Ein Mann© I. Bucholtz
Seit 2015 un­ter­rich­tet Ianis Bucholtz an der Fach­hoch­schu­le Kiel. (Foto: Bucholtz)

Gast­do­zent Ianis Bucholtz zwi­schen Schnee­sturm und So­ci­al Media

von Ma­rie­sa Char­lot­te Brahms

„Heute sind es minus zwölf Grad und der Schnee lässt einen etwa knie­tief ein­sin­ken“, fasst Dr. Ianis Bucholtz nach einem kur­zen Blick aus sei­nem Fens­ter die Wet­ter­la­ge zu­sam­men. Ver­fal­len Sie jetzt bitte nicht in Panik – der 39-Jäh­ri­ge spricht nicht vom Kie­ler Wet­ter, son­dern dem in sei­ner Hei­mat­stadt Riga in Lett­land.

Zwei­mal im Win­ter­se­mes­ter reist der Pro­fes­sor für sein Modul „So­ci­al Media and In­for­ma­ti­on En­vi­ron­ment” am Fach­be­reich Me­di­en in die Schles­wig-Hol­stei­ni­sche Lan­des­haupt­stadt, um seine Stu­die­ren­den zu un­ter­rich­ten. Und das eben am liebs­ten in Prä­senz: „Ich ziehe die Prä­senz­leh­re den Zoom-Ver­an­stal­tun­gen vor, und ich habe das Ge­fühl, dass das die Stu­die­ren­den ge­ne­rell auch tun.“ Umso ent­täusch­ter ist er dar­über, dass der zwei­te Block­ter­min sei­nes Se­mi­nars in die­sem Win­ter­se­mes­ter on­line statt­fin­den muss­te.

Der Grund hier­für ist nicht etwa die Pan­de­mie, son­dern ein Bliz­zard, der An­fang De­zem­ber den Flug­ver­kehr von und nach Lett­land still­leg­te. Auch wenn er es als einen un­glück­li­chen Zu­fall be­trach­tet, dass ge­ra­de an sei­nem Ab­rei­se­da­tum ein Schnee­sturm wütet, nimmt er es mit Humor: „Es ist doch ganz er­fri­schend ge­we­sen, dass es in Zei­ten von Covid-19 auch an­de­re Grün­de gibt, warum man nicht rei­sen kann.“

Nun haben die rund 15 Stu­die­ren­den ihren Pro­fes­sor eben ‚nur‘ auf ihren Bild­schir­men ge­se­hen. Der Aus­ein­an­der­set­zung mit dem Thema des Mo­duls hat dies den­noch kei­nen Ab­bruch getan. „In dem Modul geht es unter an­de­rem darum, wie die Be­zie­hung zwi­schen der Ge­sell­schaft und den So­zia­len Me­di­en von un­se­rer Wahr­neh­mung eben die­ser ge­prägt ist und wie die Twit­ter & Co. sich ent­wi­ckeln“ bringt Ianis Bucholtz den Kurs­in­halt auf den Punkt. Al­ler­dings gibt es keine leich­ten Ant­wor­ten, denn seit dem Auf­kom­men der So­zia­len Me­di­en ist ei­ni­ge Zeit ver­gan­gen und der an­fäng­li­che Op­ti­mis­mus ist in eine ge­wis­se Skep­sis um­ge­schla­gen. „Ich ver­su­che den Stu­die­ren­den auf­zu­zei­gen, dass So­zia­le Netz­wer­ke in ihrem ge­sell­schaft­li­chen Nut­zungs­kon­text ver­stan­den wer­den müs­sen, denn sie sind immer auch eine Re­flek­ti­on ge­sell­schaft­li­cher, psy­cho­lo­gi­scher und auch po­li­ti­scher Ein­flüs­se auf die Nut­ze­rin­nen und Nut­zer.“

Zum Thema So­ci­al Media hat der Pro­fes­sor, der Jour­na­lis­tik stu­diert und in dem Beruf ei­ni­ge Zeit ge­ar­bei­tet hat, auch seine Dis­ser­ta­ti­on ver­fasst. Be­reits als Dok­to­rand hat er be­gon­nen, Stu­die­ren­de zu un­ter­rich­ten. Das war in 2007. Es folg­te der Wech­sel an die Fach­hoch­schu­le im let­ti­schen Wol­mar, wo er seit 2012 lehrt. Ianis Bucholtz hält Kon­takt zum Jour­na­list*innen in Lett­land, ver­öf­fent­licht re­gel­mä­ßig Me­di­en­kri­ti­ken und ist Mit­glied des let­ti­schen Jour­na­list*in­nen­ver­ban­des und dem da­zu­ge­hö­ri­gen Ethik-Ko­mi­tee. „Ich glau­be, dass ich durch meine Er­fah­run­gen als Jour­na­list meine Stu­die­ren­den gut auf eine mög­li­che Kar­rie­re im Jour­na­lis­mus vor­be­rei­ten kann“, sagt er. Viele sei­ner Stu­die­ren­den, ob in Wol­mar oder Kiel, seien an dem Beruf in­ter­es­siert.

Einen Un­ter­schied zwi­schen den Stu­die­ren­den an der let­ti­schen und der deut­schen Hoch­schu­le hat der Pro­fes­sor wäh­rend sei­ner Zeit als Gast­do­zent be­ob­ach­tet: „In Kiel war­ten Stu­die­ren­de wäh­rend einer Dis­kus­si­on dar­auf, das Wort er­teilt zu be­kom­men, die Di­stanz zwi­schen Leh­ren­dem und Stu­die­ren­den ist ge­ne­rell etwas grö­ßer.“ Daran, dass in Kiel vor der Wort­mel­dung das Hand­zei­chen steht, muss­te er sich erst ge­wöh­nen. „In Lett­land ist die Dis­kus­si­ons­kul­tur ein wenig dy­na­mi­scher“, fügt er noch hinzu.

Genau wie in Deutsch­land fin­den seine Lehr­ver­an­stal­tun­gen an der Hoch­schu­le in Wol­mar zur­zeit in Prä­senz statt. Al­ler­dings ent­schei­den die Stu­die­ren­den dort mit ihren Dozen*innen, ob sie lie­ber on­line un­ter­rich­tet wer­den wol­len. Mas­ter­stu­di­en­gän­ge fin­den gänz­lich on­line statt. „Als ich im Sep­tem­ber in Kiel war, ist mir die gute Ko­or­di­na­ti­on und das Ver­fol­gen des Impf­sta­tus auf­ge­fal­len“, lobt er die Lö­sung über die Stu­die­ren­den­kar­ten an sei­ner Gast­hoch­hoch­schu­le. „Sol­che High-Tech-Lö­sun­gen haben wir in Wol­mar nicht.“

Ianis Bucholtz ent­schei­det sich üb­ri­gens jedes Jahr aufs Neue, zu­rück an die Kie­ler Fach­hoch­schu­le zu kom­men. Sein Ver­trag wird jähr­lich neu auf­ge­setzt. Ein Ende ist für ihn noch nicht in Aus­sicht: „Mir macht es Spaß, hier zu un­ter­rich­ten und des­halb muss ich nicht groß nach­den­ken, wenn die Ver­hand­lun­gen neu an­ste­hen“, sagt er.

© Fach­hoch­schu­le Kiel