Gruppenbild© J. Kö­nigs

FH Kiel wird Chan­ce für wis­sen­schaft­li­che Zu­kunft

von Julia Kö­nigs

Deutsch­land und Ma­rok­ko – zwei Wel­ten, die kaum un­ter­schied­li­cher sein könn­ten. Wäh­rend im einen Land das Leben eher ge­mäch­lich da­hin­flie­ßt und stets eine fri­sche Brise weht, ist der All­tag in dem Staat im Nord­wes­ten Afri­kas hek­tisch, laut und ner­ven­auf­rei­bend. 

Ihre Le­bens­welt für ein Jahr kom­plett um­zu­krem­peln, dafür haben sich Stu­die­ren­de der Uni­ver­si­té Mo­ham­med V de Rabat ganz be­wusst ent­schie­den: Aus Mar­ra­kesch, Tan­ger, Rabat und M’Diq kamen die jun­gen Frau­en und Män­ner nach Kiel, um an der Fach­hoch­schu­le zu ler­nen und zu for­schen. Die Stu­die­ren­den ab­sol­vie­ren ak­tu­ell ihr Post­gra­du­ier­ten­stu­di­um, das sie mit dem PhD ab­schlie­ßen wer­den. Der PhD ist der wis­sen­schaft­li­che Dok­tor­grad, der in vie­len eng­lisch­spra­chi­gen Län­dern nach dem Ab­schluss eines Dok­tor­stu­di­ums ver­lie­hen wird. 

Be­reits im drit­ten Jahr ihrer For­schung und damit kurz vor dem Er­geb­nis ste­hen Ham­zah Bak­thi und Najat Ma­go­uh, die am 1. März an der FH Kiel an­ge­kom­men sind. Die Stu­die­ren­den der An­ge­wand­ten Ma­the­ma­tik be­trei­ben ge­mein­sam am Fach­be­reich Ma­schi­nen­we­sen ex­pe­ri­men­tel­le For­schung im Be­reich des me­cha­ni­schen In­ge­nieur­we­sens. Be­treut wer­den sie dabei von Prof. Dr. Mo­ham­med Es-Souni. Alle er­hal­ten ein ERAS­MUS-Sti­pen­di­um für die Dauer von ein bis zwei Se­mes­tern in Höhe von 850 Euro mo­nat­lich von der FH Kiel. 

„Wir ge­nie­ßen es, in den La­bo­ren der FH Kiel for­schen zu kön­nen“, be­rich­tet Najat. „Diese ein­ma­li­ge Ge­le­gen­heit kön­nen wir nut­zen, um mehr Ex­pe­ri­men­te durch­zu­füh­ren und un­se­re The­sis zu un­ter­mau­ern.“ Ihr Kom­mi­li­to­ne Ham­zah pflich­tet ihr bei: „In Ma­rok­ko haben wir keine Op­ti­on, in den La­bo­ren zu ar­bei­ten, zumal diese auch we­sent­lich schlech­ter aus­ge­stat­tet sind. Die neu­es­te Tech­nik leis­tet sich die Hoch­schu­le dort nicht.“ Nun haben er und seine For­schungs­part­ne­rin Najat end­lich die Chan­ce, ihre bis­he­ri­gen Re­sul­ta­te mit neuen Er­geb­nis­sen ab­zu­glei­chen. 

Die bei­den an­ge­hen­den Dok­tor*innen durch­lie­fen am In­ter­na­tio­nal Of­fice ihrer ma­rok­ka­ni­schen Uni­ver­si­tät einen Be­wer­bungs- und In­ter­view­pro­zess, um nach Kiel zu kom­men. „Da es sich bei un­se­rem Pro­jekt um ein bi­la­te­ra­les Pro­jekt in Ko­ope­ra­ti­on mit un­se­rem be­treu­en­den Pro­fes­sor der FH Kiel han­delt, schlug unser Pro­fes­sor in Ma­rok­ko uns vor, uns für eine For­schung in Kiel zu be­wer­ben. Wir prä­sen­tier­ten un­se­re Ar­beit und wur­den aus­ge­wählt. Eine große Ehre“, sagt Ham­zah. 

Nun ver­brin­gen sie ihren All­tag mit viel Re­cher­che in den La­bo­ren am Fach­be­reich Ma­schi­nen­we­sen, be­su­chen wei­ter­füh­ren­de Kurse zu ihrem The­men­ge­biet und auch den Deutsch­kur­sus im Spra­chen­zen­trum auf Ni­veau A2. Ham­zah: „Die Kurse an der FH sind qu­al­ti­ta­tiv sehr hoch­wer­tig, zudem noch kos­ten­frei. Be­son­ders im Be­reich Wirt­schaft und Rech­nungs­we­sen konn­ten wir so noch mehr ler­nen. Bei uns in Ma­rok­ko müss­ten wir extra zah­len, um sol­che Se­mi­na­re be­le­gen zu dür­fen – oder bräuch­ten vor­her noch eine spe­zi­el­le Fort­bil­dung. 

„In den In­ter­dis­zi­pli­nä­ren Wo­chen wol­len wir des­halb auch noch am Aus­flug nach Ber­lin teil­neh­men, eine Kon­fe­renz im Be­reich Me­di­zin be­su­chen, unser Deutsch wei­ter auf­bes­sern und für un­se­re The­sis re­le­van­te Se­mi­na­re be­le­gen“, sagt Najat. Ihr ge­fal­le das Leben und Ar­bei­ten in Kiel sehr, be­son­ders dass die Stadt so über­sicht­lich und still sei, stim­me sie froh. 

„Hier lebe ich ent­spannt und unter we­ni­ger Men­schen. Im Ver­gleich dazu ist Ma­rok­ko ex­trem laut und rie­sig, so viele Per­so­nen auf einem Fleck. Es ist auch sehr si­cher hier in Kiel, jeder ist nett, man kann ohne Ge­fahr tun, wor­auf man Lust hat und muss sich nicht sor­gen.“

Die Nähe zum Meer sei ein wei­te­rer Plus­punkt für die Lan­des­haupt­stadt Schles­wig-Hol­steins und die FH. „Mit der Fähre komme ich so leicht von A nach B, ein­fach toll.“ 

Be­ein­druckt habe die bei­den auch der an­de­re Auf­bau des FH-Cam­pus: Türen stün­den offen, die sie ver­schlos­sen ge­wähnt hät­ten. „In Ma­rok­ko ist die Uni­ver­si­tät eine ge­schlos­se­ne In­sti­tu­ti­on, um­ge­ben von Mau­ern, nie­mand kommt ein­fach hin­ein ... im Ge­gen­satz dazu sind an der FH Kiel alle Pro­fes­so­res sehr hilfs­be­reit, un­ter­stüt­zend. Mit dem Stu­die­ren­den­aus­weis haben wir weit­rei­chen­den Zu­gang zu den Ge­bäu­den. Das kann­ten wir so nicht.“ 

Am Fach­be­reich In­for­ma­tik und Elek­tro­tech­nik for­schen Ham­zahs und Najats Kol­leg*innen Basma Es­sa­tou­ti und Ad­na­ne Bou­zaouit, be­treut von Prof. Dr. Sabah Badri-Höher. Sie stu­die­ren Com­pu­ter Sci­ence, also In­for­ma­tik an der Uni­ver­si­té Mo­ham­med V de Rabat und for­schen an der FH Kiel jetzt für den Be­ginn ihres PhD. Ad­na­ne hat sich dabei auf den Be­reich Künst­li­che In­tel­li­genz und Bild­da­ten­ver­ar­bei­tung fest­ge­legt: „Meine The­sis ist di­rekt nach mei­nem Mas­ter­ab­schluss ent­stan­den. Das For­schungs­feld ist sehr span­nend und weit­rei­chend. Nun kann ich an der FH Kiel durch das ex­trem mo­der­ne Equip­ment mehr Ma­te­ri­al un­ter­su­chen und meine Re­cher­che ver­tie­fen.“ 

Auch seine Kom­mi­li­to­nin Basma be­fasst sich mit In­for­ma­tik, je­doch im Be­reich Com­pres­sed Sen­sing, zu Deutsch kom­pri­mier­te Er­fas­sung. Dabei wer­den im We­sent­li­chen schwa­che Si­gna­le oder In­for­ma­tio­nen ohne gro­ßen Ver­lust er­fasst und re­kon­stru­iert. Basma ent­schied sich be­wusst dafür, nach Kiel zu kom­men: „Mein For­schungs­feld war meine Mo­ti­va­ti­on. Hier in Kiel ist die Qua­li­tät der Bil­dung in die­sem Be­reich höher.“ 

Wie ihre Freun­de ge­nie­ßen auch Basma und Ad­na­ne, dass Kiel im Ver­gleich zu ihren Hei­mat­städ­ten in Ma­rok­ko eine recht stil­le und ent­spann­te Stadt ist. „Ich emp­fin­de das Leben hier sehr viel an­ders“, so Ad­na­ne, „die Men­schen sind sehr nett, das Kie­ler Moin finde ich auch cool.“ 

Basma schätzt be­son­ders die vie­len Rad­we­ge. „Ich fahre gerne mit dem Fahr­rad, aber in Ma­rok­ko haben wir keine fes­ten Wege dafür. Das kann ich in Kiel jetzt aus­kos­ten, zur FH oder zum Strand fah­ren, ganz in Ruhe etwas un­ter­neh­men neben mei­ner For­schungs­ar­beit. Und abends mal ins Kino im Bun­ker-D!“ 

Sport­lich un­ter­wegs ist auch Ad­na­ne, der an der FH sowie an der Chris­ti­an-Al­brechts-Uni­ver­si­tät in den Bas­ket- und Vol­ley­ball­teams spielt. So ver­bes­sert er auch sein Deutsch. „So habe ich viel Kon­takt zu Kie­lern und habe schon viele deut­sche Freun­de. Na­tür­lich haben wir alle vier auch viel mit un­se­ren deut­schen Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen aus den La­bo­ren und un­se­ren In­sti­tu­ten zu tun, tref­fen uns mit der ERAS­MUS-Grup­pe oder un­se­ren Mit­be­woh­nern aus dem Wohn­heim.“ 

Die Be­su­che in Ham­burg, Lü­beck und im Kie­ler Opern­haus, des Hand­ball­spiels des THW und die Teil­nah­me an der Han­no­ver Messe, die das In­ter­na­tio­nal Of­fice anbot, haben den ma­rok­ka­ni­schen Stu­die­ren­den die deut­sche Kul­tur noch näher ge­bracht, sind sie sich einig. 

Da Ham­zah und Najat am Ab­schluss ihres PhD ste­hen, ma­chen sie sich viele Ge­dan­ken über die Zu­kunft und wol­len sich auf die nächs­ten Schrit­te vor­be­rei­ten.  

„In Deutsch­land haben wir bes­se­re Chan­cen als An­ge­wand­te Ma­the­ma­ti­ker“, er­klärt Najat. „In un­se­rem Hei­mat­land könn­ten wir haupt­säch­lich leh­ren, aber wir wol­len in der Pra­xis ar­bei­ten. Wir in­ter­es­sie­ren uns für die Com­pu­ter­wis­sen­schaf­ten, IT, Me­di­zin, Bio­me­di­zin ... es ist so viel mög­lich.“ Das For­schungs­team will daher das meis­te aus sei­ner Ar­beit her­aus­ho­len, um sich die bes­ten Chan­cen zu er­mög­li­chen. Najat konn­te auf der Han­no­ver Messe be­reits ein Un­ter­neh­men ken­nen­ler­nen, dass daran in­ter­es­siert wäre, mit ihr zu ar­bei­ten. Ham­zah da­ge­gen zieht auch einen Pos­ten als Post­doc, also als pro­mo­vier­ter Wis­sen­schaft­ler an einem For­schungs­in­sti­tut oder eine Trai­nee-Stel­le in Be­tracht.  

Basma und Ad­na­ne kön­nen sich noch etwas Zeit las­sen und ihre For­schung ver­tie­fen. Ne­ben­bei wol­len sie als Fre­e­lan­cer*in in der IT Fuß fas­sen. 

„Egal woher man kommt, ERAS­MUS ist eine idea­le Mög­lich­keit, die man un­be­dingt nut­zen soll­te“, be­tont Ham­zah. Er rät allen Stu­die­ren­den, nicht nur aus Eu­ro­pa, sich um­zu­schau­en und die bes­ten Chan­cen zu fin­den. „Ich freue mich, hier mit­ma­chen zu kön­nen. Jeder soll­te das ma­chen, sich be­wer­ben und dann die Chan­ce er­grei­fen, wenn sie sich bie­tet.“

© Fach­hoch­schu­le Kiel