Nimmt man ein Fernglas und schaut vom Campus der Fachhochschule Kiel hinaus auf das gegenüberliegende Ufer der Kieler Förde, gibt es einiges zu entdecken: Spaziergänger*innen en masse zum Beispiel, Seehunde oder Fischbrötchenbuden. In einem der aneinandergereihten Gebäude, die den Anfang der Kiellinie auf Höhe der Kunsthalle markieren, ist der Akademische Ruderverein Kiel zuhause.
Seit seiner Gründung im Jahr 1897 macht es sich der Vorstand des Vereins zu seiner Aufgabe, Studierende verschiedener Fachrichtungen zusammen in ein Boot zu holen. Gemeint ist das ganz im Sinne des Sprichwortes, denn Klaus Siewert, langjähriges Vorstandsmitglied des Vereins, erinnert sich noch gut daran, wie es war, als er als junger Mann in den Verein eintrat: „Ich habe als einziger Lehrer zusammen mit Juristen oder Medizinern gerudert“, berichtet der 75-Jährige, „andere Studiengänge suchte man hier damals vergeblich“. Heute ist die Gemeinschaft im Ruderverein durchmischter: Studierende aus dem gesamten Studienfachspektrum treffen im Verein aufeinander, um gemeinsam zu trainieren. An welcher Hochschule die Mitglieder studieren, spielt dabei keine Rolle, willkommen ist jede*r.
Die Mitglieder nehmen nicht nur regelmäßig an Regatten teil – während der Kieler Woche gehen die Studierenden unter anderem jedes Jahr beim Stadt-Achter-Rennen an den Start, beim Studierenden-Vierer oder den Hochschulmeisterschaften – sondern gehen auch auf Tagesfahrten auf Förde und Schwentine oder unternehmen unzählige Wanderfahrten im In- und Ausland. Um fit zu bleiben oder es zu werden, dient der vereinseigene Kraftraum. Und trotzdem lernen die Mitglieder im Vereinsleben einiges fernab von Hantelbank und Ruderboot.
Neben dem Zusammenhalt verbessern die Mitglieder ihr handwerkliches Geschick beinahe im Alleingang. „Bei uns lernst du schnell, einen Schraubenzieher zu halten“, weiß Klaus Siewert nach jahrzehntelanger Mitgliedschaft. Denn wenn die Ruder*innen dreimal die Woche in die Boote steigen, wird der Verschleiß schnell sichtbar. Und um die Boote schnell wieder auf Vordermann zu bringen, bedarf es regelmäßiger Ausbesserungen. „Man wächst mit seinen Aufgaben“, kommentiert der pensionierte Lehrer lachend.
Im Bootshaus des Vereins warten die vielen Boote auf ihren Einsatz. Unweit des jetzigen Vereinsheims plant der Vorstand allerdings bereits einen Neubau – inklusive größerem Bootshaus, Fitnessraum und neuen Gemeinschaftsräumlichkeiten. Gerade letzteres ist für den Verein wichtig, weiß Siewert, denn: „Wir rudern nicht nur, sondern feiern auch zusammen“. Der Neubau wird von der Landesregierung finanziell unterstützt und durch Spenden von inaktiven und aktiven Mitgliedern des Vereins, die zwar ihre Studienzeit, aber nicht ihre Mitgliedschaft hinter sich gelassen haben. „Die meisten von uns bleiben dem ARV bis ans Lebensende treu“, erzählt Siewert.
Obwohl der Gemeinschaftsgedanke im akademischen Ruderverein an erster Stelle steht, die Mitglieder regelmäßig gemeinsam kochen und feiern und es in Studierendenstädten wie Kiel zuhauf Studierenden-Verbindungen gibt – der Verein sei keine, so Siewert. Die Kosten belaufen sich pro Semester auf 30 Euro. Eine Mitgliedschaft abzuschließen, wird erst dann in Betracht gezogen, wenn man sich wirklich sicher ist – zwei Semester kann man sich ausprobieren. „Bei uns kann jeder mitmachen“, sagt der passionierte Ruderer. Mit dem Vorurteil, der Rudersport wäre elitär, räumt Siewert auf. „Nach den Trainingseinheiten wird oftmals zusammen gekocht und gegessen, das stärkt eben nicht nur den Körper nach einer anstrengenden Ruder-Partie, sondern auch die Gemeinschaft. Auch können die Mitglieder nach persönlichem Zeitplan und Belieben kommen und rudern: „Wir schreiben niemandem vor, wann er oder sie zum Trainieren kommen soll“, führt Siewert weiter aus.
Gerade weil es sich bei dem ARV um einen studentischen Sportverein handelt, hat jede*r Verständnis dafür, dass stressige Studienphasen wenig Zeit für Hobbys lassen. Gerade, um dem Druck im Studium keinen zusätzlichen hinzuzufügen, ist es wichtig, den Studierenden ihre Freiräume zu lassen, ist Siewert überzeugt.
Darüber, wann es sich am besten rudert, scheiden sich die Geister: „Es gibt unter uns auch Schönwetterruderer“, sagt Janne Pingel, die als Präsidin das Vereinsleben organisiert. Sie wurde in einer Abstimmung unter ihren Vereinskolleg*innen gewählt, Vereinsmitglied ist sie seit Anfang ihres Studiums. Was das Rudern zu ihrem Lieblingssport macht, ist die Freiheit, die sie auf dem Wasser spürt. „Hier kann ich einfach am besten abschalten“, erzählt Pingel. Und das gilt für die Präsidin auch bei bestem Kieler Schietwetter.
Meist treffen sich die Ruderer dreimal wöchentlich zum gemeinsamen Sporttreiben – dienstags, donnerstags und sonntags werden die Boote ins Wasser gelassen. Wohin es die Mitglieder verschlägt, hängt oft von Lust und Laune ab. „Hier in Kiel haben wir einfach eine optimale Lage für den Rudersport“, schwärmt Pingel. Und das trägt zum Wohlbefinden der Vereinsmitglieder bei. Denn bei regelmäßigem Training motiviert die abwechslungsreiche Kulisse der Landeshauptstadt. Haben sich die Ruder*innen satt gesehen an ihrem Haupttrainingsgewässer, der Förde, dann wechseln sie einfach auf die Schwentine. Kiel hat als Studienstandort eben einiges zu bieten.