Ein Mann© J. Kläschen

E-Mo­bi­li­tät für den Ver­kehr von mor­gen ent­wi­ckeln

von Joa­chim Kläschen

Dass er eines Tages stu­die­ren, ge­schwei­ge denn In­ge­nieur sein würde, hätte Oli­ver Thies vor zehn Jah­ren nicht im Traum ge­dacht. „Ich komme aus einem klei­nen 200-Ein­woh­ner-Ort in der Nähe von Bad Bramstedt und bin mit dem Re­al­schul­ab­schluss in eine Lehre ge­star­tet“, er­zählt der 27-jäh­ri­ge Mas­ter-Stu­dent von sei­nem Ein­stieg in das Be­rufs­le­ben. „Es hieß auf dem Land, mit einem Hand­werk hast Du was Hand­fes­tes.“ Da ich auf dem Bau­ern­hof mei­ner El­tern immer schon Spaß daran hatte, die Elek­trik an den Fahr­zeu­gen zu re­pa­rie­ren, habe ich im Nach­bar­dorf eine Aus­bil­dung zum Elek­tro­tech­ni­ker an­ge­fan­gen.“

Die drei­ein­halb­jäh­ri­ge Aus­bil­dung zum Elek­tro­tech­ni­ker mach­te Oli­ver Thies Spaß, auch weil er dabei viel Kon­takt mit den da­mals boo­men­den er­neu­er­ba­ren En­er­gi­en hatte und unter an­de­rem So­lar­an­la­gen auf Dä­chern mon­tier­te. Al­ler­dings emp­fand er schlie­ß­lich die Ver­dienst­aus­sich­ten als wenig at­trak­tiv und fing an, sich an­der­wei­tig zu ori­en­tie­ren. „Ich woll­te auf jeden Fall im Be­reich der er­neu­er­ba­ren En­er­gi­en oder E-Mo­bi­li­tät ar­bei­ten und hörte mich um. Da­mals rief ich auch bei der FH Kiel an und woll­te nach den Vor­aus­set­zun­gen für ein Stu­di­um fra­gen. Kur­zer­hand wurde ich zu Pro­fes­sor Gerd Stein­füh­rer vom Fach­be­reich In­for­ma­tik und Elek­tro­tech­nik durch­ge­stellt, der sich in einem tol­len Ge­spräch viel Zeit für meine Fra­gen nahm und mich über meine Mög­lich­kei­ten in­for­mier­te“, be­rich­tet Thies von sei­nem ers­ten Kon­takt mit der Hoch­schu­le.

„Das Ge­spräch hat mich be­ein­druckt. Wenn sich ein Pro­fes­sor so viel Zeit für mich und meine Fra­gen nimmt, wuss­te ich, dass ich da rich­tig bin“, sagt der Mas­ter-Stu­dent in der Rück­schau. Um sei­nen Start an der FH zu er­mög­li­chen, ab­sol­vier­te Oli­ver nach dem Ende sei­ner Aus­bil­dung ein Jahr an der Walt­her-Lehm­kuhl-Schu­le in Neu­müns­ter und hatte an­schlie­ßend mit der Fach­hoch­schul­rei­fe sein Ti­cket für die FH in der Ta­sche. Schon im ers­ten Se­mes­ter wurde er in sei­ner Ent­schei­dung be­stä­tigt: Er fand zum Raceyard-Team, das jedes Se­mes­ter einen E-Renn­wa­gen kon­stru­iert und mit die­sem gegen die Ent­wick­lun­gen an­de­rer Hoch­schu­len in Ren­nen an­tritt.

„Ich konn­te im Raceyard-Team bei der Ent­wick­lung und dem Bau eines Renn­wa­gens mit Elek­tro-An­trieb nicht nur mei­nem In­ter­es­se für E-Mo­bi­li­tät nach­ge­hen, son­dern habe auch viele tolle Men­schen aus vie­len ver­schie­de­nen Fach­be­rei­chen ken­nen­ge­lernt“, fasst Oli­ver Thies die ihn prä­gen­de Zeit knapp zu­sam­men. „Schlie­ß­lich habe ich im Team aus 100 Stu­die­ren­den sogar den Elek­tro-Be­reich ge­lei­tet und viel Ver­ant­wor­tung über­nom­men. Am meis­ten hat mich je­doch fas­zi­niert, einen Renn­wa­gen zu ent­wer­fen, zu bauen und schlie­ß­lich bei in­ter­na­tio­na­len Wett­be­wer­ben in Ak­ti­on zu sehen. Das ist ein un­be­schreib­li­ches Ge­fühl, wenn aus einer Idee ein Auto wird, das schlie­ß­lich sogar Prei­se ab­räumt. Lö­sun­gen für reale Her­aus­for­de­run­gen zu er­ar­bei­ten macht mir Spaß und treibt mich an.“

Doch auch be­ruf­lich brach­te Oli­ver sein Raceyard-En­ga­ge­ment voran. Durch die enge Ver­bin­dung zu den Spon­so­ren, die sich den Stu­die­ren­den unter an­de­rem mit Be­triebs­füh­run­gen vor­stel­len, lern­te er das Un­ter­neh­men STILL ken­nen, das in Ham­burg Ga­bel­stap­ler ent­wi­ckelt und pro­du­ziert. „Es hat mich fas­zi­niert, dass dort nicht ein­fach im­por­tiert und wei­ter­ver­kauft wird, son­dern dass das Un­ter­neh­men eine ei­ge­ne Ent­wick­lungs­ab­tei­lung hat. So habe ich in Ko­ope­ra­ti­on mit STILL schlie­ß­lich meine Ba­che­lor-The­sis ver­fasst, in der ich eine Si­mu­la­ti­on eines An­triebs­strangs für einen elek­tri­schen Ga­bel­stap­ler von Grund auf ent­wi­ckelt habe“, er­zählt Oli­ver. Be­son­ders stolz ist er, dass seine Ar­beit nicht ein­fach in einer Schub­la­de ge­lan­det ist, son­dern bis heute im Un­ter­neh­men ver­wen­det wird, um Pro­to­ty­pen zu kon­zi­pie­ren.

„Nach dem Ba­che­lor-Ab­schluss war mir klar, dass ich auch den Mas­ter ma­chen woll­te“, er­in­nert sich Oli­ver Thies. „Zum einen sind es nur an­dert­halb Jahre, vor allem aber sind es die vie­len span­nen­den The­men, die sich an der Fach­hoch­schu­le bie­ten. Durch die vie­len Mo­du­le haben sich mir so viele span­nen­de Per­spek­ti­ven er­öff­net, dass es die spä­te­re Be­rufs­wahl nicht ein­fa­cher macht“, wit­zelt der Mas­ter-Stu­dent. Wenn er sich auf einen spä­te­ren Beruf auch noch nicht fest­le­gen möch­te, sieht er seine Zu­kunft im Be­reich E-Mo­bi­li­tät. Dabei fas­zi­niert ihn vor allem die hohe In­no­va­ti­ons­kraft des Fel­des und wie viel In­ge­nieu­rin­nen und In­ge­nieu­re mit ihrer Ar­beit hier be­we­gen kön­nen, um um­welt­freund­li­che Lö­sun­gen für den Ver­kehr von mor­gen zu ent­wi­ckeln.

Doch nicht nur die Mo­bi­li­tät, auch die be­nö­tig­te En­er­gie in­ter­es­sie­ren den In­ge­nieur: „Es ist klar, dass die fos­si­len En­er­gie­trä­ger end­lich sind. Wir kön­nen nicht bis zum Schluss war­ten, son­dern müs­sen uns früh­zei­tig Ge­dan­ken darum ma­chen, wie wir künf­tig un­se­ren En­er­gie­hun­ger be­frie­di­gen, ohne die Um­welt zu zer­stö­ren“, sorgt sich der Mas­ter-Stu­dent. „Ich sehe die grö­ß­ten Po­ten­zia­le in der Wind­kraft und Pho­to­vol­ta­ik, die nicht die Zer­stö­rung durch fos­si­le En­er­gi­en oder die Ge­fah­ren von Kern­kraft nach sich zie­hen. Wären die Aus­sich­ten für In­ge­nieu­re in die­sen Schlüs­sel­bran­chen bes­ser, könn­te ich mir auch gut vor­stel­len, mein Wis­sen um An­triebs­tech­nik in die­sen Be­rei­chen ein­zu­brin­gen.“

Bis er in einen Beruf star­tet, will sich Oli­ver Thies noch einen Traum er­fül­len. Er möch­te un­be­dingt Er­fah­run­gen im Aus­land sam­meln. „Auch wenn ich spä­ter gerne in Schles­wig-Hol­stein ar­bei­ten möch­te, würde ich mich gerne vor­her an einer Her­aus­for­de­rung in einem ganz an­de­ren Kul­tur­kreis ver­su­chen. Ich hatte mich be­reits er­folg­reich für ein Pro­jekt an einer Hoch­schu­le in In­di­en be­wor­ben, bei dem es um den Netz­aus­bau von La­de­in­fra­struk­tur für Elek­tro­au­tos ging. Lei­der hat die Pan­de­mie mir einen Strich durch die Rech­nung ge­macht. Aber ich hoffe, dass sich noch eine Mög­lich­keit er­öff­nen wird, Er­fah­run­gen im Aus­land zu sam­meln. Mein Stu­di­um an der FH bie­tet mir die bes­ten Vor­aus­set­zun­gen dafür.“

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