Ein Mann© A. Die­ko­et­ter
Prof. Dr. Jörn Rad­tke ver­mit­telt Stu­die­ren­den am Fach­be­reich Me­di­en unter an­de­rem prak­ti­schen Jour­na­lis­mus und Sto­ry­tel­ling.

Fit für den Jour­na­lis­mus von (über-)mor­gen

von Joa­chim Kläschen

Mit der An­kün­di­gung, dass sein Ver­lag in Zu­kunft keine ge­druck­ten Zei­tun­gen mehr pro­du­zie­ren will, sorg­te der Sprin­ger-Vor­stands­vor­sit­zen­de Ma­thi­as Döpf­ner für Auf­se­hen. Auch am Fach­be­reich Me­di­en bei Prof. Dr. Jörn Rad­tke, der Stu­die­ren­den unter an­de­rem prak­ti­schen Jour­na­lis­mus und Sto­ry­tel­ling ver­mit­telt. „Dass es mit Print ir­gend­wann vor­bei sein würde, war wohl allen klar. Aber dass Sprin­ger sei­nen Ab­schied vom Print jetzt schon an­kün­digt, hat mich tat­säch­lich über­rascht“, be­schreibt Rad­tke seine Re­ak­ti­on. „Das, was Sprin­ger vor­hat, lässt sich aber nicht auf die ge­sam­te Bran­che über­tra­gen“, er­klärt der Pro­fes­sor. „Die Ge­schäfts­mo­del­le und Stra­te­gi­en für die Di­gi­ta­li­sie­rung re­gio­na­ler Ver­la­ge un­ter­schei­den sich zum Bei­spiel durch­aus von denen des Sprin­ger Ver­lags mit sei­nen bun­des­wei­ten Zei­tun­gen. Wir ar­bei­ten eng mit re­gio­na­len Part­nern wie dem Schles­wig-Hol­stei­ni­schen Zei­tungs­ver­lag in der For­schung und Lehre zu­sam­men, um diese Be­son­der­hei­ten zu ver­ste­hen und in der jour­na­lis­ti­schen Aus­bil­dung zu be­rück­sich­ti­gen“, so Rad­tke.

Seit Jah­ren sind die Me­di­en­häu­ser eif­rig damit be­schäf­tigt, sich für die di­gi­ta­le Zu­kunft auf­zu­stel­len. Viele bie­ten ihren Abon­nen­tin­nen und Abon­nen­ten ver­güns­tig­te Ta­blets an, um sie zum Um­stieg auf di­gi­ta­le Aus­ga­ben zu be­we­gen. „Die täg­li­che Zei­tung im hin­ters­ten Zip­fel Dith­mar­schens zu­zu­stel­len, ist für die Me­di­en­häu­ser mitt­ler­wei­le sehr auf­wän­dig und teuer“, er­klärt Rad­tke. „Da bie­tet die Di­gi­ta­li­sie­rung at­trak­ti­ve, kos­ten­güns­ti­ge­re Lö­sun­gen.“ Aber ein ePa­per, das ein­fach nur die ge­druck­te Zei­tung imi­tiert, schöpft die Mög­lich­kei­ten des Di­gi­ta­len nur un­zu­rei­chend aus. „Das ePa­per wird zu­künf­tig sehr viel in­ter­ak­ti­ver wer­den und auch Vi­de­os und Au­di­os in­te­grie­ren“, pro­phe­zeit der Pro­fes­sor, der selbst ur­sprüng­lich aus dem Print­jour­na­lis­mus kommt.

Die Stu­die­ren­den für die un­ge­wis­se me­dia­le Zu­kunft fit zu ma­chen, ist eine span­nen­de Auf­ga­be. „Be­wegt­bild-For­ma­te neh­men bei uns einen gro­ßen Stel­len­wert ein. Wich­tig ist aber auch cross­me­dia­les Den­ken: Wie be­rei­te ich ein Thema im Pod­cast, wie im Video, wie im Print und wie auf den ver­schie­de­nen So­ci­al-Media-Ka­nä­len auf, so dass die je­wei­li­gen Mög­lich­kei­ten op­ti­mal ge­nutzt wer­den und das je­wei­li­ge Pu­bli­kum an­spre­chen“, zählt Rad­tke Schwer­punk­te der Jour­na­lis­mus-Aus­bil­dung an der FH Kiel auf. Dar­über hin­aus ist es ihm aber auch ein An­lie­gen, die er­zäh­le­ri­schen Grund­la­gen zu ver­mit­teln. „Dra­ma­tur­gi­sche Grund­kennt­nis­se und ein Ver­ständ­nis von Sto­ry­tel­ling be­nö­tigt man un­ab­hän­gig vom Me­di­um, in dem man er­zählt.“

Un­ab­hän­gig vom Me­di­um glaubt Rad­tke fest an die Zu­kunft der von Jour­na­lis­ten re­cher­chier­ten und ge­schrie­be­nen Nach­richt. „Stu­di­en zei­gen, dass junge Men­schen heute immer noch ein hohes In­for­ma­ti­ons­be­dürf­nis haben, ins­be­son­de­re nach re­gio­na­len Nach­rich­ten. Al­ler­dings su­chen sie hier­für keine spe­zi­el­len Nach­rich­ten­an­ge­bo­te auf, son­dern set­zen auf In­for­ma­tio­nen, die sie über ihren vir­tu­el­len Freun­des­kreis er­rei­chen“, er­klärt Rad­tke. Die Nach­rich­ten, die über diese Wege ver­brei­tet wer­den, wer­den dann aber vor allem als be­son­ders glaub­wür­dig wahr­ge­nom­men, wenn sie von der Ta­ges­schau oder den Ta­ges­zei­tun­gen über­nom­men wer­den. „Das ist die große Chan­ce von öf­fent­lich-recht­li­chen Fern­seh­sen­dern und lo­ka­len Zei­tun­gen: Als Anker der Glaub­wür­dig­keit im un­über­sicht­li­chen Meer des In­ter­nets zu die­nen.“

Ist der Ab­schied vom Pa­pier für den Pro­fes­sor eher per­sön­lich be­deut­sam, fo­kus­siert er sich bei sei­ner Ar­beit viel­mehr auf die Mög­lich­kei­ten und Ri­si­ken, die das Di­gi­ta­le er­öff­net. „Zei­tun­gen wer­den per­sön­li­cher wer­den, statt einer Aus­ga­be für alle wer­den sich die an­ge­bo­te­nen In­hal­te an den in­di­vi­du­el­len In­ter­es­sen ori­en­tie­ren. Aber das muss nichts Schlech­tes sein, wenn die jour­na­lis­ti­sche Qua­li­tät stimmt. Im Ge­gen­teil bie­tet das Di­gi­ta­le mit Pod­casts, Vi­de­os und in­ter­ak­ti­ven In­fo­gra­fi­ken tolle Mög­lich­kei­ten kom­ple­xe In­hal­te ver­ständ­lich zu ver­mit­teln.“ Als be­son­de­re Her­aus­for­de­rung sieht Rad­tke die Rolle von Künst­li­cher In­tel­li­genz im Jour­na­lis­mus. „Wir sehen ge­ra­de, dass die KI sehr gute Texte pro­du­ziert und sich ra­sant ent­wi­ckelt. Hier müs­sen wir in der Lehre Wege fin­den, die Stu­die­ren­den ei­ner­seits fit für den Um­gang mit der neuen Tech­no­lo­gie zu ma­chen und ihnen an­de­rer­seits wei­ter­hin die nö­ti­ge Schreib­kom­pe­tenz zu ver­mit­teln.“

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