Fast täglich besuchte Lars Appel die Internetseite der FH Kiel, nachdem die Landesregierung verkündet hatte, an der Hochschule den Studiengang Bauingenieurwesen einzurichten. Als Mann der Praxis weiß er aus eigener Erfahrung, dass Baubranche und öffentliche Hand händeringend Fachleute suchen. Außerdem hatte Appel schon länger mit dem Gedanken gespielt, seine Erfahrungen an den Nachwuchs weiterzugeben. Das kann der gebürtige Kasseler nun machen: Seit dem ersten 1. Juli ist er Professor für „Management und Organisation mit dem Schwerpunkt Hochschulwesen“ im Institut für Bauwesen. Warum er sich auf die Pionierarbeit an der FH Kiel freut, verrät er im Interview mit Pressesprecherin Frauke Schäfer.
Sie haben bei Ihrer Vorstellung im Senat erzählt, dass Sie schon als Kind eine Leidenschaft fürs Bauen hatten, wie hat sich das denn bemerkbar gemacht?
Es gibt Fotos von einem Schwedenurlaub auf denen zu sehen ist, wie ich mit drei Jahren versucht habe, mit meiner Kinderschaufel die Schlaglöcher zu reparieren. Als ich im Grundschulalter war, gab es bei uns vor der Tür eine große Tiefbaubaustelle. Nach den Hausaufgaben bin ich immer runter und habe stundenlang die Maschinen beobachtet. Ich bin dem Bauen von Kindesbeinen an treu geblieben, bis heute.
Waren Sie denn in der Schule besonders gut in Mathe und Physik?
Ich war weder besonders gut noch besonders schlecht, bis zur zehnten Klasse Mittelfeld. Aber dann habe ich im Anschluss eine Baufachschule besucht, ein berufliches Gymnasium. Dort wurden viele Bauinhalte wie Statik und Bauphysik gelehrt, aber wir mussten auch mauern, Fliesen legen, ein Drittel der schulischen Ausbildung fand auf dem Bauhof statt. Und mit dem Bezug zum Bau habe ich tatsächlich im Jahrgang – ich mag es ja gar nicht so laut sagen – als Klassenbester abgeschnitten, mit 1,3 im Abitur. Bei mir hatte sich ein Schalter umgelegt, weil ich wusste, wofür ich es tue.
Und dann haben Sie auch in diesem Bereich studiert?
Ja, ich bin in Kassel geboren und aufgewachsen und dort gab es einen in zwei Diplome gestaffelten, konsekutiven Studiengang. Zunächst das Diplom eins in Konstruktions- und Fertigungstechnik, vergleichbar mit dem heutigen konstruktiven Ingenieurbau, und dann habe ich im zweiten Diplom, das heute dem Master entspricht, die Studienrichtung Verkehrswesen vertieft. Im Bereich Verkehrswesens habe ich auch promoviert.
Dann hätte Ihnen ja eine universitäre Laufbahn offen gestanden, haben Sie diesen Weg eingeschlagen?
Nein, ich bin dann – quasi der Sprung ins kalte Wasser – in die freie Wirtschaft gegangen und habe 2007 in Schleswig-Holstein mit einem Geschäftspartner aus Kassel im Rahmen einer Nachfolgeregelung als geschäftsführender Gesellschafter einen Hochbaubetrieb übernommen. Dort habe ich mich bis 2016 mit dem Hochbau beschäftigt, insbesondere mit der Angebotsbearbeitung, Akquise, der technischen Kalkulation, also allem was nötig ist, bevor es auf der Baustelle „losgeht“. Aber auch - wenn die Zeit es zuließ - Bauleitung gemacht.
Und was folgte dann?
Dann bin ich aus der freien Wirtschaft zum Deutschen Beton und Bautechnik-Verein gegangen, im Rückblick ein Sprungbrett oder Zwischenschritt, weil ich mich dort, neben gutachtlichen Tätigkeiten, insbesondere mit Schulungen und Arbeitstagungsvorbereitungen beschäftigt habe. Die Mitglieder können individuelle Schulungen buchen und werden in allen übergeordneten Fragen der Beton- und Bautechnik auf den neuesten Stand gebracht. Ich habe den Schulungsbetrieb begleitet.
Das passt jetzt ja. Gab es damals also schon den Hintergedanken eines Tages vielleicht an eine Hochschule zu gehen, Professor zu werden?
Ja, den gab es schon länger, auch schon im Zeitraum meiner selbständigen Tätigkeit. Ich hatte ja gemerkt, dass es immer schwieriger wird, Ingenieurinnen und Ingenieure im Baubereich zu finden. Ich wollte mein Wissen und meine Erfahrung an die jüngere Generation weitergeben und aktiv etwas gegen den Fachkräftemangel tun. Die Stelle beim Deutschen Beton und Bautechnik-Verein passte, weil es dort einen Teilbereich Lehre gab, der mir auch sehr großen Spaß gemacht hat.
Haben Sie damals schon die Diskussion mitbekommen, dass an der FH Kiel ein Studiengang eingerichtet werden soll?
Ja, ich hatte dies auch im Koalitionsvertrag gelesen und war sofort infiziert, war Feuer und Flamme. Um zu sehen, welche Stellen ausgeschrieben werden und was gesucht wird, habe ich fast täglich auf die Homepage geguckt. Ich wusste, wie wichtig dieser Studiengang ist, kenne den Fachkräftemangel aus eigener Erfahrung. Wir wollten damals unseren Betrieb ausbauen, haben Aufträge generiert und konnten sie teilweise nicht abarbeiten, weil wir keine Leute gefunden haben. Das schmerzt und kratzt auch irgendwann an der Existenz.
Nun bauen Sie hier einen neuen Studiengang mit auf, inclusive einem Institut für Bauwesen. Das ist doch eine schöne Aufgabe, oder?
Es ist vor allen Dingen spannend und herausfordernd, mit vielen Facetten. Das Schöne ist, dass wir vielleicht an der einen oder anderen Stelle auch mal einen ausgetretenen Pfad verlassen können. An alteingesessenen Hochschulen, wo das Bauingenieurwesen schon seit Jahrzehnten gelehrt wird, ist es mit Sicherheit schwieriger, auch mal eine Innovation umzusetzen. Und genau das schwebt mir und auch den Kolleginnen und Kollegen vor. Jetzt hilft mir meine Erfahrung aus den anderthalb Jahren beim Deutschen Beton und Bautechnik-Verein sehr, weil ich dort gesehen habe, wo bei den Absolventinnen und Absolventen Defizite sind. Wir mussten nachschulen, weil bestimmte Inhalte fehlten.
Die Anbindung des Studiengangs und des Instituts für Bauwesen an den Fachbereich Medien, der ja auf den ersten Blick etwas seltsam anmutet, schreckt sie nicht?
Nein, es ist auch spannend zu sehen, welche Synergieeffekte sich dadurch ergeben. Ich habe das LINK-Labor des Fachbereichs besucht, wo man mit VR-Brillen digital visualisieren kann und natürlich hatte ich sofort viele Ideen, wie wir genau diese Technik für den Studiengang nutzen können. Es ist schön, wenn die Studierenden ein Gebäude am Rechner nicht nur konstruieren, sondern dieses Gebäude auch visualisieren kann, vielleicht in Zusammenarbeit mit Studierenden des Fachbereichs Medien. Bislang planen wir zweidimensional und viele Kundinnen und Kunden können sich das Gebäude nicht wirklich vorstellen. Ich habe oft erlebt, dass während des Baus umgeplant wurde, weil die Bauherren, als sie erstmals in der Küche standen merkten: „Mensch, das ist ja viel zu klein.“ Und mit dieser Technik können wir so etwas anders aufbereiten und deswegen empfinde ich die Anbindung an den Fachbereich Medien als absoluten Mehrwert.