„Es geht um die Sache, über die ich schreibe, nicht um mich“, sagt Prof. Dr. Jörn Radtke. Der neue Professor für „Journalismus“ am Fachbereich Medien der Fachhochschule (FH) Kiel weiß, wovon er spricht. In den vergangenen zwölf Jahren hat er als freier Journalist vorwiegend für regionale und überregionale Printmedien gearbeitet.
KJ (Katja Jantz): Warum haben Sie Agrarwissenschaften studiert – ist das nicht ungewöhnlich für einen Journalisten?
JR (Jörn Radtke): Eigentlich galt meine Leidenschaft immer dem Lesen, der Sprache und dem Schreiben. Aber ich wusste kaum, wie die Milch ins Glas kommt. Und deswegen habe ich mir gedacht, dass ich mehr von der Welt verstehe, wenn ich Landwirtschaft studiere. Das hört sich vielleicht seltsam an, aber es war wirklich so. Und durch mein Studium habe ich Dinge gelernt, für die ich mich sonst niemals interessiert hätte. Heute hilft mir dieses Wissen, auch naturwissenschaftliche, landwirtschaftliche, aber auch ökonomische Themen besser zu verstehen. Ich habe schon als Schüler davon geträumt, Journalist zu werden. Der Weg dahin war weit und kurvenreich, aber ich glaube, für mich genau richtig.
KJ: Wie würden Sie Laien Ihr Arbeitsgebiet erklären?
JR: Es geht darum, Themen zu sichten, zu verstehen, zu strukturieren und dann verständlich und lesbar in Worte zu fassen. Je komplexer das Thema, desto wichtiger ist es, dass Journalistinnen und Journalisten durchdringen, worüber sie schreiben, dass sie einfache Bilder und Vergleiche finden, um das Komplexe anschaulich zu machen. Jedes Medium hat dabei seine eigenen Möglichkeiten und Regeln: Es geht nicht nur darum, die richtigen Worte zu finden, sondern gegebenenfalls auch die passenden Bilder und Töne – und das alles zu einem Ganzen zusammenzufügen. Journalistinnen und Journalisten müssen Informationen verknüpfen, gewichten und dem Mediennutzerinnen und -nutzern einen gangbaren Weg durch den Informationsdschungel aufzeigen.
KJ: Wo lag der Schwerpunkt Ihrer bisherigen Tätigkeiten?
JR: In den letzten zwölf Jahren bin ich freier Journalist in Kiel gewesen und habe vor allem für regionale und überregionale Printmedien gearbeitet. Von Wissenschaft, Technologie, Wirtschaft bis hin zu Literatur und Hörspielen habe ich thematisch ein breites Spektrum abgedeckt. Ich habe Berichte, Porträts, Interviews, Kolumnen und Rezensionen geschrieben, aber auch ein Buch über die Hörspielserie Die drei Fragezeichen und ein Hörbuch über Fußball. Diese Abwechslung und Vielfalt waren für mich ein Grund, mich für den Freiberuf zu entscheiden, der sehr viel Spielraum für eigene Ideen lässt. Neben dem Journalismus habe ich auch Presse- und Öffentlichkeitsarbeit für diverse Verbände und Unternehmen gemacht. Außerdem war ich als Dozent für mediengerechtes Schreiben, Kampagnenplanung und ähnliches tätig.
KJ: Was verbinden Sie mit Kiel?
JR: Ich bin bekennender und begeisterter Kieler – was daran liegt, dass ich hier geboren und aufgewachsen bin. Das verklärt meine Sicht auf diese Stadt. Natürlich könnte ich sagen, wie toll das Wasser, die Menschen und die Lebensqualität sind. Aber genauso euphorisch würde ich über die Berge sprechen, wenn ich in Garmisch-Partenkirchen meine Kindheit verbracht hätte. Für mich ist Kiel einfach meine Stadt. Auch weil hier meine Familie, viele Freundinnen und Freunde sowie Bekannte leben.
KJ: Warum haben Sie sich für die FH Kiel entschieden?
JR: Das war tatsächlich eine ganz bewusste Entscheidung. Ich hatte die Hochschule bereits über meine Tätigkeit für das Campusmagazin viel. kennengelernt. Auch hatte ich am Fachbereich Medien im vergangenen Wintersemester das Wahlpflichtfach „Schreibwerkstatt“ angeboten. Mir hat das Klima hier gefallen, die Leute, mit denen ich zu tun hatte. Mitarbeitende, Lehrende wie Studierende. Ich hatte den Eindruck, dass die Hierarchien flach und die Gestaltungsmöglichkeiten groß sind. Gewissermaßen eine Art Freiberuf in Festanstellung. Auch der starke Anwendungsbezug und die Praxisorientierung haben mich überzeugt.
KJ: Was möchten Sie Ihren Studierenden vermitteln?
JR: Wie abwechslungsreich und spannend der Journalismus ist – oder zumindest sein kann. Aber auch, dass, wer wirklich gute Ergebnisse beim Schreiben erreichen will, immer an sich und seinen Texten arbeiten muss. Dass Selbstkritik genauso wichtig ist wie Textkritik. Im Vordergrund stehen das Thema und die Leserinnen und Leser, nicht die Verfasserinnen und Verfasser. Der Journalismus eignet sich außerordentlich dafür, Eitelkeiten auszubilden und auszuleben. Das halte ich für falsch. Es geht um die Sache, über die ich schreibe, nicht um mich. Auch das würde ich den Studierenden gerne näherbringen.
Und nicht zuletzt möchte ihnen einen realistischen Einblick in die journalistische Arbeitsweise und Arbeitswelt geben. In den vergangenen zehn Jahren sind zum Beispiel die Honorare rapide gesunken und gleichzeitig ist die Arbeitsverdichtung enorm gestiegen. Gerade in kleineren Redaktionen bleibt kaum Zeit für seriöse Recherche.
KJ: Was erwarten Sie von Ihrem ersten Semester an der FH Kiel?
JR: Viel Arbeit und Neues. Und dass ich einen Teil dessen, was mir vorschwebt, in konkrete Projekte umsetzen kann, die auch den Studierenden Spaß machen und bei denen sie etwas lernen.
Kurzbiographie
seit August 2012 Professor für „Journalismus“ am Fachbereich Medien der Fachhochschule Kiel
seit 2000 Freier Journalist
1999 Promotion zum Dr. agr. an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
1997 - 2000 Geschäftsführer und Agrarreferent des Landjugendverbandes Schleswig- Holstein
1997 Fortbildung zum Fachjournalisten in Dortmund
1994 - 1996 Promotionsstipendium am Institut für Energiewirtschaft und Rationelle Energieanwendung an der Universität Stuttgart
1993 Wissenschaftlicher Mitarbeiter am SFB 192 der Agrarwissenschaftlichen Fakultät der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel
1987 - 1992 Studium der Agrarwissenschaften an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel