Historische Ansichten von Neumühlen-Dietrichsdorf stehen im Fokus einer Ausstellung im Bunker-D der Fachhochschule Kiel, die am Donnerstag, 4. Juli, um 18 Uhr eröffnet wird. Anlass ist das 100. Jubiläum der Eingemeindung des Stadtteils. Die rund 50 großen Bildtafeln basieren auf Fotos aus der Privatsammlung des Kielers Wolfgang D. Kuessner.
Der Stadtteil Neumühlen-Dietrichsdorf ist reich an Industriegeschichte. 1907 wurden das Bauerndorf Dietrichsdorf und Neumühlen am Ufer der Schwentine vereinigt. 1924 beantragte der Gemeinderat aufgrund von Geldnöten die Eingemeindung nach Kiel. „Neumühlen-Dietrichsdorf ist baulich durch die Howaldtswerke bestimmt“, weiß Sönke Petersen, langjähriger Ortsbeiratsvorsitzender (SPD) und engagierter Stadtteilbewohner. 1876 wurde das Schiffbau-Unternehmen gegründet und prägte bis zu seiner Stilllegung 1983 Leben und Arbeiten im Stadtteil. Wohnten 1855 in Dietrichsdorf etwa 250 Menschen, waren es 1900 bereits 3000. Viele der 2000 Beschäftigten der Werft wohnten in Neu-Dietrichsdorf, dem direkt vor den Werfttoren angelegten neuen Stadtteil.
Die damaligen Wohnungen hatten meist weder Strom noch fließend Wasser oder Bäder. So nutzten die Familien das Volksbad, das heute Stadtteilzentrum ist. Im Heikendorfer Weg reihten sich Geschäfte für Milch, Obst und Gemüse, Bäcker, Schlachter und Drogerien wie Perlen einer Schnur aneinander. Gefeiert wurde im „Gasthof Neumühlen“, Eis zum Haltbarmachen der Speisen im Winter aus der zugefrorenen Schwentine gehackt und in den Kellern der Gaststätten unter Sägespänen gelagert. „Vom Porträt des Schlachters, der Hochzeitsgesellschaft bis zum winterlichem Eislaufen, die emotionalen Bilder erzählen Geschichten und stellen eine Nähe zu heute her“, beschreibt Kristiina Thiel vom Zentrum für Kultur- und Wissenschaft (ZKW) der FH Kiel die Fotos, denn: „Der Mensch steht im Mittelpunkt“.
Die Industrialisierung des Stadtteils schritt stetig voran: 1864 entstand mit der Lange’schen Mühle die größte Industriemühle im Ostseeraum; 13 Jahre später kam das Marineartilleriedepot hinzu; 1909 errichtete Dr. Hermann Anschütz-Kaempfe, Erfinder des Kreisel-Kompasses und guter Freund von Albert Einstein, seine Fabrik am Ufer der Schwentine; 1947 folgte die Firma Hell mit Entwicklungen zur Druck- und Nachrichtentechnik. 1983 wurde das HDW-Werk in Dietrichsdorf stillgelegt. „Mit Schließung der Werft wurde Neumühlen-Dietrichsdorf zur Industriebrache“, sagt Sönke Petersen. „Dank der Ansiedlung der FH Kiel und ab Mitte der 1990 Jahre durch die Kulturmeile gab es eine deutliche Verbesserung des Stadtteils“, so der Zeitzeuge.
Die Ausstellung wird am Donnerstag, 4. Juli 2024 um 18 Uhr eröffnet und ist bis zum 19. Juli und am 30. August im Rahmen der Museumsnacht zu sehen. Die Galerie ist montags bis freitags von 10.00 bis 14.00 und mittwochs von 10.00 bis 20.00 Uhr geöffnet. Weitere Termine unter: bunker-d@fh-kiel.de
Am 17. Juli um 18 Uhr hält Sönke Petersen unter dem Titel „Eingemeindung wider Willen?“ einen 30-minütigen Vortrag. Im Anschluss können Interessierte gemeinsam mit Petersen einen Rundgang durch die Ausstellung unternehmen und Fragen zu den Bildern stellen.
Digitales Archiv Wolfgang Kuessner: https://www.historisches-kiel.de
Hintergrund
Die Ausstellung „Neumühlen-Dietrichsorf - Leben und Arbeiten im Stadtteil vor 100 Jahren“ ist in enger Zusammenarbeit mit dem Stadtteilbüro entstanden und wird aus Mitteln des Verfügungsfonds NeumühlenDietrichsdorf im Rahmen des Städtebauförderungsprogramms Sozialer Zusammenhalt gefördert. Sie ist Teil eines umfangreichen Veranstaltungsprogramms anlässlich des 100. Jubiläums der Eingemeindung.