Kreuz und quer jagen Autos einen Ball über das Spielfeld. Das Ziel fest im Blick, jeder Zusammenprall mit ihm bringt Punkte und Münzen. Die Konkurrenz kann mit Sprengschüssen ausgeschaltet werden. Doch Vorsicht! Auch auf das eigene Fahrzeug lauern Gefahren: Falltüren, die sich aus dem Nichts auftun, oder die Explosion des Balls, die alles in ihrer Nähe mit sich reißt, sorgen für Punktabzüge. Wer den Hindernissen trotzt, steigt in die zweite Spielphase auf und kann den Wagen dank der gesammelten Münzen frisieren. Ob Geschwindigkeit, Lenkung, Rüstung oder Munition, nach 20 Sekunden geht es optimiert in die nächste Verfolgungsrunde.
Der Webracer „Bomb ‘n Tune“ bietet Unterhaltung für bis zu 30 Personen, die gleichzeitig spielen können. Das gesamte Sommersemester 2015 entwickelten Lars Engel, Masterstudent der Information Technology, und Lukas Fritsch, Bachelorstudent der Multimedia Production, das Spiel im Rahmen der Creative Technologies AG der Fachhochschule Kiel (FH Kiel). Es basiert auf dem „Second Screen“-Prinzip, das heißt der parallelen Nutzung zweier Bildschirme. Während ein Fernseh-, Computer- oder Laptopbildschirm das Spielfeld anzeigt, dient das Smartphone als Controller. Einzige Bedingungen: Alle Geräte müssen Webseiten darstellen können, also browserkompatibel sein, und sich im gleichen WLAN-Netzwerk befinden. Warum verwenden wir nicht das allgegenwärtige Handy anstatt Konsolen und entsprechendes Zubehör anzuschaffen, dachten sich die beiden FH-Studenten.
Mit ihrer Idee und deren Umsetzung überzeugten die gebürtigen Hamburger nicht nur ihren Freundeskreis, auch die Fachjury des „Gläsernen JOHAHN“, des Medienpreises der Technischen Universität Ilmenau, würdigte diese nun entsprechend. Am vergangenen Freitag (29. Januar) gewannen Lars Engel und Lukas Fritsch mit „Bomb ‘n Tune“ den mit 750 Euro dotierten zweiten Platz in der Sparte Multimedia. Studierende aller deutschen Hochschulen können ihre Medienprodukte zweijährlich in den Kategorien Kurzfilm, Medienkonzept und Multimedia einreichen; für Oberstufenschülerinnen und -schüler gibt es eine gesonderte Rubrik.
„Vom ‚Gläsernen JOHAHN‘ hatten wir im Infosystem des Fachbereichs Informatik und Elektrotechnik erfahren. Zu dem Zeitpunkt war unser Spiel schon fertig und wir hatten Lust, uns dem Wettbewerb zu stellen. Erwartungen hatten wir keine, umso überraschter waren wir, als die positive Nachricht eintrudelte“, erzählt Lars Engel. In ihrer Begründung lobte die Jury besonders die unkomplizierte Bedienung von „Bomb ‘n Tune“, das ohne notwendige Installation sofort gespielt werden kann. Den Zugriff erhalten Spielerinnen und Spieler über einen Server im Netzwerk, auf dem sie sich mit der IP-Adresse (Internetprotokoll-Adresse) ihres Geräts einloggen. Auf einer Internetseite können sie schließlich wählen, ob sie auf ihrem Bildschirm das Spielfeld abbilden oder als Fahrerinnen und Fahrer in die Verfolgungsjagd einsteigen wollen.
Mit seinem technischen Know-how übernahm der 25-jährige Lars Engel die Programmierung des Multiplayer Webrace und benutzte dafür HTML5, die neueste Fassung der Hypertext Markup Language, einer Computersprache zur Vernetzung von Inhalten elektronischer Dokumente. Aufgrund ihrer Hardwareunterstützung für Smartphones war es beispielsweise möglich, auf die Vibration des Handys zuzugreifen. In „Bomb ’n Tune“ spüren Spielerinnen und Spieler diese, sobald ihr Auto von einem Sprengschuss getroffen wird. Die interaktiven Eigenschaften von HTML5 ermöglichten unter anderem die Erstellung von Animationen im Browser ohne zusätzliche Installation. Für diese, alle Grafiken und die Musik war Lukas Fritsch als kreativer Kopf des Projekts verantwortlich. Gemeinsam überlegten sich die jungen Männer das Game-Design, sprich Spielwelt und -regeln.
Den Wunsch, ein Second-Screen-Spiel zu entwickeln, hatten die Studierenden, die sich seit Kindergartentagen kennen und schon mit zwölf Jahren die ersten Rollenspiele konstruierten, bereits seit längerem. Die Idee für „Bomb ‘n Tune“ entstand schließlich in der Creative Technologies AG der FH. In diesem Wahlmodul, das jedes Semester angeboten wird, können sich Hochschulangehörige ausgiebig mit kreativen Technologien beschäftigen. „Das Fach Spieleprogrammierung gibt es in unseren Studiengängen nicht, daher war die AG eine super Möglichkeit, unserem Interesse nachzugehen und unsere Ideen umzusetzen“, sagt der 26-jährige Lukas Fritsch, der über den Erfolg in Ilmenau sehr glücklich ist. Auch AG-Leiter Prof. Dr. Robert Manzke ist stolz. „Es freut mich sehr, wenn so engagierte und kreative Köpfe wie die beiden im Rahmen der AG fachbereichsübergreifende Projekte initiieren, erfolgreich abschließen und ihr Ergebnis dann auch noch so viel Anerkennung findet“, erzählt der Professor vom Fachbereich Informatik und Elektrotechnik. Das Projekt der beiden sei ein sehr guter Indikator für das Potential einer bereits angedachten engeren Zusammenarbeit der Fachbereiche Informatik und Elektrotechnik und Medien im Rahmen gemeinsamer Module, Projekte und möglicherweise auch Studiengangausprägungen.
Für die Studenten ist der Gewinn des „Gläsernen JOHAHN“ ein weiterer Schritt auf dem Weg zur professionellen Spieleproduktion. Noch nehmen sie in ihrer Freizeit an Game Jams teil, planen, designen und entwickeln Produkte zu einem vorgegebenen Thema innerhalb einer kurzen Zeitspanne von 24 bis 72 Stunden. Doch bald wollen sie ihre Kunst, wie sie sie selbst bezeichnen, auch beruflich ausüben. „Game over“ heißt es für Lars Engel und Lukas Fritsch noch lange nicht!