Potraitaufnahme Prof. Dr. Ute Vanini© M. Pilch
Prof. Ute Vanini hat die Krisenresilienz von Unternhemen untersucht.

FH Kiel und HS Luzern veröffentlichen Studie zur Krisenresilienz von Unternehmen

von Frauke Schäfer

Schweizer Unternehmen sind finanziell resilienter durch die vergangenen Krisenjahre gesteuert als ihre Nachbarn aus Deutschland und Österreich. Eine hohe Eigenkapitalquote sowie flexiblere Kostenstrukturen sorgten für eine größere Krisenrobustheit bei Schweizer Unternehmen. Dies zeigt eine Studie der Hochschule Luzern und der Fachhochschule Kiel. In ihrer Stichprobe haben die beiden Hochschulen mehr als 500 Unternehmen der sogenannten DACH-Region, also Deutschland, Österreich und der Schweiz, untersucht.

Die wirtschaftlichen Auswirkungen großer Krisenereignisse sind vielseitig. Sie reichen von Umsatzrückgängen, Kostenanstiegen, Lieferkettenproblemen, Arbeitsplatzverlusten, Insolvenz bis hin zu einer Destabilisierung ganzer Branchen und Volkswirtschaften. Diese Auswirkungen waren während und nach der Corona-Pandemie, gefolgt von Ukrainekrieg, Energiekrise und Inflation in Deutschland, Österreich und der Schweiz zu spüren. Das Krisenmanagement einzelner Unternehmen war essenziell, um die Tragweite negativer Folgen einzudämmen. Eine Studie der Hochschule Luzern (HSLU) und der Fachhochschule (FH) Kiel untersuchte börsennotierte Unternehmen in Deutschland, Österreich und der Schweiz und identifizierte und verglich besonders krisenanfällige, aber auch besonders krisenresistente Unternehmen. Ziel war es, wesentliche Einflussfaktoren für eine größere finanzielle Widerstandsfähigkeit von Unternehmen zu erkennen. Die Untersuchung zeigt: Unterschiede gibt es nicht nur zwischen den einzelnen Branchen, sondern auch zwischen den Ländern.

Neue Krisen ermöglichen neue Erkenntnisse

„Die Coronakrise erlaubte erstmals seit langem, die Krisenwiderstandsfähigkeit von Unternehmen zu untersuchen“, sagt Prof. Dr. Stefan Hunziker von der Hochschule Luzern. Zuletzt sei dies nach der Finanzkrise 2007/2008 möglich gewesen. Die Pandemie und die folgenden Krisenereignisse machten sehr deutlich: Unternehmen müssen die Engpassbereiche und Abhängigkeiten ihres Geschäftsmodells gut kennen und die Wirkungen externer Krisenereignisse auf diese Bereiche abschätzen können. Diese können nämlich zu dramatischen Ertrags- und Liquiditätseinbrüchen sowie Kostenexplosionen führen. „Die eigenen Abhängigkeiten und Engpassbereiche nicht nur zu kennen, sondern gezielt zu reduzieren, kann im Krisenfall den Unterschied zwischen erfolgreicher Bewältigung und Insolvenz ausmachen“, erklärt Prof. Dr. Ute Vanini von der Fachhochschule Kiel.

Eigenkapitalausstattung und Aufwandsquote entscheiden über Krisenresilienz

Die Studie zeigt, was viele bereits vermutet haben: Die Schweizer Unternehmen waren ihren deutschsprachigen Nachbarn in puncto Krisenwiderstandsfähigkeit voraus - beispielsweise in Sachen Umsatzrendite, einer zentralen Risikokennzahl zur Messung der finanziellen Krisenresilienz. Sie ist in der Schweiz insgesamt höher. Hunziker vermutet, dass u. a. die hohe Agilität von Wirtschaft und Politik während der Pandemie dazu beigetragen hat. Bei der Umstellung auf Homeoffice und digitale Vertriebskanäle waren die Schweizer Unternehmen schneller.

Weitere Indikatoren: die überdurchschnittlich hohe Eigenkapitalausstattung und niedrige Aufwandsquote der Schweizer Unternehmen. Die Aufwandsquote bezeichnet den Anteil der Kosten am Umsatz. Je höher diese Quote, desto schneller führen Umsatzeinbrüche in Krisen zu Verlusten. In beiden Bereichen stehen die resilienten Schweizer Unternehmen signifikant besser da. Die Eigenkapitalausstattung trägt nicht nur zum Abpuffern einzelner Risiken bei, sondern vermindert auch die Gefahr einer Überschuldung und erleichtert die Cash-Beschaffung. Hunziker: „Eigenkapital signalisiert Vertrauen, Solvenz und Leistungsfähigkeit, und dies interessierte die potenziellen Kreditgeber wie Banken.“ Die Schweizer Wirtschaft profitierte außerdem von ihrer hohen Diversifizierung und weiterhin starken Exporten von beispielsweise Pharmazeutika. Schweizer Unternehmen gerieten insgesamt weniger in Liquiditätsengpässe: Die Insolvenzwahrscheinlichkeit war niedriger. Die Situation in Deutschland stellte sich anders dar, erklärt Vanini: „Deutschland ist traditionell sehr Industrie-geprägt. Die Industrie hat sowohl während der Corona-Krise als auch durch die folgenden Krisenereignisse sehr unter der Unterbrechung der Lieferketten, der Inflation und dem Zinsanstieg gelitten. Aufgrund der schnellen Abfolge der diversen Krisenereignisse bleibt kaum Zeit zur Erholung.“

Staatliche Unterstützung in Deutschland - (zu) umfangreich?

Auch der Blick auf die staatlichen Unterstützungsmaßnahmen fördert Unterschiede zutage. Die staatlichen Unterstützungsmaßnahmen seien in Deutschland schnell und unbürokratisch initiiert worden, die Corona-Politik war vergleichsweise strenger als in der Schweiz. Insgesamt hat die deutsche Politik die Unternehmen in der Corona-Krise viel stärker finanziell unterstützt als die Schweizer. Diese Unterstützung könnte aber auch kontraproduktiv gewesen sein. „Wir vermuten“, so Vanini, „dass die umfangreichen Staatshilfen in Deutschland in einigen Unternehmen notwendige Maßnahmen und Anpassungen des Geschäftsmodells verhindert haben, da man sich zu stark auf den Staat verlässt.“ Die Studienautor*innen betonen jedoch, dass nicht alle Branchen gleich und zum gleichen Zeitpunkt betroffen waren. Während es in der Pandemie die konsumnahen Branchen und die Industrie stärker traf, leiden bei Zinsanstieg und Inflation neben der Industrie auch der Bau- und Immobilienbereich besonders stark. Die Aussagen beziehen sich daher auf die Volkswirtschaft als Ganzes.

Krisenresilienz als Notwendigkeit

Insgesamt steht die Stärkung der Krisenwiderstandsfähigkeit in einem gewissen Zielkonflikt zur Verbesserung der Kosteneffizienz. Der Aufbau von Puffern verbraucht zusätzliche Ressourcen in Form von Eigenkapital- und Liquiditätskosten. Die Herausforderung für Unternehmen besteht darin, ein entsprechendes Gleichgewicht zu finden. „Wir glauben, dass Unternehmen das Thema Krisenvorsorge nach den aufeinanderfolgenden Krisen der vergangenen vier Jahre deutlich ernster nehmen als zuvor“, resümiert Vanini. „Wer seine Engpassbereiche kennt und über entsprechende operationale, finanzielle und personelle Puffer und Flexibilität nachdenkt, wird in Zukunft besser gerüstet sein.“

Die Studie zur finanziellen Resilienz von Unternehmen im DACH-Raum ist HIER verfügbar.

Kontakt
Institut für Controlling der Fachhochschule Kiel
Prof. Dr. Ute Vanini
E-Mail: ute.vanini(at)fh-kiel.de

Hintergrund ERM Report 2023

Das Ziel des ERM (Enterprise Risk Management) Report 2023 ist es, börsennotierte Unternehmen der DACH-Region aus verschiedenen Branchen über einen Zeitraum von fünf Jahren anhand von ausgewählten Kennzahlen in Bezug auf ihre finanzielle Krisenanfälligkeit bzw. -resilienz zu bewerten, mögliche Einflussfaktoren zu identifizieren und wichtige Implikationen für das Risk-Management abzuleiten. Die Unternehmensdaten wurden über einen Zeitraum von fünf Jahren erhoben und analysiert (2018 bis 2022). Dabei umfasst die Stichprobe insgesamt 505 Unternehmen aus der DACH-Region, von denen 70 Unternehmen aus Österreich, 234 Unternehmen aus Deutschland und 201 aus der Schweiz stammen.

Die Ergebnisse sind nicht nur für einzelne Unternehmen, sondern für die Wirtschaft der gesamten DACH-Region von Bedeutung, da die Stabilität und das Wachstum der Unternehmen eng mit dem wirtschaftlichen Erfolg der Region verbunden sind. Aus der umfassenden Datenanalyse unter DACH-Unternehmen leiteten die Studienautor*innen Kernbotschaften für die Praxis ab, die Verbesserungspotenziale für die finanzielle Resilienz aufzeigen. Die Studie wurde vom Institut für Finanzdienstleistungen IFZ der Hochschule Luzern zusammen mit dem Institut für Controlling der Fachhochschule Kiel verfasst.

 

 

 

 

 

 

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