Ankündigung Fachtagung DiGeKo Net© FH Kiel

FH Kiel hat Ge­sund­heits-App für Men­schen mit Al­pha­be­ti­sie­rungs­be­darf ent­wi­ckelt

von Frau­ke Schä­fer

6,2 Mil­lio­nen Men­schen kön­nen in Deutsch­land nicht oder nur un­zu­rei­chend lesen und schrei­ben. Für die Be­trof­fe­nen fehl­te es bis­lang an kon­kre­ten, ziel­grup­pen­spe­zi­fi­schen An­ge­bo­ten auf dem Ge­biet der Ge­sund­heits­vor­sor­ge. Um diese Lücke zu schlie­ßen, haben For­schen­de der FH Kiel im Rah­men des Pro­jekts Di­Ge­Ko (Di­gi­ta­le Ge­sund­heits­kom­pe­tenz) in Ko­ope­ra­ti­on mit ver­schie­de­nen Pra­xis­part­ner*innen aus dem Be­reich der Al­pha­be­ti­sie­rung und Ge­sund­heits­för­de­rung eine bar­rie­re­freie App ent­wi­ckelt.

Wer einen (Fach-)Arzt oder eine (Fach-)Ärz­tin sucht, In­for­ma­tio­nen über eine be­stimm­te Krank­heit oder Dia­gno­se be­nö­tigt oder den Bei­pack­zet­tel eines Me­di­ka­ments ver­ste­hen möch­te, muss lesen kön­nen. Des­we­gen fin­den Men­schen mit Al­pha­be­ti­sie­rungs­be­darf nur schwer Zu­gang zu Ge­sund­heits­in­for­ma­tio­nen. Genau das möch­te Merle He­y­rock mit ihrem Team än­dern: „Damit die Nut­zer*innen sich in der App zu­recht­fin­den, kommt sie ohne Le­se­tex­te aus“, er­klärt die wis­sen­schaft­li­che Ko­or­di­na­to­rin des Pro­jekts. „Statt­des­sen set­zen wir vor allem auf Vi­de­os und Au­dio­auf­nah­men, die Me­nü­füh­rung funk­tio­niert über Icons.“ So steht eine Lupe, in der ein Mann im wei­ßen Kit­tel zu sehen ist, für die Suche nach einer Pra­xis; wer auf das Ka­len­der­sym­bol mit Te­le­fon­hö­rer klickt, lan­det bei einer An­lei­tung für die Ter­min­ver­ein­ba­rung.

Für die Ent­wick­lung der App hat das Pro­jekt­team einen agi­len, par­ti­zi­pa­ti­ven Pro­zess ge­wählt und die Ziel­grup­pe aktiv ein­ge­bun­den. Den Kon­takt zu den Be­trof­fe­nen ver­mit­tel­ten Pra­xis­part­ner*innen so­wohl durch di­rek­ten Kon­takt zu Ein­zel­per­so­nen als auch zu Grup­pen und Kur­sen in­ner­halb ihres Netz­werks. „Men­schen, die nicht oder nicht gut lesen und schrei­ben kön­nen, haben den Pro­to­ty­pen der App ge­tes­tet – und wir haben sie auf Basis ihres Feed­backs ihren Be­dürf­nis­sen an­ge­passt“, er­klärt App-Ent­wick­ler Colin Ka­va­nagh.

Zum Start der App liegt der Schwer­punkt auf der In­for­ma­ti­on über The­men aus dem Ge­sund­heits­be­reich mit­hil­fe von Video- und Au­dio­for­ma­ten in ein­fa­cher Spra­che: Nut­zer*innen fin­den u.a. Hil­fe­stel­lun­gen für die Vor­be­rei­tung ihres Be­suchs von Ärzt*innen, zum Ver­ständ­nis eines Bei­pack­zet­tels oder zum Ein­lö­sen eines Re­zep­tes. Ak­tu­ell in der Ent­wick­lung ist ein di­gi­ta­ler Ana­mne­se­bo­gen, der durch Sprach­ein­ga­be am Smart­pho­ne aus­ge­füllt und als PDF-Do­ku­ment in der Pra­xis ge­zeigt wer­den kann.

„Auch lang­fris­tig sol­len aus dem Pro­jekt Un­ter­stüt­zungs­an­ge­bo­te für die Be­trof­fe­nen her­vor­ge­hen“, be­tont Pro­jekt­lei­te­rin Prof. Dr. Ayça Polat, die das Pro­jekt ge­mein­sam mit Prof. Dr. Brit­ta Thege an die Fach­hoch­schu­le Kiel ge­holt hat und in­zwi­schen an der Hoch­schu­le Os­na­brück lehrt. „Im Rah­men des Pro­jekts haben wir des­halb mit un­se­ren Pra­xis­part­ner*innen das re­gio­na­le Kom­pe­tenz­netz­werk ‚Di­Ge­Ko-Net‘ ge­grün­det. Es setzt sich für die ge­sund­heit­li­chen Be­lan­ge und den di­gi­ta­len Kom­pe­tenz­er­werb von Men­schen mit Al­pha­be­ti­sie­rungs­be­darf ein sowie die Ver­brei­tung und Be­kannt­ma­chung der kos­ten­lo­sen App.“

Auf­grund des Fokus auf vi­su­el­le Ele­men­te und In­for­ma­tio­nen in ein­fa­cher Spra­che ist die App für eine brei­te Ziel­grup­pe ge­eig­net: „Das In­ter­es­se an der App und am Pro­jekt ist groß – so er­reich­te uns be­reits die An­fra­ge, ob auch Ge­flüch­te­te von der Di­Ge­Ko-App pro­fi­tie­ren kön­nen“, er­läu­tert Prof. Thege, Ge­schäfts­füh­re­rin des In­sti­tuts für In­ter­dis­zi­pli­nä­re Gen­der­for­schung und Di­ver­si­ty. Künf­tig könn­te das tat­säch­lich der Fall sein: Ein mehr­spra­chi­ges An­ge­bot sei ein lang­fris­ti­ges Ziel für die App und werde tech­nisch schon jetzt mit­ge­dacht.

„Ich freue mich, dass wir Men­schen mit Al­pha­be­ti­sie­rungs­be­darf die App über unser Netz­werk kos­ten­los zur Ver­fü­gung stel­len kön­nen“, er­klärt Do­ro­thee Mich­al­scheck von der Lan­des­ver­ei­ni­gung für Ge­sund­heits­för­de­rung Schles­wig-Hol­stein. „Mit der Di­Ge­Ko-App haben wir ein neues In­stru­ment, um Men­schen zu er­rei­chen, die nicht oder nicht gut lesen kön­nen. Sie hilft ihnen, sich selbst­be­stimmt mit ihrer Ge­sund­heit aus­ein­an­der­zu­set­zen.“

Die Di­Ge­Ko-App ist zu­nächst im Goog­le Play Store ver­füg­bar, also auf An­dro­id-Ge­rä­ten nutz­bar. Ge­plant ist au­ßer­dem eine Ver­si­on für das iOS-Be­triebs­sys­tem. Mor­gen (Diens­tag, 9. Mai 2023, 9.30 bis 15.30 Uhr) wird die App im Rah­men einer Fach­ta­gung vor­ge­stellt. In­ter­es­sier­te kön­nen on­line per Zoom teil­neh­men. Eine An­mel­dung ist nicht er­for­der­lich.

Zoom-Link für die On­line-Teil­nah­me:
https://​fh-​kiel.​zoom.​us/​j/​61224393835?​pwd=Zml​4Q2x​OMEl​samF​oamp​sOEZ​FU2R​rQT0​9

Hin­ter­grund

Das im Ok­to­ber 2020 ge­star­te­te, vom Bun­des­mi­nis­te­ri­um für Bil­dung und For­schung mit rund 500.000 Euro ge­för­der­te Pro­jekt läuft noch bis zum 30. Sep­tem­ber 2023. Es ist am In­sti­tut für In­ter­dis­zi­pli­nä­re Gen­der­for­schung und Di­ver­si­ty der Fach­hoch­schu­le Kiel an­ge­sie­delt. Neben der FH Kiel sind fol­gen­de Pra­xis­part­ner*innen be­tei­ligt: Deut­sches Rotes Kreuz Lan­des­ver­band Schles­wig-Hol­stein e.V., Lan­des­ver­band der Volks­hoch­schu­len Schles­wig-Hol­stein e.V., ZBBS – Zen­tra­le Be­ra­tungs­stel­le für Mi­gran­tin­nen und Mi­gran­ten e.V., Me­di­bü­ro Kiel e.V., Crea­te Fu­ture - Ver­ein für so­zia­le Start-up Pro­jek­te und in­ter­kul­tu­rel­le Bil­dung e.V., AWO Kreis­ver­band Kiel, Dia­ko­nie Lan­des­ver­band S.-H., der Pa­ri­tä­ti­sche Lan­des­ver­band S.-H., LVGFSH Lan­des­ver­band für Ge­sund­heit S.-H., Ver­lag Mandl & Schwarz.

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