Dr. Hauke Mommsen ist Professor für Physiotherapie an der FH Kiel. Er betreute medizinisch Spieler des THW Kiel, der SG Flensburg Handewitt, des FC Schalke 04 und des FC St. Pauli. Im Juni 2019 war er Teil des medizinischen Betreuungsstabs der deutschen Fußballmannschaft bei der U21-Europameisterschaft in Italien. Mit Aenne Boye sprach er über seinen Werdegang.
Herr Mommsen, wieso sind Sie Arzt geworden?
Am 24. März 1984 – ich kann mich daran erinnern, als wäre es gestern gewesen – habe ich mir beim Fußballspielen das Sprunggelenk gebrochen. Mit dieser Verletzung hatte ich sechs Monate lang zu tun. Es folgten vier Operationen und insgesamt vier Monate Krankenhaus. Ich musste sogar ein Jahr in der Schule wiederholen. Die Ärzt*innen und Physiotherapeut*innen haben so gute Arbeit geleistet, dass ich seit dem auch Arzt werden wollte – am liebsten Sportmediziner. Heute sehe ich meine Verletzung von damals gar nicht mehr negativ, sondern im Gegenteil als positives Schlüsselereignis, ohne dass ich jetzt nicht hier sitzen würde.
Jedoch haben Sie nach dem Abitur zunächst eine Ausbildung zum Physiotherapeuten gemacht. Wieso?
Direkt nach dem Abitur habe ich Zivildienst absolviert, der damals noch 20 Monate lang ging. Erst habe ich in der Pflege und Unfallchirurgie in Flensburg im Krankenhaus gearbeitet. Danach habe ich eine vierwöchige Ausbildung zum Krankenpflegehelfer gemacht. Die letzten sechs Monate des Zivildienstes war ich als OP-Pfleger tätig. Dort habe ich bei kleinen Operationen assistiert. Weil ich mit meinem Abiturschnitt nicht direkt einen Studienplatz für Medizin erhalten habe, begann ich eine Ausbildung zum Physiotherapeuten. Nachdem ich den Medizinertest bestanden hatte, erhielt ich noch während meiner Ausbildung einen Studienplatz an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. Das Anerkennungsjahr, in dem Physiotherapeut*innen ein Jahr in ihrem Beruf arbeiten müssen, um ihre Ausbildung abzuschließen, habe ich in den folgenden Semesterferien gemacht.
Sie fingen schon während des Studiums an, in der medizinischen Betreuung des THW Kiel mitzuwirken. Wie kam es dazu?
Während des gesamten Studiums habe ich mit einer halben Stelle als Physiotherapeut in einer Rehaklinik im Kieler Stadtteil Wellingdorf gearbeitet. Da das Rehazentrum den THW Kiel sportmedizinisch begleitet hat, bin ich in die medizinische Betreuung des THW Kiels reingerutscht. Durch Wettkämpfe wie den Europacup habe ich internationale Physiotherapeut*innen kennengelernt. Dort erfuhr ich das erste Mal von der Akademisierung der Physiotherapie in Schweden.
Wie ging es nach dem Studium für Sie weiter?
Während des Studiums habe ich schon verschiedene Praktika absolviert – unter anderem in Wien und Zürich in der Unfallchirurgie und in Key West, in Florida, in der Chirurgie. Nach dem Studium folgte die Facharztausbildung in dem Bereich Orthopädie und Unfallchirurgie. Dort war ich sechs Jahre im operativen Bereich tätig.
Wie kam es dann zu Ihrer Professur an der FH Kiel?
Im Jahr 2005 nahm ich eine Vertretungsprofessur wahr und wurde 2007 dann hauptamtlicher Professor. Ich empfand es als besonders reizvoll, die Akademisierung und Professionalisierung der Physiotherapie mit voranzutreiben und zu gestalten. Die Akademisierung der Physiotherapie gibt es schließlich erst seit circa 15 Jahren. Mit dem dualen Studium, das wir hier bieten, haben wir einen Kompromiss zwischen Ausbildung und Akademisierung gefunden. Die Studierenden schließen eine Ausbildung mit Staatsexamen an der Schule ab und absolvieren dazu eine akademische Weiterbildung. An der FH Kiel lernen die Studierenden, wissenschaftliche Erkenntnisse in die Praxis zu transferieren.
Was gefällt Ihnen besonders an Ihrem Beruf als Professor?
Ich mag den Kontakt mit den Studierenden, da sie einen kritischen und visionären Blick haben. Eine bessere Fortbildung gibt es kaum. Mir macht es Spaß, die berufliche Sozialisierung und Denkweise der jungen Leute zu beeinflussen – darauf zu achten, für welche Medizin unsere Absolvent*innen stehen. Ich vermittle ihnen, dem internationalen Konsens der Wissenschaft zu folgen. Es darf schließlich kein Zufall sein, wie der/die Patient*in behandelt wird. Außerdem weiß ich zu schätzen, dass ich die Freiheit habe, das zu unterrichten, was ich für sinnvoll und relevant erachte. In meiner Lehre versuche ich zudem, den Studierenden eine kritische Denkweise mitzugeben.