben stellen für mich eine spannende Herausforderung dar. Im Sommersemester gilt es zunächst, die Vorlesungen wie beispielsweise „Konstruktionslehre für Elektrotechniker“ und „Konstruktionsprozess mechatronischer Systeme“ neu ins Leben zu rufen beziehungsweise mit den eigenen Schwerpunkten auszugestalten. Das bedeutet auch, dass ich die in meinem Verantwortungsbereich liegenden Labore mit entsprechenden Versuchsständen und Messplätzen ausstatte, schließlich sollen sie sowohl in der Lehre eingesetzt werden als auch als Basis für zukünftige Forschungsarbeiten im Bereich der mechatronischen Systeme dienen.

LB: Was verbinden Sie mit Kiel?

JI: An dieser Stelle möchte ich das private in den Vordergrund stellen. Ich bin leidenschaftlicher Segler, sodass ich die Stadt Kiel sofort mit dem Wassersport und auch dem entsprechenden Großereignis, der Kieler Woche, verbinde. Ich hoffe, dass sich an den Wochenenden ausreichend Möglichkeiten ergeben, diesem Hobby auch weiterhin nachzugehen und gemeinsam mit meiner Frau und meinen Kindern Zeit auf der Ostsee zu verbringen.

Kurzbiographie

 

- Professor für Mechatronische Konstruktion an der FH Kiel
- Teamleitung für Luft- und Ladungswechselfunktionen (On-Board-Diagnose), IAV GmbH, Gifhorn 
- Leiter der Regelungstechnik bei der Firma Lenze Automation GmbH 
- Leitung des Forschungsclusters „Pro3gression“ an der Leibniz Universität Hannover 
- Promotion am Institut für Fertigungstechnik und Werkzeugmaschinen der Leibniz Universität Hannover
- Studium des Maschinenbaus an der TU-Braunschweig, Teilnahme am Doppeldiplomprogramm mit der UT-Compiègne (Frankreich)
- Studium an der Berufsakademie Oldenburger Münsterland (Betriebswirtschaftslehre)

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