Das ehemalige Café Pennekamp erfüllt einen neuen Zweck: Es wird zu einer Schnittstelle zwischen FH Kiel und Schule. In dem Zentrum werden Klassen in Empfang genommen und Workshops für Schüler*innen und Lehrer*innen abgehalten. Ein breites Netzwerk sorgt für vielfältige Angebote.
Die Verbindungen zwischen Fachhochschule und Schule gibt es schon länger. Seit 2008 nehmen zum Beispiel Klassen und Lehrkräfte am Projekt „Roberta“ teil, um kleine, fahrbare Roboter zu bauen und sie mit einfacher Programmiersprache auf Kurs zu bringen. Seit 2018 vernetzt sich die Fachhochschule mit berufsbildenden Schulen und Berufsbildungszentren. Kooperationen gibt es unter anderem mit entsprechenden Schulen in Kiel, Neumünster und dem Kreis Steinburg.
Flexible Arbeitsumgebung
Bislang war es so, dass die Klassen mit dem Bus am Campus ankamen und dann nach den jeweiligen Fachbereichen Ausschau hielten. Jetzt werden sie im neuen Ankunftszentrum willkommen geheißen. In mehreren Bereichen stehen Objekte zur Interaktion bereit. Per Smartphone können die Schüler*innen beispielsweise ein Kunstwerk näher erfassen, indem sie in eine kurze Detektivstory eintauchen. Nach Begrüßung und Vorstellung des Tagesprogramms werden die Jungen und Mädchen dann zum betreffenden Institut begleitet, oder aber die Veranstaltung läuft direkt im neuen Zentrum ab. Konzipiert ist der Raum für eine Schulklasse, also etwa 30 Personen. Die Arbeitsumgebung kann flexibel für Vorträge oder Gruppenarbeit gestaltet werden, da die Stühle und Tische mit ihren großen Arbeitsflächen rollbar sind. „Wir möchten auch Lehrkräfte an diesen außerschulischen Lernort einladen, um sie über die FH zu informieren“, berichtet Vizepräsident Professor Dr.-Ing. Klaus Lebert. „Bisher haben manche Fachbereiche eigene Kurse für Schüler*innen organisiert“, erläutert Lebert. „Jetzt bündeln wir sie dank der Zentralisierung.“
Angesprochen sind Schüler*innen der fünften bis 13. Jahrgangsstufe. Die FH Kiel und Schulen ziehen an einem Strang, denn das gemeinsame Anliegen ist es, die MINT-Fächer zu stärken. In den Bereichen Mathe, Informatik, Naturwissenschaft und Technik, die in diesem Kanon vereint sind, steckt nämlich noch viel Potenzial. „Das Interesse an naturwissenschaftlich-technischen Zusammenhängen geht allzu oft verloren, wenn Kinder zu Jugendlichen werden“, heißt es im MINT-Aktionsplan 2019 des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. „Das liegt nicht nur, aber auch am Unterricht, in dem häufig noch zu wenig der Bogen zu spannenden Fragen aus dem Alltag und zu praktischen Anwendungen geschlagen wird.“ Außerschulischen Initiativen gelinge das häufig besser, erläutert der Bericht.
Ein Netzwerk für neue Ideen
Um herauszufinden, welche Anforderungen der Lehrplan für die Klassenstufen vorsieht und welche Wünsche Lehrer*innen hinsichtlich einer Kooperation mit der FH Kiel haben, sind Sabrina Schönfeld, die das Hochschulprojekt koordiniert, und ihr Team mit zahlreichen Organisationen und Einrichtungen in Verbindung getreten. So hat sich ein Netzwerk entwickelt, aus dem neue Ideen entspringen. Ein Anknüpfungspunkt ist das Programm „Schule trifft Kultur“. Es bringt Kulturschaffende, zum Beispiel Bildhauer*innen, Maler*innen, Schauspieler*innen oder Filmemacher*innen mit Schulklassen zusammen. In Workshops werden dann Jungen und Mädchen, beispielsweise innerhalb einer Projektwoche, aktiv. Für Kiel koordiniert dies Programm Dr. Beate Kennedy. Die Kreisfachberaterin sichert zu: „Wir helfen, dass das Angebot der FH in Schulen bekannter wird.“ Sie ist fasziniert von den „Medien und der Expertise der Menschen an der Fachhochschule“, von denen Schulen profitieren könnten. Kennedy und ihre Kolleg*innen sind überzeugt, dass ein Bezug von Kultur zu MINT-Fächern eine wertvolle Bereicherung für den Unterricht sein kann. Die Koordinator*innen des Programms planen für Lehrer*innen gemeinsam mit dem IQSH (Institut für Qualitätsentwicklung an Schulen Schleswig-Holstein) und der FH eine Fortbildungsveranstaltung mit dem Titel „Kulturelle Bildung für die MINT-Fächer“.
Eine Zusammenarbeit gibt es nun auch mit dem Netzwerk „Ostseecampus“, das an der Andreas-Gayk-Schule in Kiel verortet ist. Es verbindet die Bereiche „Wassersport, Wissenschaft und Meeresschutz“ und ist laut Daniel Peter, Lehrer der Schule, ein „Sammelbecken für verschiedene Angebote“. Schwerpunkt ist das Kieler Ostufer. Insgesamt 13 Schulen und eine Reihe von Organisationen sowie Einrichtungen stehen dabei in Verbindung. Für September 2020 war zum Beispiel eine Bildungswoche geplant, in deren Rahmen auch ein Besuch an der FH Kiel auf dem Programm stand. Die Schulgruppe wollte im Mediendom einen Film zu Walen sehen. Coronabedingt ist die Bildungswoche verschoben worden. „Außerschulisches Lernen bleibt den Schülern besonders nachhaltig im Gedächtnis“, so die Erfahrung des Schulleiters Rainer Peschties. Er wünscht sich auch eine Zusammenarbeit des „Ostseecampus“ mit dem Fachbereich „Soziale Arbeit und Gesundheit“
Die Kooperation der Fachhochschule Kiel mit dem LdE-Kompetenzzentrum (Lernen durch Engagement), das 47 Netzwerkschulen unterstützt, ist ebenfalls erfolgversprechend. Das Zentrum, das mit dem Bildungsministerium des Landes und dem IQSH verbunden ist, vertritt die Überzeugung: Wenn Schüler*innen sich gesellschaftlich engagieren, fördert dies nicht nur ihre persönliche Entwicklung, sondern vertieft auch ihr Wissen von der Welt. Dabei erfahren sie zugleich, wie Demokratie funktioniert. Die Einrichtung gibt Lehrkräften Anregungen, wie sie entsprechende Projekte mit außerschulischen Partner*innen umsetzen können. Projektleiterin Marion Schlüter nennt zwei Beispiele: „Schüler machen Freizeitangebote für Menschen mit Behinderungen oder führen in Kitas mit Kindern naturwissenschaftliche Experimente durch.“ Doch in dem Prozess von der Idee zur Umsetzung klaffe manchmal eine Lücke: „Das fachliche Wissen der Schüler oder Lehrer reicht nicht immer aus.“ Auf einem Fachtag sind Dozent*innen und Studierende deshalb mit Lehrer*innen zusammengekommen, um Ideen für gemeinsame Projekte zu entwickeln. Bei einem „Actionbound“ etwas, einer Art moderner Schnitzeljagd, könnten die Schüler*innen mit Hilfe einer App herausfinden, wo es in der Stadt oder Natur Einsatzorte für gesellschaftliches Engagement gibt.
Ein weiteres Projekt sieht vor, dass Schüler*innen Podcasts, Hörspiele oder Schulradiosendungen produzieren. Hilfe brauchen sie unter anderem bei der Anwendung von Schneideprogrammen. Und bei einem vierten Projekt können im Gründungszentrum der FH Schüler*innen-Firmen von den Erfahrungen studentischer Start-up-Unternehmer*innen profitieren. „Das Wichtigste ist, für neugierige und interessierte Kinder und Jugendliche Möglichkeiten zur Aus- und Weiterbildung sichtbar und greifbar werden zu lassen und sie mit Bildungsangeboten zu unterstützen, sodass eigene Chancen, Perspektiven und Mitgestaltungsmöglichkeiten erkennbar werden“, sagt Schönfeld. Kritisches Denken, kreatives Handeln und Spaß an der Sache sollten dabei im Mittelpunkt stehen.
Projekttage, Kurse, Vorträge, AGs
Regelmäßig wird ein Programm mit Projekttagen, Kursen, AGs und Impulsvorträgen erstellt, die an verschiedene Fachbereiche gebunden sind. Viele Angebote stehen bereits fest: „Durch Wände schauen“ heißt einer der Workshops des Instituts für Bauwesen. Dabei geht es unter anderem um die Fragen, aus welchen Bestandteilen Baustoffe bestehen und mit welchen Verfahren sich Schäden an Bauwerken feststellen lassen. Ein anderes Angebot geht dem Bau einer Straße auf den Grund. Auch im Blitzlabor ist das Ziel der Lehrenden, dass der Funke auf die Schüler*innen überspringt. Gesprächsstoff bieten zum Beispiel die Schilder „Hochspannung – Lebensgefahr“. Gemeinsam unternimmt die Gruppe Versuche zur Entladung von Spannung und diskutiert darüber, wie Gebäude und Windkraftanlagen vor Blitzen geschützt werden können.
„Erneuerbare Energien entdecken“ lautet das Motto des Workshops, der in der Maschinenhalle durchgeführt wird. An vier verschiedenen Versuchsstationen sind Messungen und andere Aufgaben vorgesehen. Die Energiewende steht im Fokus, und verschiedene Quellen wie Wind und Sonne rücken ins Blickfeld. Unter dem Stichwort „interestIng!“ erhalten Schüler*innen in einer Projektwoche einen Einblick in den Arbeitsalltag und die Berufswelt von Ingenieur*innen. Zunächst bekommen die Teams einen Firmen-Auftrag mit einer technischen Herausforderung. Daraufhin sind sie gefragt, eine Lösung zu erarbeiten, wobei ihnen Dozent*innen und Studierende zur Seite stehen.
„Weitere Projekte sind in Vorbereitung“, erläutert Schönfeld. „Dazu gehören zum Beispiel die Unterstützung von Schüler*innen-Teams bei Wettbewerben wie Jugend forscht und die Ausrichtung des Wettbewerbes der First Lego League.“ Bei diesem Wettstreit entwickeln kleine Gruppen Lego-Mindstorms-Roboter, die auf einem Spielfeld Aufgaben lösen müssen.
Der bunte Strauß an Angeboten kann viele Bedürfnisse erfüllen. Aus dem neuen Zentrum ergibt sich sozusagen eine „Win-Win-Win“-Situation, denn Lehrkräfte bekommen Anregungen, Schüler*innen erlangen Wissen, indem sie selbst aktiv werden und die FH erhält noch mehr als zuvor die Möglichkeit, sich mit ihrer Verbindung von Theorie und Praxis zu präsentieren. Der Vizepräsident beschreibt das Ziel so: „Wir wollen uns für Lehrkräfte und Schüler*innen noch mehr öffnen, um Wissenschaft erlebbar zu machen und die große Bandbreite der FH Kiel aufzuzeigen.“