Portraitfoto von Prof. Dr. Martin Lätzel an der FH Kiel© A. Die­ko­et­ter
Di­gi­ta­li­tät und Kul­tur ver­bin­den - das ist der Schwer­punkt der Lehre von Prof. Dr. Mar­tin Lät­zel.

Ein Theo­lo­ge lehrt den Um­gang mit di­gi­ta­len Me­di­en

von Ann-Chris­tin Wim­ber

Mit geis­tes- und kul­tur­wis­sen­schaft­li­chen Im­pul­sen bringt Prof. Dr. Mar­tin Lät­zel seine Stu­die­ren­den dazu, über die ge­sell­schaft­li­chen Aus­wir­kun­gen von di­gi­ta­len Me­di­en nach­zu­den­ken.

Di­gi­ta­li­tät und Kul­tur ver­bin­den - das ist der Schwer­punkt der Lehre von Prof. Dr. Mar­tin Lät­zel. Der Ho­no­rar­pro­fes­sor am Fach­be­reich Me­di­en ar­bei­tet im Haupt­be­ruf als Di­rek­tor der Lan­des­bi­blio­thek und hat mit di­gi­ta­len In­hal­ten stän­dig zu tun. Da die Lan­des­bi­blio­thek als di­gi­ta­les Kom­pe­tenz­zen­trum für Kul­tur­ein­rich­tun­gen in Schles­wig-Hol­stein dient, lie­gen die Wel­ten für ihn nah bei­ein­an­der. „Eine kurze De­fi­ni­ti­on von Kul­tur ist unser Zu­sam­men­le­ben als Ge­sell­schaft“, er­klärt Lät­zel. „Des­halb ist jede Form der Kom­mu­ni­ka­ti­on auch eine Form des so­zia­len Mit­ein­an­ders - und dazu ge­hö­ren auch IT-In­hal­te.“

Seine ers­ten Be­rüh­rungs­punk­te mit der Fach­hoch­schu­le Kiel hatte der stu­dier­te Theo­lo­ge und His­to­ri­ker über den Kul­tur­fin­der. Da­mals trat Lät­zel an den Fach­be­reich Me­di­en mit der Idee heran, eine In­ter­net­prä­senz zu schaf­fen, auf der Kul­tur­in­ter­es­sier­te auf einen Blick alle Kul­tur­ange­bo­te des Lan­des - vor allem Mu­se­en - sehen kön­nen. Das Kon­zept ent­wi­ckel­te er selbst. Mit Un­ter­stüt­zung der Me­di­en­stu­die­ren­den ent­stand schlie­ß­lich die bis heute be­stehen­de Seite.

2017 hat er seine erste Vor­le­sung in Kiel-Diet­richs­dorf ge­hal­ten. „Ich lehre seit rund 20 Jah­ren an Hoch­schu­len – immer ne­ben­be­ruf­lich“, be­rich­tet Lät­zel. Unter an­de­rem hat er Stu­die­ren­de in Os­na­brück, Ve­ch­ta und an der Chris­ti­an-Al­brechts-Uni­ver­si­tät zu Kiel un­ter­rich­tet. „Die di­gi­ta­le Ent­wick­lung ist kul­tur­prä­gend. Es ent­ste­hen neue For­men der Kom­mu­ni­ka­ti­on und des so­zia­len Mit­ein­an­ders – ich finde es wich­tig, dass junge Men­schen nicht nur den Um­gang mit di­gi­ta­len Me­di­en ken­nen­ler­nen, son­dern auch über deren Aus­wir­kun­gen re­flek­tie­ren kön­nen.“

Vor rund zehn Jah­ren präg­te der Schwei­zer Felix Stal­der den Be­griff der Kul­tur der Di­gi­ta­li­tät. Er ist unter an­de­rem Pro­fes­sor für Di­gi­ta­le Kul­tur und Theo­ri­en der Ver­net­zung in Zü­rich und un­ter­sucht das Wech­sel­ver­hält­nis von Ge­sell­schaft, Kul­tur und Tech­no­lo­gi­en. Stal­der zu­fol­ge be­schreibt der Be­griff „das was ent­steht, wenn der Pro­zess der Di­gi­ta­li­sie­rung eine ge­wis­se Tiefe und Brei­te er­reicht hat, wo­durch ein neuer Mög­lich­keits­raum ent­steht, der durch di­gi­ta­le Me­di­en ge­prägt ist.“* Soll hei­ßen: Di­gi­ta­li­sie­rung ist der Auf­bau einer In­fra­struk­tur und das Er­ler­nen des Um­gangs damit; Di­gi­ta­li­tät be­inhal­tet deren Nut­zung.

Die­ser Ge­dan­ke der Ver­net­zung von Kul­tur be­schäf­tigt auch Lät­zel, der vor sei­ner Zeit als Di­rek­tor der Lan­des­bi­blio­thek unter an­de­rem als Re­fe­rats­lei­ter für Kul­tur­ent­wick­lung im Kul­tus­mi­nis­te­ri­um des Lan­des Schles­wig-Hol­stein tätig war.

Dabei hätte Lät­zels Le­bens­weg auch ganz an­ders ver­lau­fen kön­nen. Den ge­bür­ti­gen Es­se­ner zog es aus Aben­teu­er­lust nach Schles­wig-Hol­stein. Er stand vor der Wahl: Berge oder Meer. Nach dem Stu­di­um der Theo­lo­gie (mit Ab­schluss) und Ge­schich­te (mit Lei­den­schaft, aber ohne Ab­schluss) - wie er selbst sagt - war Lät­zel ab 1996 in der ka­tho­li­schen Kir­che tätig, unter an­de­rem als Ge­fäng­nis­seel­sor­ger, Diö­ze­san­ju­gend­seel­sor­ger und Prä­ses des Bun­des der Deut­schen Ka­tho­li­schen Ju­gend (BDKJ). An­schlie­ßend lei­te­te er bis 2008 das Pas­to­ral­amt Schles­wig-Hol­stein und ver­trat das Erz­bis­tum Ham­burg beim Land Schles­wig-Hol­stein. Aber auch im Me­di­en­be­reich war Lät­zel aktiv - unter an­de­rem als Öf­fent­lich­keits­re­fe­rent der Deut­schen Pfad­fin­der­schaft in Essen, als Re­dak­teur bei Radio Va­ti­kan und in zahl­rei­chen wei­te­ren Funk­tio­nen bei pri­va­ten und öf­fent­lich-recht­li­chen Rund­funk­an­stal­ten. Bis heute ist der Vater zwei­er (er­wach­se­ner) Kin­der Ko­lum­nist des Kul­tur­ma­ga­zins Schles­wig-Hol­stein, schreibt und ver­öf­fent­licht Es­says und Prosa und be­treibt einen Blog  2020 wurde Lät­zel vom Senat der Fach­hoch­schu­le Kiel zum Ho­no­rar­pro­fes­sor er­nannt.

Ge­ra­de wegen sei­ner viel­fäl­ti­gen In­ter­es­sen liegt Lät­zel seine Pro­fes­sur am Her­zen. „Es macht mir un­heim­lich viel Spaß, und ich lerne selbst un­heim­lich viel. Ich emp­fin­de es als ein Ge­schenk, dass man sich in sei­nem Beruf Wis­sen an­eig­nen kann. Die Stu­die­ren­den und das, was wir ge­mein­sam er­ar­bei­ten, geben mir immer wie­der un­glaub­lich gute Im­pul­se für meine ei­ge­ne Ar­beit.“

Auch in die­sem Se­mes­ter fin­det das Se­mi­nar „Di­gi­ta­li­tät der Kul­tur“ (Mo­dul­num­mer 60090) statt. Wie immer wird sich Lät­zel etwas ein­fal­len las­sen, um den Zeit­geist in seine Vor­le­sung zu brin­gen. Deep Fakes waren schon eben­so Thema wie Fake News. Doch egal, ob sich die Stu­die­ren­den mit Kom­mu­ni­ka­ti­on und Teil­ha­be, De­mo­kra­tie und Bil­dung, Ei­gen­tum und Wert von Daten, Über­wa­chung und Frei­heit, Krea­ti­vi­tät und Stan­dar­di­sie­rung oder Künst­li­cher In­tel­li­genz be­schäf­ti­gen – Haupt­sa­che, sie ler­nen zu re­flek­tie­ren und zu hin­ter­fra­gen.

 

* www.​youtube.​com/​watch

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