Es ist ein Screenshot zu sehen, mit Informationen über den Badeort Grömitz und Angaben über die Azslastung von Parkplätzen. © LHIND
So könnte die Website des Besuchermanagementsystems aussehen. Grafik: LHIND

FH Kiel und FH Westküste entwickeln Konzept und Prototypen für digitales Besuchermanagementsystem im Tourismus

von Frauke Schäfer

Forscher*innen der Fachhochschulen Kiel und Westküste haben gemeinsam mit Lufthansa Industry Solutions und der ADDIX GmbH die Grundlagen für ein landesweites digitales Besuchermanagementsystem im Tourismus entwickelt. Damit soll künftig die Überlastung von Naherholungsgebieten verhindert werden. Das Projekt „Landesweites digitales Besuchermanagement für den Tourismus in Schleswig-Holstein“, kurz LABTOUR SH, wurde vom Land Schleswig-Holstein gefördert. 

Überfüllte Parkplätze, dicht an dicht liegende Strandbesucher*innen und proppenvolle Skigebiete: Vor allem in der Hochphase der Corona-Pandemie kursierten in den Nachrichten Bilder überrannter Tourismus-Destinationen. Enttäuschte Erholungssuchende, genervte Anwohner*innen und überforderte Beschäftigte waren die Folge. Gleichzeitig tummelten sich im näheren Umkreis in ähnlichen attraktiven Gebieten nur wenige Besucher*innen. „Mit einer effizienten Nutzung der lokalen touristischen Ressourcen und einer Beachtung der Toleranzschwellen von Anwohner*innen und Naturgebieten hat das wenig zu tun“, erklärt Prof. Dr. Julian Reif vom Deutschen Institut für Tourismusforschung der Fachhochschule Westküste. „Gerade für Schleswig-Holstein ist es aber besonders wichtig, dass der Tourismus, als wichtiges wirtschaftliches Standbein, langfristig für alle Beteiligten attraktiv bleibt – immerhin sorgt dieser für rund zwölf Prozent der Gesamtbeschäftigung im Land“.

Projektteam installierte 29 Sensoren an touristischen Hotspots

Um Besuchsströme künftig besser steuern zu können, musste die Forschungsgruppe unter der Leitung von Prof. Dr. Michael Prange von der Fachhochschule Kiel erst einmal die aktuellen Tourismusbewegungen erfassen und analysieren. Hierfür installierte sie unter Federführung der FH Westküste an 29 ausgewählten Standorten in Schleswig-Holstein Sensoren und nutzte bereits vorhandene. So konnten die Forscher*innen Ein- und Ausfahrten an Park-, Camping- und Wohnmobilstellplätzen registrieren und den Fahrradverkehr an beliebten Ausflugsstrecken aufzeichnen. Die FH Westküste analysierte die Daten und verglich diese mit Daten aus Smartphones. Diese erlaubten eine Einschätzung darüber, ob es sich bei den Personen um Tourist*innen oder Einwohner*innen handelt.

Algorithmus für Empfehlungen alternativer Destinationen entwickelt

„Auf Basis der gewonnenen Daten konnten wir einen Algorithmus entwickeln, der nicht nur eine Vorhersage der Auslastungen touristischer Hotspots ermöglicht, sondern darüber hinaus attraktive Alternativen vorschlägt, wenn Orte zu voll sind“, erklärt Prange. Auch die konkrete Ausspielung solcher Empfehlungen wurde im Rahmen des Projektes geschaffen. „Mit dem #sh_wlan haben wir gemeinsam mit den Sparkassen in Schleswig-Holstein bereits über 3.000 Access Points im Betrieb, mehr als 1,3 Millionen registrierte Nutzer *innen und damit eine entsprechende Präsenz in der Fläche. Auch im Tourismus liefert diese Infrastruktur digitale Teilhabe für Besucher*innen und kann ein wesentlicher Informationskanal sein, um entsprechende Empfehlungen auszuspielen“, erklärt Björn Schwarze, der geschäftsführende Gesellschafter der ADDIX GmbH. Neben der exemplarischen Aussteuerung von touristischen Empfehlungen im #sh_wlan unterstützte die ADDIX GmbH das Projekt mit technischer Infrastruktur und ihrer langjährigen Expertise hinsichtlich des Betriebs von Datenplattformen. Dies beinhaltet insbesondere einen nahtlosen Informationsaustausch und damit die Kompatibilität verschiedener Plattformen, Datenquellen und Systeme.

Bereits vor der Corona-Pandemie hatte der Projektpartner Lufthansa Industry Solutions (LHIND) damit begonnen, Lösungen für ein Management von Besuchsströmen zu entwickeln. Seit 2020 nutzen Destinationsmanager*innen der Lübecker Bucht und von St. Peter Ording eine von der LHIND geschaffene Cloudplattform intern für die Analyse ihrer Besuchszahlen. Ergänzend spielen sie die aufbereiteten Daten, in vereinfachter Form, über ihre jeweiligen Apps an die Destinationsgäste. Das hieraus entstandene Know-how und die gewonnenen Daten über Besuchszahlen und Parkplatzauslastungen brachte die LHIND in das Forschungsprojekt ein. In Zusammenarbeit mit der FH Kiel konnte so ein weitreichendes Konzept und eine erste Pilotierung eines Empfehlungs-Moduls sowie der Ausspielung über eine Website realisiert werden.

Beteiligte wollen Empfehlungen mit öffentlichem Nahverkehr koppeln

Die Beteiligten streben ein Anschlussprojekt an, um das System und eine öffentlich erreichbare Webseite in den produktiven Betrieb zu überführen. „Dabei wollen wir auch eine Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr berücksichtigen, um Natur, Umwelt und Anwohner*innen zu entlasten“, so Prange. Damit könnte es in Zukunft selbstverständlich werden, nicht nur die Wettervorhersage für das nächste Wochenende zu recherchieren, sondern auch die prognostizierte Auslastung des Lieblingsstrandes und die Zug- und Busverbindung dorthin.

Hintergrund
Das Projekt „Landesweites digitales Besuchermanagement für den Tourismus in Schleswig-Holstein, kurz LABTOUR SH, wurde vom Land Schleswig-Holstein gefördert wurde mit einer Gesamt-Fördersumme von 713.935,48 € finanziert durch das Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Arbeit, Technologie und Tourismus des Landes Schleswig-Holstein im Rahmen des Landesprogramms Wirtschaft 2014-2020 mit EFRE-Mitteln und Landesmitteln nach Maßgabe der FIT-Richtlinie. Der Projektzeitraum erstreckte sich vom 1. November 2021 bis zum 30. Juni 2023.

Weitere Informationen zum Projekt unter: https://bit.ly/3Q3BUVY

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