Das internationale Gegenwindrennen in den Niederlanden in der vergangenen Woche endete mit einem Überraschungserfolg für das Baltic-Thunder-Team der FH Kiel. Der „Baltic Twin Thunder“ erhielt den „Gerard Broers Innovation Award“. Insgesamt waren sechs Hochschulteams aus fünf Ländern am Start in Den Helder. Auf einem 5,3 Kilometer langen Deichabschnitt an der niederländischen Nordseeküste findet seit 2008 das „Racing Aeolus“ statt. Es ist der größte internationale Wettbewerb für gegenwindbetriebene Fahrzeuge.
Das Baltic-Thunder-Team der Fachhochschule (FH) Kiel ging in diesem Jahr mit zwei Fahrzeugen an den Start: Mit dem einrotorigen „Baltic Thunder Student“ (BTS) und dem zweirotorigen „Baltic Twin Thunder“ (BTT). Der BTS hatte vor einem Jahr den 2. Platz in der Gesamtwertung gewonnen. Mit ihm rechneten sich die Kieler*innen also gute Chancen aus. Ganz anders die Situation des „Baltic Twin Thunders“. Er war vor fünf Jahren demontiert und eingelagert worden, musste also erst einmal wieder zum Laufen gebracht werden. „Der ‚Baltic Twin Thunder‘ hat einen gewissen Legendenstatus in der Szene“, erklärt Sten Böhme. Der Professor für Maschinendynamik und Konstruktion mit Faserverbundwerkstoffen betreut das Studierenden-Projekt. „Im vergangenen Jahr hatten die anderen Teams uns immer wieder auf ihn angesprochen, nicht zuletzt, weil der BTT das einzige Gegenwindfahrzeug mit zwei Rotoren ist. Also haben wir beschlossen, ihn wieder aus der Garage zu rollen und aufzuarbeiten“, erklärt Prof. Böhme.
Im September 2023 ging es los. Die 14 Teammitglieder kamen aus vier Studiengängen. Die meisten (9) studieren Maschinenbau und (5) Erneuerbare Offshore Energien sowie Schiffbau und Maritime Technik, Mechatronik, Elektrotechnik und Bauingenieurwesen. Gemeinsam entwarfen und bauten sie die gesamte elektrische Hard- und Software sowie die Energieversorgung des Wagens neu, inclusive Touch Displays und Platinen. Die Student*innen entwickelten zudem eine neue Methode, um Rotorblätter aus Kohlefaser zu fertigen. Diese sind deutlich leichter und lassen sich aufgrund einer neuen Blattbefestigung während des Rennens unkompliziert tauschen. Der „Baltic Thunder Student“ bekam neue Antriebswellen aus Carbon.
Am Montag, dem ersten Trainingstag in Den Helder, dann die Ernüchterung: Aufgrund hoher Unwuchten erhielt der BTT keine Freigabe für das Rennen am folgenden Tag. Aber aufgeben galt nicht. Das Team demontierte in der folgenden Nacht die Rotorblätter, behob das Problem, erhielt am Dienstagmorgen die Starterlaubnis und absolvierte einige erfolgreiche Läufe. Am Mittwoch dann neue Probleme: Eine Antriebswelle brach, Antriebsketten rissen, die Propellerwelle versagte, Schläuche platzten, Reifen waren bis auf das Metallgeflecht abgefahren. Zwei Wertungsläufe schaffte das Team mit dem BTT noch und legte eine erneute Nachtschicht ein. Am Donnerstag wurde das Rennen jedoch aufgrund zu hoher Windgeschwindigkeiten abgebrochen, bevor der BTT auf die Strecke gehen konnte. So lange das Rennen noch gelaufen war, hatte der „Baltic Thunder Student“ seine Zuverlässigkeit unter Beweis stellen können. Während andere Teams erst gar nicht gestartet waren oder Schäden durch den Sturm erlitten hatten, absolvierte der BTS eine Wertung nach der anderen.
Nach drei turbulenten Renntagen folgte dann die Überraschung. Die FH Kiel gewann den Innovationspreis, der traditionell zu gleichen Teilen von einer Fachjury und den teilnehmenden Teams vergeben wird. Beeindruckt hatte die Fachleute insbesondere die Fertigung der Rotorblätter. Damit ließen die Kieler*innen sogar den neugekürten Weltmeister in der Kategorie „Endurance“ aus Amsterdam hinter sich. Entsprechend zufrieden zeigte sich Teamcaptain Erik Semklo mit dem Abschneiden des Baltic Thunder Teams: „Den ‚Baltic Twin Thunder‘ wieder auf den Deich von Den Helder zu bringen, war eines unserer Ziele für diese Saison. Dass wir für die viele Arbeit auch noch mit dem Innovationspreis belohnt wurden, hat mich und das ganze Team sehr gefreut.“