Ein Mann© A. Die­köt­ter
Por­traits von Mi­cha­el Mühl­tha­ler, Ein­rich­tungs­lei­tung im AWO Heim in DDort

FH-Alum­nus Mi­cha­el Mühl­tha­ler lei­tet ein AWO-Ser­vice­haus

von Ma­rie­sa Brahms

Dass er mal was mit Men­schen ma­chen woll­te, stand für Mi­cha­el Mühl­tha­ler schon wäh­rend der Schul­zeit fest. Um nach dem Fach­ab­itur die War­te­zeit auf einen ent­spre­chen­den Stu­di­en­platz zu über­brü­cken, fing er al­ler­dings zu­nächst eine Lehre zum Gärt­ner in sei­nem ober­baye­ri­schen Hei­mat­s­ort Kay bei Titt­mo­ning an. Damit folg­te er auch dem el­ter­li­chen Rat, die War­te­zeit für eine erste Be­rufs­aus­bil­dung zu nut­zen. „Die Ar­beit hat wirk­lich Spaß ge­macht. Be­son­ders hat mir ge­fal­len, dass ich den Tag meist an der fri­schen Luft ver­brin­gen konn­te“, re­flek­tiert Mühl­tha­ler seine Zeit in der Gärt­ne­rei. Und trotz­dem ver­fes­tig­te sich in Mühl­tha­ler der Wunsch, seine Ar­beits­ta­ge nicht der Flora, son­dern Men­schen zu wid­men. Als ihn im Früh­jahr 2009 die Zu­las­sungs­be­schei­ni­gung für den Stu­di­en­gang So­zia­le Ar­beit an der Fach­hoch­schu­le Kiel er­reich­te, war der Umzug in die Lan­des­haupt­stadt Schles­wig-Hol­steins be­schlos­se­ne Sache. Was seine neue Hei­mat für den Wahl­kie­ler da­mals wie heute be­son­ders at­trak­tiv macht, ist das Ur­laubs­ge­fühl, das ihn ge­ra­de beim Fla­nie­ren auf der Kiel­li­nie über­kommt.

„Das war schon ein Aben­teu­er, so als zu­ge­zo­ge­ner Erst­se­mes­ter im hohen Nor­den“, er­in­nert sich der heute 37-Jäh­ri­ge. Was bei der Um­ge­wöh­nung ge­hol­fen hat, waren die schnell ge­knüpf­ten Kon­tak­te und Freund­schaf­ten wäh­rend des Stu­di­ums. Denen misst Mühl­tha­ler bis heute einen hohen Wert bei, ge­ra­de wegen der vie­len ver­schie­de­nen Per­sön­lich­kei­ten. Sie haben ihm auch dabei ge­hol­fen, über sich selbst zu ler­nen. Neben den wis­sen­schaft­li­chen In­hal­ten waren es diese Kon­tak­te, die er aus sei­ner Stu­di­en­zeit mit ins Ar­beits­le­ben nahm. „Die Zeit auf dem Kie­ler Cam­pus war schon eine Schu­le fürs Leben,“ re­sü­miert Mühl­tha­ler.

Der Im­ma­tri­ku­la­ti­on folg­te die Frage nach der ge­nau­en Aus­rich­tung sei­ner Be­ru­fung – denn ein Ab­schluss in So­zia­ler Ar­beit bie­tet eine Band­brei­te an mög­li­chen Be­schäf­ti­gungs­fel­dern. Wäh­rend eines Pflicht­prak­ti­kums sam­mel­te Mühl­tha­ler erste be­ruf­li­che Ein­drü­cke in einer psy­cho­so­zia­len Ein­rich­tung in Lü­beck. „Die vier Wo­chen haben mir zwar ge­fal­len, aber an­ge­kom­men war ich trotz­dem nicht, und ich habe wei­ter­ge­sucht.“ Was ihm dann schlie­ß­lich aus­schlag­ge­bend bei der Ent­schei­dungs­fin­dung half, war der ‚Pra­xis-Schnack‘ sei­nes Fach­be­rei­ches. Die­ser bie­tet Stu­die­ren­den mo­nat­lich die Mög­lich­keit zum Aus­tausch mit be­reits be­rufs­tä­ti­gen So­zi­al­päd­ago­gin­nen und So­zi­al­päd­ago­gen. „Mir hat das ge­hol­fen, einen Ein­blick in die Pra­xis zu be­kom­men“, sagt Mühl­tha­ler heute. Bei Kaf­fee und Ku­chen be­rich­te­te Su­san­ne Weber beim ‚Pra­xis-Schnack‘ von ihrer Ar­beit als Lei­te­rin des AWO Ser­vice­hau­ses in Met­ten­hof. Der Woh­nungs­kom­plex im Kie­ler Wes­ten ist eines von sie­ben Ser­vice­häu­sern des Trä­gers in der Lan­des­haupt­stadt. Alte und pfle­ge­be­dürf­ti­ge Men­schen woh­nen in ihren ei­gens ge­mie­te­ten Woh­nun­gen, wer­den nach in­di­vi­du­el­lem Be­dürf­nis ge­pflegt. Das Alter der Be­woh­ner*innen liegt zwi­schen 59 und 99 Jah­ren. Das Kon­zept der Ein­rich­tung sagte dem Stu­den­ten zu. Durch ein nach­füh­ren­des Ge­spräch mit Weber ver­fes­tig­te sich sein In­ter­es­se und am Ende des Tages hatte er einen Prak­ti­kums­platz im Ser­vice­haus in der Ta­sche.

„Für mich hat es sich vom ers­ten Tag an so an­ge­fühlt, als würde ich dort­hin ge­hö­ren“, sagt der 37-Jäh­ri­ge über das AWO Ser­vice­haus Boks­berg, das seit nun­mehr sie­ben Jah­ren sein Ar­beits­platz ist. Das liegt zu einem daran, dass die Hang­la­ge des Ser­vice­hau­ses einen traum­haf­ten Blick auf die Stadt bie­tet, zum an­de­ren wer­den Mühl­tha­ler in der Ge­stal­tung sei­nes Pro­gramms für die Mie­ter*innen viele Frei­hei­ten ge­las­sen. „Mein An­spruch ist es, die Mie­te­rin­nen und Mie­ter aus ihren Kom­fort­zo­nen zu holen, sie in ge­mein­sa­men Dis­kus­sio­nen zu for­dern.“ Was ihm zudem wich­tig ist, ist die Ak­tua­li­tät der The­men. Des­halb emp­fängt die Wohn­ge­mein­schaft re­gel­mä­ßig Re­fe­rent*innen für ge­sell­schaft­lich re­le­van­ten An­lie­gen. Im Jahr 2015 war das unter an­de­rem der Flücht­lings­strom, aber auch fe­mi­nis­ti­sche The­men und gen­der­ge­rech­te Spra­che sind Mühl­tha­ler ein An­lie­gen. Schlie­ß­lich wol­len die Mie­ter und Mie­te­rin­nen auch im fort­ge­schrit­te­nen Alter Teil der Ge­sell­schaft sein, mit­re­den und -dis­ku­tie­ren kön­nen. „Das An­ge­bot trifft meist auf Auf­ge­schlos­sen­heit“, er­zählt der FH-Alum­nus. „Ne­ga­ti­ve Rück­mel­dun­gen hel­fen mir dann in der Aus­wahl des nächs­ten Dis­kus­si­ons­ge­gen­stands. Ich halte es mit dem Trial-and-Error-Prin­zip.“

Seit sei­nen An­fän­gen im Ser­vice­haus Boks­berg er­fährt Mühl­tha­ler hier­bei Rü­cken­de­ckung durch Die­ter Gosch, von dem er die Lei­tung über­nom­men hat. Mitt­ler­wei­le könne er aber schon ganz gut ab­schät­zen, wel­ches Thema wie an­ge­nom­men wird. Läge er mit sei­ner Ein­schät­zung da­ne­ben, nehme man es ihm nicht übel.

„Die­ses Jahr fei­ern wir sogar einen 100. Ge­burts­tag“, freut sich Mühl­tha­ler. Was ihm be­son­ders Spaß be­rei­tet an sei­nem Beruf, ist der per­sön­li­che Kon­takt. Über die Jahre lernt er die Mie­ter*innen ken­nen und schät­zen, ver­bringt viel Zeit mit ihnen. Au­ßer­dem birgt der All­tag viel Ab­wechs­lung, er­for­dert Kom­mu­ni­ka­ti­ons­ge­schick und lebt vom Aus­tausch mit den Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen. „Ich gehe mor­gens gerne zur Ar­beit. Das Ver­spre­chen, un­se­ren Mie­ter*innen einen an­re­gungs­vol­len und ge­sel­li­gen Le­bens­ab­schnitt zu er­mög­li­chen, for­dert und mo­ti­viert mich, jede Auf­ga­be so gut es eben geht zu er­fül­len.“

Kon­se­quenz die­ses Ver­spre­chens ist auch, dass Mühl­tha­ler mit sei­nem Team die Mie­ter*innen des Hau­ses bis an ihr Le­bens­en­de be­glei­tet. Dass das jedes Mal eine emo­tio­na­le Her­aus­for­de­rung dar­stellt, än­dern auch keine sie­ben Jahre Be­rufs­er­fah­rung. „Ich er­fah­re dann oft die Gren­zen zwi­schen Pro­fes­sio­na­li­tät und Mit­ge­fühl mit den Se­nio­ren, die man teil­wei­se über Jahre kennt“, be­schreibt er.

Und trotz­dem über­wie­gen die schö­nen Mo­men­te in sei­nem Beruf. Gerne er­in­nert er sich an ge­mein­sa­me Er­leb­nis­se im Haus. Wie er für die Mie­ter*innen die Wii-Spie­le­kon­so­le ent­staubt hat oder wäh­rend der Pan­de­mie-Zeit die Stim­mung bei einem Plausch an den Woh­nungs­tü­ren mit selbst­ge­schmier­ten Mett­bröt­chen ge­ho­ben hat - sein Ein­falls­reich­tum be­rei­tet den Mie­te­rin­nen und Mie­tern einen ab­wechs­lungs­rei­chen All­tag.

Am 1. Juni 2021 über­nahm Mühl­tha­ler die Lei­tung des Hau­ses. Und damit hat sich auch sein Ar­beits­all­tag ver­än­dert: „An einem guten Tag habe ich dann noch für eine Stun­de den di­rek­ten Kon­takt zu un­se­ren Mie­te­rin­nen und Mie­tern“, er­zählt Mühl­tha­ler und klingt dabei etwas weh­mü­tig. Dafür habe er für die Zu­kunft des Ser­vice­hau­ses viel ge­plant. Nach­hal­tig­keit soll eine hö­he­re Re­le­vanz bei­ge­mes­sen wer­den - Mühl­tha­ler will den Plas­tik­ver­brauch im Pfle­ge­all­tag auf ein Mi­ni­mum her­un­ter­fah­ren. Au­ßer­dem will er die Di­gi­ta­li­sie­rung in der Ein­rich­tung unter sei­ner Lei­tung vor­anfüh­ren. Für die kom­men­de Zeit hat er sich ei­ni­ges vor­ge­nom­men, und den­noch darf sich die Be­woh­ner­schaft auf wei­te­re an­re­gen­de Vor­trä­ge freu­en. Denn dass in den Wän­den des Ser­vice­hau­ses Boks­berg dis­kus­si­ons­wür­di­ge The­men auf of­fe­ne Ohren tref­fen, wird sich unter der Lei­tung von Mi­cha­el Mühl­tha­ler nicht än­dern.

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