Skulptur "Tor"© Rach­fahl

East­Side­Lights zeigt Kunst auf dem FH-Cam­pus in neuem Licht

von Lena Kuhn

Ein au­ßer­ge­wöhn­li­cher An­blick bot sich den Men­schen, die ver­gan­ge­nen Frei­tag auf der Ver­an­stal­tung East­Side­Lights waren. Der ge­wohnt of­fe­ne, von grü­nen Wie­sen und grau­en Stei­nen um­ge­be­ne So­kra­tes­platz war hell er­leuch­tet. Und: Ein Kunst­werk aus Bron­ze, das nor­ma­ler­wei­se eine von vie­len Skulp­tu­ren von Künst­ler Jörg Pli­ckat auf dem Cam­pus der Fach­hoch­schu­le ist, war Haupt­dar­stel­ler einer ganz be­son­de­ren Show.

„Unser Wunsch für heute Abend war, dass Men­schen un­ter­schied­li­cher Her­kunft und un­ter­schied­li­cher Le­bens­wel­ten zu­sam­men­tref­fen, und genau das ist heute pas­siert“, schwärmt die Mo­de­ra­to­rin des Abends, Ka­tha­ri­na Fi­scher. Dass die Kunst das schafft, be­rührt sie.

Ka­tha­ri­na und viele wei­te­re haben ge­mein­sam die­sen Abend in­iti­iert, ge­plant und um­ge­setzt. Das Out­door-Event East­Side­Lights macht aus der Kunst auf dem FH-Cam­pus neue Kunst­wer­ke. Die Licht­in­stal­la­ti­on von Ben­ja­min Rach­fahl strahl­te die Plas­tik „Tor“ von Jörg Pli­ckat und das Große Vor­le­sungs­ge­bäu­de an. Wenn es dun­kel wird, er­weck­te die Licht­in­stal­la­ti­on die Figur mit 3D-Pro­jek­tio­nen zu neuem Leben. Die Zu­schau­er*innen glaub­ten ihren ei­ge­nen Augen kaum, als die Pro­jek­ti­on star­te­te. Es sah aus, als dreh­te sich die Figur in klei­nen Scheib­chen. Sie ent­wi­ckel­te neue Di­men­sio­nen, ver­dreh­te sich in sich selbst, und strahl­te am Ende wie­der hell, als sei nichts pas­siert. Man ver­gaß, dass die Sta­tue ei­gent­lich keine zwei­di­men­sio­na­le Flä­che ist, son­dern ihre ei­ge­ne Drei­di­men­sio­na­li­tät be­sitzt. Mit drei­mal Blin­zeln war das Schau­spiel nicht über­wun­den. Es fiel leicht, sich in den Lich­tern fal­len und vom Ge­se­hen mit­neh­men und be­geis­tern zu las­sen.

Die Wand des Gro­ßen Hör­saal­ge­bäu­des im Hin­ter­grund war eben­falls Teil der Show. Auf ihr wurde die Il­lu­si­on er­zeugt, als sei sie aus Back­stei­nen, die sich be­we­gen. Sie wan­del­te erst zum Ge­sicht, dann zur Welle und am Ende zum Men­schen. Pas­send dazu spiel­te ein auf das Kunst­werk und die Licht­kunst op­ti­mal ab­ge­stimm­tes Lofi-Tech­no-Lied. Ver­ein­zelt sprach eine männ­li­che Stim­me, sie for­der­te zur Er­neue­rung des Seins auf. Die Kom­bi­na­ti­on aus Licht und Be­we­gung wie­der­hol­te sich alle 20 Mi­nu­ten, zwi­schen­durch wurde die Sta­tue an­ge­strahlt und ein Count­down ein­ge­blen­det.

Der in­no­va­ti­ve Mix aus stand­haf­ter, an­fass­ba­rer Bron­ze-Skulp­tur und be­weg­li­chem, ver­än­der­li­chem, trick­sen­dem Licht wurde ver­an­stal­tet von der Grup­pe east­side lights. Diese In­itia­ti­ve des Stadt­tei­les Neu­müh­len-Diet­richs­dorf hat sich im letz­ten Jahr ent­wi­ckelt und ist dabei, zu einem Ver­ein zu wer­den. Mit der Licht­in­stal­la­ti­on neh­men sie unter an­de­rem am In­no­va­ti­ons­fes­ti­val der Kiel­re­gi­on teil. Mit der In­ten­ti­on, Gren­zen zu über­win­den, hat­ten sie die­sen Abend aus­ge­rich­tet. Die Vi­si­on, so Or­ga­ni­sa­to­rin Ca­ro­lin Boeck, sei das Ver­an­stal­ten eines Licht­fes­ti­vals auf dem Cam­pus der FH. Der Cam­pus habe ihn di­rekt in­spi­riert, als er ihn zum ers­ten Mal be­tre­ten habe, er­klärt Künst­ler Rach­fahl. „Er ist so ver­spielt, er hat viele Grün­flä­chen, ist ver­kehrs­be­ru­higt und über­all ste­hen Skulp­tu­ren“, er­zähl­te der Licht­künst­ler, der seit einem Jahr in Diet­richs­dorf lebt. Mit der Co­ro­na-Krise kam seine Tä­tig­keit in der Ver­an­stal­tungs­bran­che zum Er­lie­gen, so­dass er Zeit hatte, der Idee eines cam­pus­wei­ten Lich­ter­fes­tes nach­zu­ge­hen. Das Er­geb­nis konn­te sich de­fi­ni­tiv sehen las­sen. Die Gren­zen des Da­ge­we­se­nen, des Wahr­ge­nom­me­nen und des Rea­len ver­schwam­men. Immer wie­der muss­te man sich fra­gen, ob man ei­gent­lich noch auf dem So­kra­tes­platz vor dem be­kann­ten Ge­bäu­de und der schon oft ge­se­he­nen Skulp­tur steht.

„Ich finde es ganz wun­der­bar, bin ganz be­geis­tert hier“, schwärm­te Künst­ler Jörg Pli­ckat, des­sen Skulp­tur mit der Licht­in­stal­la­ti­on pro­ji­ziert wurde. Mit dem Thema des Abends, der Über­win­dung von Gren­zen, könne sich seine Ar­beit gut iden­ti­fi­zie­ren. Mitt­ler­wei­le, be­rich­te­te er, stün­den Werke von ihm auf vier ver­schie­de­nen Kon­ti­nen­ten. Und dort wür­den sie von den Men­schen ver­stan­den. „Kunst hat es ein­fa­cher, Gren­zen zu über­win­den, weil sie eine uni­ver­sel­le Spra­che ist. Das macht es be­son­ders schön“, re­sü­mier­te er.

Dass es sich beim Ver­an­stal­tungs­abend um einen grenz­über­win­den­den han­delt, mach­te auch FH-Kanz­ler Klaus-Mi­cha­el Hein­ze klar. Zu­nächst, er­klär­te er, öffne die Ver­an­stal­tung die kleins­te Gren­ze zwi­schen Stadt­teil und Hoch­schul­cam­pus. Aber: „Eine sol­che Ver­an­stal­tung ist auch gut dafür ge­eig­net, eine ge­fühl­te Gren­ze, die Kon­flikt­li­nie zu the­ma­ti­sie­ren: Das West­ufer schätzt das Ost­ufer kaum wert.“ Diese Ver­an­stal­tung habe das Po­ten­ti­al, die Re­gi­on Kiel über die deut­sche Gren­ze hin­aus strah­len zu las­sen, weil sie neue Dinge aus­pro­bie­re. „Es ist eine echte Be­rei­che­rung, nicht nur für das Ost­ufer, son­dern für ganz Kiel“, fin­det der Kanz­ler. „Ich bin sehr glück­lich, dass wir Ort die­ser In­stal­la­ti­on von Ben­ja­min Rach­fahl sein dür­fen, und es freut mich sehr, dass er von Jörg Pli­ckat eine Ein­la­dung hat, sich mit der In­stal­la­ti­on auf der Nord­art nächs­tes Jahr zu be­wer­ben.“

Neue Dinge aus­zu­pro­bie­ren, das ist auch der In­itia­ti­ve wich­tig, er­klär­te Boeck. Die Mit­glie­der der Grup­pe „ken­nen den Stadt­teil, weil sie dort woh­nen oder dort stu­die­ren, und sie ken­nen auch des­sen Po­ten­ti­al“, sagte sie. „Benjo [Rach­fahl] ist einer von uns.“ Nach einem Map­ping-Event, also einer 3D-Licht­pro­jek­ti­on, im letz­ten Jahr habe sich die Grup­pe for­miert. Das Me­di­um sei etwas Be­son­de­res und noch nicht so ver­brei­tet. Das fände die Grup­pe sehr span­nend.

„Wir haben die Vi­si­on un­se­res Ver­ei­nes, den wir grün­den möch­ten, ein­fach um­ge­setzt“, re­sü­mier­te Mo­de­ra­to­rin Fi­scher.

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