Ein Mann mit brauner Jacke und grünem Pulli steht im freien und schaut freundlich in die Kamera.© Berg­mann

Ein Neu­be­ginn am Ost­ufer

von viel.-Re­dak­ti­on

Viele Ein­drü­cke, span­nen­de Auf­ga­ben und neue Her­aus­for­de­run­gen: Das alles er­lebt der Di­plom-Psy­cho­lo­ge Ja­scha Chris­ti­an Ja­wor­ski zur­zeit an der Fach­hoch­schu­le Kiel (FH Kiel). Seit An­fang De­zem­ber 2015 ist er im Rah­men einer Pro­jekt­stel­le für die Be­ra­tung und Ver­tre­tung von Stu­die­ren­den mit Be­hin­de­rung und/oder chro­ni­scher Krank­heit ver­ant­wort­lich. Was den ge­bür­ti­gen Kie­ler an das Ost­ufer ver­schla­gen hat und was er sich für die nächs­te Zeit vor­ge­nom­men hat, er­zähl­te er Chris­tin Berg­mann in einem In­ter­view.

Chris­tin Berg­mann (CB): Was haben Sie ge­macht, bevor Sie an die FH Kiel ge­kom­men sind?

Ja­scha Ja­wor­ski (JJ): Zu­nächst habe ich an der Chris­ti­an-Al­brechts-Uni­ver­si­tät zu Kiel Er­fah­run­gen als wis­sen­schaft­li­cher Mit­ar­bei­ter der Psy­cho­lo­gie ge­sam­melt. Es war eine sehr schö­ne Zeit, be­son­ders was die Lehre an­be­langt, aber da ich lang­fris­tig keine Tä­tig­keit in der psy­cho­lo­gi­schen For­schung an­stre­be, muss­te ich mich ir­gend­wann neu ori­en­tie­ren. Grund­le­gend soll­te es wie­der mehr Prak­ti­sches be­inhal­ten, im an­wen­dungs­psy­cho­lo­gi­schen Be­reich. Über das Lan­despor­tal Schles­wig-Hol­stein bin ich auf die Pro­jekt­stel­le an der FH Kiel auf­merk­sam ge­wor­den und habe mich kur­zer­hand für eine Be­wer­bung ent­schie­den. Der Schwer­punkt „Be­hin­de­rung oder chro­ni­sche Krank­heit“ hat mich aus ver­schie­de­nen Grün­den ge­reizt.

CB: Aus wel­chen bei­spiels­wei­se?

JJ: Im Vor­feld der Be­wer­bung habe ich ver­sucht her­aus­zu­fin­den, wie die ak­tu­el­le Si­tua­ti­on für be­trof­fe­ne Stu­die­ren­de aus­sieht. Laut einer Er­he­bung des Deut­schen Stu­den­ten­werks aus dem Jahr 2011 sind acht Pro­zent aller Stu­die­ren­den be­ein­träch­tigt. Ihre Be­hin­de­rung oder chro­ni­sche Krank­heit schränkt sie im Stu­di­um häu­fig stark bis sehr stark ein. Und doch nimmt nicht ein­mal ein Drit­tel von ihnen die Mög­lich­keit des Nach­teils­aus­gleichs in An­spruch. Damit sie ihr Po­ten­zi­al voll aus­schöp­fen kön­nen, be­darf es einer bar­rie­re­frei­en Hoch­schu­le. Eine span­nen­de Auf­ga­be, die ich gerne durch meine Ar­beit un­ter­stüt­zen möch­te.

CB: Hat­ten Sie zuvor be­reits Be­rüh­rungs­punk­te mit dem Thema?

 

JJ: Rück­bli­ckend bin ich als Do­zent selbst nie – zu­min­dest nicht be­wusst – mit Stu­die­ren­den, die einen spe­zi­el­len Be­darf an­mel­de­ten, in Kon­takt ge­kom­men. Dabei muss man wis­sen, dass der grö­ß­te Teil der Be­ein­träch­ti­gun­gen von Stu­die­ren­den nicht un­mit­tel­bar sicht­bar ist. Pri­vat stellt sich meine Er­fah­rung mit Be­ein­träch­ti­gun­gen ganz an­ders dar. Ich lebe seit acht Jah­ren in einer WG mit einem Men­schen zu­sam­men, der eine Schwer­be­hin­de­rung auf­weist. Mein Mit­be­woh­ner und ehe­ma­li­ger Schul­freund sitzt im Roll­stuhl und ist all­ge­mein in sei­ner Mo­to­rik schwer­wie­gend ein­ge­schränkt. Zu Hause haben wir eine ganze Reihe an Un­ter­stüt­zungs­mit­teln, die hier­bei seine Ei­gen­stän­dig­keit för­dern. Die Zeit mit ihm hat meine Auf­merk­sam­keit in Hin­blick auf Bar­rie­ren si­cher­lich ge­schult. Da­durch bin ich viel­leicht etwas vor­aus­schau­en­der ge­wor­den und er­ken­ne Schwie­rig­kei­ten schnel­ler.

CB: Was raten Sie be­trof­fe­nen Stu­die­ren­den?

JJ: Sie soll­ten sich zu­nächst ein­mal über die Be­ra­tungs­mög­lich­kei­ten und An­lauf­stel­len an der Hoch­schu­le in­for­mie­ren und sich auch Klar­heit über die ei­ge­nen Rech­te ver­schaf­fen – ob sie nun eine sicht­ba­re Be­ein­träch­ti­gung haben oder eine, die auf den ers­ten Blick nicht er­kenn­bar ist, wie dies ja bei psy­chi­schen Be­ein­träch­ti­gun­gen bei­spiels­wei­se der Fall ist. Dafür ste­hen be­son­ders die Be­auf­trag­te für Stu­die­ren­de mit Be­hin­de­rung oder chro­ni­scher Er­kran­kung und ich be­reit. Es ist rat­sam, sich mög­lichst früh­zei­tig an Be­ra­tungs­stel­len zu wen­den, um alle vor­han­de­nen Hil­fe­stel­lun­gen zu nut­zen – recht­lich und prak­tisch.

CB: Was sind Ihre Ziele an der FH Kiel?

JJ: Zu­nächst ein­mal möch­te ich das Um­feld rich­tig ken­nen­ler­nen und mich bes­ser ver­net­zen. Zur­zeit bin ich noch dabei, alles für mich selbst zu ord­nen und mir einen Über­blick über die bis­he­ri­ge Tä­tig­keit der Be­ra­tungs­stel­le zu ver­schaf­fen, sowie An­lauf­stel­len und Struk­tu­ren an der Fach­hoch­schu­le in Er­fah­rung zu brin­gen. In ers­ter Linie möch­te ich er­rei­chen, dass Stu­die­ren­de mit Be­hin­de­rung oder chro­ni­scher Krank­heit die vor­han­de­nen An­ge­bo­te wahr­neh­men, um ihre Si­tua­ti­on deut­lich zu ver­bes­sern.

CB: Was ver­bin­den Sie per­sön­lich mit Kiel?

JJ: Kiel ist sehr grün und bie­tet viele Er­ho­lungs­or­te, was ich sehr schät­ze. Die Stadt hat eine schö­ne Größe und ist nicht un­über­schau­bar oder an­onym. Ich bin po­li­tisch aktiv und finde hier viele Mög­lich­kei­ten, mich zu ver­net­zen.

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