Mit der Ankündigung, dass sein Verlag in Zukunft keine gedruckten Zeitungen mehr produzieren will, sorgte der Springer-Vorstandsvorsitzende Mathias Döpfner für Aufsehen. Auch am Fachbereich Medien bei Prof. Dr. Jörn Radtke, der Studierenden unter anderem praktischen Journalismus und Storytelling vermittelt. „Dass es mit Print irgendwann vorbei sein würde, war wohl allen klar. Aber dass Springer seinen Abschied vom Print jetzt schon ankündigt, hat mich tatsächlich überrascht“, beschreibt Radtke seine Reaktion. „Das, was Springer vorhat, lässt sich aber nicht auf die gesamte Branche übertragen“, erklärt der Professor. „Die Geschäftsmodelle und Strategien für die Digitalisierung regionaler Verlage unterscheiden sich zum Beispiel durchaus von denen des Springer Verlags mit seinen bundesweiten Zeitungen. Wir arbeiten eng mit regionalen Partnern wie dem Schleswig-Holsteinischen Zeitungsverlag in der Forschung und Lehre zusammen, um diese Besonderheiten zu verstehen und in der journalistischen Ausbildung zu berücksichtigen“, so Radtke.
Seit Jahren sind die Medienhäuser eifrig damit beschäftigt, sich für die digitale Zukunft aufzustellen. Viele bieten ihren Abonnentinnen und Abonnenten vergünstigte Tablets an, um sie zum Umstieg auf digitale Ausgaben zu bewegen. „Die tägliche Zeitung im hintersten Zipfel Dithmarschens zuzustellen, ist für die Medienhäuser mittlerweile sehr aufwändig und teuer“, erklärt Radtke. „Da bietet die Digitalisierung attraktive, kostengünstigere Lösungen.“ Aber ein ePaper, das einfach nur die gedruckte Zeitung imitiert, schöpft die Möglichkeiten des Digitalen nur unzureichend aus. „Das ePaper wird zukünftig sehr viel interaktiver werden und auch Videos und Audios integrieren“, prophezeit der Professor, der selbst ursprünglich aus dem Printjournalismus kommt.
Die Studierenden für die ungewisse mediale Zukunft fit zu machen, ist eine spannende Aufgabe. „Bewegtbild-Formate nehmen bei uns einen großen Stellenwert ein. Wichtig ist aber auch crossmediales Denken: Wie bereite ich ein Thema im Podcast, wie im Video, wie im Print und wie auf den verschiedenen Social-Media-Kanälen auf, so dass die jeweiligen Möglichkeiten optimal genutzt werden und das jeweilige Publikum ansprechen“, zählt Radtke Schwerpunkte der Journalismus-Ausbildung an der FH Kiel auf. Darüber hinaus ist es ihm aber auch ein Anliegen, die erzählerischen Grundlagen zu vermitteln. „Dramaturgische Grundkenntnisse und ein Verständnis von Storytelling benötigt man unabhängig vom Medium, in dem man erzählt.“
Unabhängig vom Medium glaubt Radtke fest an die Zukunft der von Journalisten recherchierten und geschriebenen Nachricht. „Studien zeigen, dass junge Menschen heute immer noch ein hohes Informationsbedürfnis haben, insbesondere nach regionalen Nachrichten. Allerdings suchen sie hierfür keine speziellen Nachrichtenangebote auf, sondern setzen auf Informationen, die sie über ihren virtuellen Freundeskreis erreichen“, erklärt Radtke. Die Nachrichten, die über diese Wege verbreitet werden, werden dann aber vor allem als besonders glaubwürdig wahrgenommen, wenn sie von der Tagesschau oder den Tageszeitungen übernommen werden. „Das ist die große Chance von öffentlich-rechtlichen Fernsehsendern und lokalen Zeitungen: Als Anker der Glaubwürdigkeit im unübersichtlichen Meer des Internets zu dienen.“
Ist der Abschied vom Papier für den Professor eher persönlich bedeutsam, fokussiert er sich bei seiner Arbeit vielmehr auf die Möglichkeiten und Risiken, die das Digitale eröffnet. „Zeitungen werden persönlicher werden, statt einer Ausgabe für alle werden sich die angebotenen Inhalte an den individuellen Interessen orientieren. Aber das muss nichts Schlechtes sein, wenn die journalistische Qualität stimmt. Im Gegenteil bietet das Digitale mit Podcasts, Videos und interaktiven Infografiken tolle Möglichkeiten komplexe Inhalte verständlich zu vermitteln.“ Als besondere Herausforderung sieht Radtke die Rolle von Künstlicher Intelligenz im Journalismus. „Wir sehen gerade, dass die KI sehr gute Texte produziert und sich rasant entwickelt. Hier müssen wir in der Lehre Wege finden, die Studierenden einerseits fit für den Umgang mit der neuen Technologie zu machen und ihnen andererseits weiterhin die nötige Schreibkompetenz zu vermitteln.“