„Heute sind es minus zwölf Grad und der Schnee lässt einen etwa knietief einsinken“, fasst Dr. Ianis Bucholtz nach einem kurzen Blick aus seinem Fenster die Wetterlage zusammen. Verfallen Sie jetzt bitte nicht in Panik – der 39-Jährige spricht nicht vom Kieler Wetter, sondern dem in seiner Heimatstadt Riga in Lettland.
Zweimal im Wintersemester reist der Professor für sein Modul „Social Media and Information Environment” am Fachbereich Medien in die Schleswig-Holsteinische Landeshauptstadt, um seine Studierenden zu unterrichten. Und das eben am liebsten in Präsenz: „Ich ziehe die Präsenzlehre den Zoom-Veranstaltungen vor, und ich habe das Gefühl, dass das die Studierenden generell auch tun.“ Umso enttäuschter ist er darüber, dass der zweite Blocktermin seines Seminars in diesem Wintersemester online stattfinden musste.
Der Grund hierfür ist nicht etwa die Pandemie, sondern ein Blizzard, der Anfang Dezember den Flugverkehr von und nach Lettland stilllegte. Auch wenn er es als einen unglücklichen Zufall betrachtet, dass gerade an seinem Abreisedatum ein Schneesturm wütet, nimmt er es mit Humor: „Es ist doch ganz erfrischend gewesen, dass es in Zeiten von Covid-19 auch andere Gründe gibt, warum man nicht reisen kann.“
Nun haben die rund 15 Studierenden ihren Professor eben ‚nur‘ auf ihren Bildschirmen gesehen. Der Auseinandersetzung mit dem Thema des Moduls hat dies dennoch keinen Abbruch getan. „In dem Modul geht es unter anderem darum, wie die Beziehung zwischen der Gesellschaft und den Sozialen Medien von unserer Wahrnehmung eben dieser geprägt ist und wie die Twitter & Co. sich entwickeln“ bringt Ianis Bucholtz den Kursinhalt auf den Punkt. Allerdings gibt es keine leichten Antworten, denn seit dem Aufkommen der Sozialen Medien ist einige Zeit vergangen und der anfängliche Optimismus ist in eine gewisse Skepsis umgeschlagen. „Ich versuche den Studierenden aufzuzeigen, dass Soziale Netzwerke in ihrem gesellschaftlichen Nutzungskontext verstanden werden müssen, denn sie sind immer auch eine Reflektion gesellschaftlicher, psychologischer und auch politischer Einflüsse auf die Nutzerinnen und Nutzer.“
Zum Thema Social Media hat der Professor, der Journalistik studiert und in dem Beruf einige Zeit gearbeitet hat, auch seine Dissertation verfasst. Bereits als Doktorand hat er begonnen, Studierende zu unterrichten. Das war in 2007. Es folgte der Wechsel an die Fachhochschule im lettischen Wolmar, wo er seit 2012 lehrt. Ianis Bucholtz hält Kontakt zum Journalist*innen in Lettland, veröffentlicht regelmäßig Medienkritiken und ist Mitglied des lettischen Journalist*innenverbandes und dem dazugehörigen Ethik-Komitee. „Ich glaube, dass ich durch meine Erfahrungen als Journalist meine Studierenden gut auf eine mögliche Karriere im Journalismus vorbereiten kann“, sagt er. Viele seiner Studierenden, ob in Wolmar oder Kiel, seien an dem Beruf interessiert.
Einen Unterschied zwischen den Studierenden an der lettischen und der deutschen Hochschule hat der Professor während seiner Zeit als Gastdozent beobachtet: „In Kiel warten Studierende während einer Diskussion darauf, das Wort erteilt zu bekommen, die Distanz zwischen Lehrendem und Studierenden ist generell etwas größer.“ Daran, dass in Kiel vor der Wortmeldung das Handzeichen steht, musste er sich erst gewöhnen. „In Lettland ist die Diskussionskultur ein wenig dynamischer“, fügt er noch hinzu.
Genau wie in Deutschland finden seine Lehrveranstaltungen an der Hochschule in Wolmar zurzeit in Präsenz statt. Allerdings entscheiden die Studierenden dort mit ihren Dozen*innen, ob sie lieber online unterrichtet werden wollen. Masterstudiengänge finden gänzlich online statt. „Als ich im September in Kiel war, ist mir die gute Koordination und das Verfolgen des Impfstatus aufgefallen“, lobt er die Lösung über die Studierendenkarten an seiner Gasthochhochschule. „Solche High-Tech-Lösungen haben wir in Wolmar nicht.“
Ianis Bucholtz entscheidet sich übrigens jedes Jahr aufs Neue, zurück an die Kieler Fachhochschule zu kommen. Sein Vertrag wird jährlich neu aufgesetzt. Ein Ende ist für ihn noch nicht in Aussicht: „Mir macht es Spaß, hier zu unterrichten und deshalb muss ich nicht groß nachdenken, wenn die Verhandlungen neu anstehen“, sagt er.