Eine Frau trägt eine Virtual Reality Brille und kann so eine Animation ihrer verstorbenen Tochter sehen. © mbc/You­tube

Di­gi­ta­le Un­sterb­lich­keit: Hoch­ak­tu­ell oder Zu­kunfts­vi­si­on?

von Kris­ti­na Lang­hof

Nach­dem ihre Toch­ter an einer Krebs­er­kran­kung starb, be­kommt eine Frau die Mög­lich­keit, sie ein letz­tes Mal zu tref­fen, an­zu­fas­sen und sich sogar mit ihr zu un­ter­hal­ten – alles mit­hil­fe von Vir­tu­al Rea­li­ty. Was schon fast nach einer Szene aus der Sci­ence Fic­tion-Serie „Black Mir­ror“ klingt, ist in Süd-Korea im ver­gan­ge­nen Jahr zur Rea­li­tät ge­wor­den. Auch in an­de­ren Län­dern wer­den ver­mehrt An­ge­bo­te für diese spe­zi­el­le Art der Trau­er­be­wäl­ti­gung ent­wi­ckelt. Diese sind zwar äu­ßerst kost­spie­lig und somit bis­her nur we­ni­gen Leu­ten zu­gäng­lich, eine Zu­kunfts­vi­si­on ist das Kon­zept je­doch nicht mehr. Das An­ge­bot wirft je­doch viele ethi­sche Fra­gen auf:  Wann lebt je­mand tat­säch­lich wei­ter? Wer ent­schei­det, was mit den Daten pas­siert? Und gel­ten in die­sem Fall Men­schen­rech­te oder Da­ten­rech­te?

Ge­mein­sam mit einem Kom­mi­li­to­nen be­fass­te sich die Stu­den­tin Marie-Lotta Kar­cher mit dem Thema der di­gi­ta­len Un­sterb­lich­keit in einer Haus­ar­beit im Modul Künst­li­che In­tel­li­genz und Ethik. „Da gibt es ein­mal diese Zu­kunfts­vi­si­on davon, dass ir­gend­wann mensch­li­ches Be­wusst­sein auf di­gi­ta­len End­ge­rä­ten ge­spei­chert wer­den kann, und wir mit un­se­rem Be­wusst­sein di­gi­tal wei­ter­le­ben“, er­klärt die Mas­ter­stu­den­tin. „Das gibt es na­tür­lich noch nicht, aber es gibt erste Schrit­te in diese Rich­tung in der Form, dass es quasi Ko­pi­en von ver­stor­be­nen Men­schen gibt.“ Fast jeder von uns hin­ter­lässt heut­zu­ta­ge Daten im In­ter­net, die, auch wenn wir nicht mehr leben, wei­ter­exis­tie­ren. Wenn diese Daten nun ge­sam­melt wer­den, kann man einer künst­li­chen In­tel­li­genz mitt­ler­wei­le an­trai­nie­ren, sich wie die Per­son zu ver­hal­ten, zu der die Daten ge­hör­ten. Bei­spiels­wei­se in Form eines Chat­bots: „Das ist, als würde man bei Whats­app ein­fach wei­ter­schrei­ben mit je­man­den, der aber schon ver­stor­ben ist. Und diese Per­son bzw. der Chat­bot re­agiert so, wie der Ver­stor­be­ne re­agiert hätte. Das ist mitt­ler­wei­le täu­schend echt mög­lich.“

Im Rah­men ihrer Haus­ar­beit führ­ten Marie Lotta und ihr Kom­mi­li­to­ne zudem qua­li­ta­ti­ve In­ter­views mit Be­stat­ter*innen, die sich ge­schlos­sen kri­tisch zu dem Thema äu­ßer­ten: „Die Be­stat­ter*innen haben na­tür­lich ganz viel mit Men­schen zu tun, die trau­ern. Als wir ihnen die KI-An­wen­dun­gen als eine Art der Trau­er­be­wäl­ti­gung vor­schlu­gen, waren sie sehr ab­leh­nend. In ihren Augen ver­lang­samt es den Trau­er­pro­zess und ver­hin­dert, dass Men­schen damit ab­schlie­ßen kön­nen, wenn je­mand ge­stor­ben ist“, so Marie-Lotta. Auf der an­de­ren Seite könn­ten sich ei­ni­ge von ihnen aber vor­stel­len, die An­wen­dun­gen ge­zielt und unter psy­cho­lo­gi­scher Be­treu­ung ein­zu­set­zen. „Bei­spiels­wei­se, wenn es darum geht, Ab­schied zu neh­men von einer Per­son, die viel­leicht ver­schol­len ist, und man nie je­man­den be­gra­ben konn­te. Dann kann es tat­säch­lich sinn­voll sein, ein­mal einen Ab­schieds­mo­ment zu kre­ieren“, gibt die Stu­den­tin die Mei­nung der Be­stat­ter*innen wie­der.  Marie-Lotta merkt je­doch an, dass diese Aus­sa­gen nicht re­prä­sen­ta­tiv sind und nur eine Stich­pro­be ein­zel­ner Be­frag­ter ab­bil­den.

Eben­falls the­ma­ti­siert wird die Mei­nung der Kir­che. Ein di­gi­ta­les Wei­ter­le­ben nach dem Tod steht im Kon­trast zu der klas­si­schen, christ­li­chen Vor­stel­lung, dass Men­schen nach ihrem Tod in den Him­mel auf­stei­gen und in den Dienst Got­tes tre­ten. Den­noch fängt die ka­tho­li­sche Kir­che an, sich mit dem Thema künst­li­che In­tel­li­genz aus­ein­an­der­zu­set­zen, und ver­öf­fent­lich­te im ver­gan­ge­nen Jahr ein of­fi­zi­el­les State­ment des Va­ti­kans durch den Erz­bi­schof Vin­cen­zo Pa­glia. Zwar po­si­tio­niert sich die Kir­che hier­bei nicht kon­kret gegen die Ent­wick­lung von Künst­li­cher In­tel­li­genz, sie ver­weist je­doch auf die Ri­si­ken, die mit einer sol­chen Tech­no­lo­gie ein­her­ge­hen, wenn Ma­schi­nen ohne Moral oder Ge­wis­sen agie­ren: „There is al­re­ady a real risk that the man will be tech­no­lo­gi­zed, ra­ther than the tech­no­lo­gy hu­ma­ni­zed“.

Einen Plan, wie man die An­ge­bo­te zur di­gi­ta­len Un­sterb­lich­keit in Zu­kunft re­gu­lie­ren will, gibt es bis­her nicht. Zu­nächst bräuch­te es einen Dis­kurs in der Ge­sell­schaft, fin­det Marie-Lotta. Das Thema müsse in Zei­tun­gen und Talk­run­den the­ma­ti­siert wer­den: „Es ist na­tür­lich fas­zi­nie­rend und eine Tech­nik, die ganz neue Mög­lich­kei­ten schafft, aber auf der an­de­ren Seite wer­fen sich ethisch und recht­lich viele Fra­gen auf, auf die es noch keine Ant­wor­ten gibt. Des­halb müs­sen wir uns als Ge­sell­schaft erst ein­mal damit aus­ein­an­der­set­zen.“ Nach ihrem Tod selbst als di­gi­ta­les Ich wei­ter­zu­le­ben kann sich die Mas­ter­stu­den­tin ak­tu­ell nicht vor­stel­len: „Dass Hin­ter­blie­be­ne von mir in ir­gend­ei­ner Art eine Hin­ter­las­sen­schaft haben, würde ich nicht wol­len. Ich fände es eine ko­mi­sche Vor­stel­lung, auf diese Art wei­ter zu exis­tie­ren. Und auch an­ders­rum würde ich nicht wol­len, dass je­mand aus mei­nem Um­kreis di­gi­tal wei­ter­lebt, weil es die­sen Ab­schluss nicht gibt.“ Eine ge­ziel­te An­wen­dung von Vir­tu­al Rea­li­ty, um Trau­ma­ta zu ver­ar­bei­ten, so wie die Be­stat­ter*innen vor­schlu­gen, hält sie al­ler­dings für sinn­voll und sieht darin eine Chan­ce für die Zu­kunft. 

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