Das Foto erlaubt einen umfangreichen Blick audf den Campus der FH Kiel.© K. Wun­der­lich

Die Kul­tur­in­sel Diet­richs­dorf

von viel.-Re­dak­ti­on

von Klaus-Mi­cha­el Hein­ze, Kanz­ler der FH Kiel

Als Re­ak­ti­on auf den Zu­sam­men­schluss der Mu­se­en und Samm­lun­gen im Kie­ler Zen­trum zum Bünd­nis „Mu­se­en am Meer“, such­ten die nicht ein­be­zo­ge­nen Kul­tur­ein­rich­tun­gen auf West- und Ost­ufer nach ihrer eig­nen Iden­ti­tät. So ent­stan­den zeit­gleich das „Ma­ri­ti­me Vier­tel“ im Nor­den Kiels, zwi­schen dem An­schar-Ge­län­de und Hol­ten­au ge­le­gen, und die „Kul­tur­in­sel Diet­richs­dorf“ auf dem Ost­ufer, mit dem die am Stadt­rand ge­le­ge­nen Kul­tur­ein­rich­tun­gen ihre An­ge­bo­te künf­tig ge­mein­sam und damit wirk­sa­mer an­bie­ten wol­len.

Schon jetzt, gut ein Jahr spä­ter, ist die „Kul­tur­in­sel Diet­richs­dorf“ für viele Gäste der Kul­tur­ein­rich­tun­gen auf dem Cam­pus all­ge­gen­wär­tig: Das neue Logo ziert Flyer, Pla­ka­te, Ban­ner, Post­kar­ten, T-Shirts und Lei­nen­beu­tel, eine neue Web­site und ein Image­film wur­den ent­wi­ckelt. Im Herbst 2012 er­schien der erste ge­mein­sa­me Ver­an­stal­tungs­ka­len­der für das Win­ter­halb­jahr, der über 600 Ver­an­stal­tun­gen des Me­di­en­doms, der Stern­war­te und des Com­pu­ter­mu­se­ums, des Kul­tur- und Kom­mu­ni­ka­ti­ons­zen­trums Bun­ker-D und des In­dus­trie­mu­se­ums Ho­waldt­sche Gie­ße­rei ent­hält. Damit stim­men die Ein­rich­tun­gen ihre An­ge­bo­te ter­min­lich ab und er­mög­li­chen ihren Gäs­ten den Be­such ver­bun­de­ner Ver­an­stal­tun­gen mit nur einer Ein­tritts­kar­te.

 

Die be­son­de­re Ge­schich­te des Orts­teils Diet­richs­dorf zu ver­mit­teln, in dem vor 150 Jah­ren der Schiff­bau die länd­li­che Idyl­le dras­tisch ver­än­der­te und die Welt­krie­ge deut­lich er­kenn­bar ihre Spu­ren hin­ter­lie­ßen, war schon immer eine be­son­de­re Her­aus­for­de­rung. Die­ser his­to­ri­schen Be­deu­tung ver­pflich­tet wur­den das In­dus­trie­mu­se­um Ho­waldt­sche Gie­ße­rei und die bei­den Hoch­bun­ker an der Schwen­tin­e­stra­ße und im Ei­chen­berg­skamp sorg­sam er­hal­ten und für neue Zwe­cke at­trak­tiv her­ge­rich­tet. Mit Un­ter­stüt­zung der Denk­mal­pfle­ge sind so „Zeit­zeu­gen“ ent­stan­den, die allen Ge­ne­ra­tio­nen einen tie­fen Ein­blick in die Ver­gan­gen­heit er­lau­ben.

In un­se­rer Fach­hoch­schu­le ent­ste­hen mit den vie­len krea­ti­ven Geis­tern und mo­der­nen tech­ni­schen Mit­teln stän­dig span­nen­de Ideen, um eine di­rek­te Ver­bin­dung zwi­schen der rea­len Um­welt und vir­tu­el­len Um­ge­bun­gen zu schaf­fen: Der Fach­be­reich Me­di­en, der Me­di­en­dom sowie re­nom­mier­te Künst­le­rin­nen und Künst­ler ent­wi­ckeln so neu­ar­ti­ge Kon­zep­te und Pro­duk­tio­nen, die auch in­ter­na­tio­nal er­folg­reich wahr­ge­nom­men wer­den. Denn ge­ra­de durch das Zu­sam­men­wir­ken von aka­de­mi­schem und künst­le­ri­schem Ent­wick­lungs­drang und dem tech­ni­schen Know-how kön­nen hier gute Ideen schnell er­probt und rea­li­siert wer­den.

 

Kunst und Kul­tur mit neuen Me­di­en ent­de­cken

Das Kon­zept der „Kul­tur­in­sel Diet­richs­dorf“ hebt sich weit von einem Ver­mark­tungs­ring kul­tu­rel­ler An­ge­bo­te und einer Be­schil­de­rung von Ge­bäu­den ab. Über der Ebene der bau­li­chen Rea­li­tät soll hier eine vir­tu­el­le Welt mit viel­fäl­ti­gen An­ge­bo­ten für Kunst- und Kul­tur­in­ter­es­sier­te ent­ste­hen. Ohne die klas­si­schen Wahr­neh­mungs­for­men, wie Aus­stel­lungs-, Me­di­en­dom- und Mu­se­ums­be­su­chen, zu bein­träch­ti­gen, wer­den mit den heu­ti­gen tech­ni­schen Mög­lich­kei­ten neue An­ge­bo­te ent­wi­ckelt. Die Idee einer sich stän­dig wei­ter ent­fal­ten­den Kul­tur­land­schaft soll ein ein­zig­ar­ti­ges mul­ti­me­dia­les Er­le­ben er­mög­li­chen und un­se­ren Cam­pus zu einem ganz be­son­de­ren Ort ma­chen.

Schon heute laden wir mit dem Au­dio­gui­de „Cam­pus­Kul­Tour“ dazu ein, un­se­ren Cam­pus bei einem Spa­zier­gang ken­nen­zu­ler­nen. In 26 Ka­pi­teln be­rich­tet die­ses Hör­buch über des­sen Ge­schich­te und die in der jün­ge­ren Ver­gan­gen­heit ein­ge­tre­te­nen Ent­wick­lun­gen. Wird bei die­sem Rund­gang ein Smart­pho­ne ein­ge­setzt, bie­ten die Füh­rungs­schil­der durch Quick-re­spon­se-Codes, so­ge­nann­te QR-Codes, di­rek­ten Zu­gang zur In­ter­net­prä­sen­ta­ti­on des Au­dio­gui­des – alle Hör­stü­cke sind so auch von zu­hau­se ab­ruf­bar.

Seit An­fang die­ses Jah­res ist es mög­lich, von zu­hau­se aus den Cam­pus der Fach­hoch­schu­le zu er­kun­den. Der von Prof. Bernd Ves­per ge­schaf­fe­ne Rund­gang setzt sich aus 54 Ku­gel­pan­ora­men mit ins­ge­samt 1.908 Ein­zel­fo­to­gra­fi­en zu­sam­men, die er auf dem Cam­pus und in den Hoch­schul­ge­bäu­den auf­ge­nom­men hat. Mit einer spe­zi­el­len Soft­ware ver­band Prof. Ves­per seine Auf­nah­men zum „Vir­tu­el­len Cam­pus­spa­zier­gang”.

Die Fotos sind in der HDR-Tech­nik ge­macht, die un­ter­schied­lich be­lich­te­te Auf­nah­men eines Mo­tivs zu einem Bild ver­bin­det. Jedes Pan­ora­ma zeigt volle 360 Grad, also die ge­sam­te Um­ge­bung des Ka­me­ra­stand­orts. Sogar ei­ni­ge Hör­stü­cke der „Cam­pus­Kul­Tour“ sind ein­ge­bun­den. So kön­nen sich In­ter­es­sier­te im Netz ein ers­tes Bild vom Cam­pus und der „Kul­tur­in­sel Diet­richs­dorf“ ma­chen.

Mit der am 3. März 2013 er­öff­ne­ten In­stal­la­ti­on „33!Denk!Bänke!“ wurde die zwei­te At­trak­ti­on der Kul­tur­in­sel auf dem Cam­pus der Fach­hoch­schu­le ver­wirk­licht. Alle Ru­he­bän­ke auf dem Cam­pus sind mit künst­le­ri­schen QR-Codes ver­ziert, die zur Be­sin­nung und Re­fle­xi­on in die fan­tas­ti­sche Me­di­en­kunst­welt Mi­cha­el Weis­sersein­la­den.

Als der Bre­mer Me­di­en­künst­ler im Sep­tem­ber 2012 mit sei­ner Aus­stel­lung „ich, mei­ner, mir, mich“ in der Ga­le­rie im Bun­ker-D zu Gast war, er­fass­te ihn die be­son­de­re Span­nung zwi­schen Kul­tur und Wis­sen­schaft, Ver­gan­gen­heit und Zu­kunft an der FH. So ent­schloss er sich, eine wohl bis­lang welt­weit ein­ma­li­ge Me­di­en­kunst­in­stal­la­ti­on auf un­se­rem Cam­pus zu schaf­fen. Durch um­fang­rei­che Schen­kun­gen von Samm­le­rin­nen und Samm­lern und wei­te­re För­de­run­gen von Stif­tun­gen und Un­ter­neh­men ist es ge­lun­gen, die­ses Pro­jekt zu ver­wirk­li­chen.

 

Weis­ser ge­stal­te­te 33 Sitz­bän­ke und schaff­te so ein ex­klu­si­ves, raum­grei­fen­des Ge­samt­werk, das als eine neue Form von mul­ti­me­dia­ler „Kunst im öf­fent­li­chen Raum“ be­zeich­net wer­den kann. Be­su­che­rin­nen und Be­su­cher scan­nen bei­spiels­wei­se mit der App „i-nigma“ auf ihrem Smart­pho­ne den auf der Bank an­ge­brach­ten Pi­xel­code, set­zen sich und er­le­ben auf dem Dis­play und über die Kopf­hö­rer Bil­der, Ty­po­gra­fi­en, Filme, Mu­si­ken, frem­de Klän­ge und re­zi­tier­te Poe­si­en von prä­gnan­ter Schön­heit.

Mi­cha­el Weis­ser gilt als Vi­sio­när, der die Äs­the­tik der neuen, di­gi­ta­len Me­di­en er­grün­det. Er stu­dier­te sa­kra­le und ex­pe­ri­men­tel­le Ma­le­rei, sowie Gra­fik und Fo­to­gra­fie in Köln und Kunst­ge­schich­te, Kom­mu­ni­ka­ti­ons­wis­sen­schaf­ten, So­zio­lo­gie, Po­li­tik und Er­zie­hungs­wis­sen­schaft in Bonn und Mar­burg. 1968 ver­öf­fent­lich­te er im Feuil­le­ton der FAZ sein ers­tes Ge­dicht zur Äs­the­tik der All­tags­welt. Im Jahr 1983 er­schien in der Phan­tas­ti­schen Bi­blio­thek des Suhr­kamp Ver­la­ges sein Roman „DigIt“, der eine com­pu­ter­ge­steu­er­te Welt be­schreibt. Mit Wor­ten for­mu­lier­te Mi­cha­el Weis­ser da­mals seine Vi­sio­nen, die er heute in die Rea­li­tät um­setzt. Ab 1984 pro­du­zier­te er sech­zehn Jahre lang elek­tro­ni­sche Musik, be­reis­te die Welt und er­fass­te O-Töne an exo­ti­schen Orten. So ent­stand sein um­fang­rei­ches, ein­ma­li­ges Klang­ar­chiv, das er teil­wei­se auch in die „33!Denk!Bänke!“ mit ein­ge­bracht hat. Seit 2000 wid­met sich Mi­cha­el Weis­ser wie­der der Kunst und ver­netzt dabei die Me­di­en Bild, Klang und Wort.

Mit dem Pro­jekt „33!Denk!Bänke!“ prä­sen­tiert er die Er­geb­nis­se sei­ner Er­for­schun­gen der Äs­the­tik und Funk­ti­on von QR-Codes. Im Rah­men der In­ter­dis­zi­pli­nä­ren Wo­chen­wird Weis­ser im Mai 2013 ge­mein­sam mit dem Fach­be­reich Me­di­en ein Block­se­mi­nar an­bie­ten, das sich mit dem Kon­zept und dem Ma­nage­ment des QR-Kunst­pro­jek­tes „33!Denk!Bänke!“ be­schäf­tigt.

 

Der­zeit ent­steht das nächs­te mul­ti­me­dia­le Kunst­pro­jekt an der FH Kiel, die „Kunst­samm­lung-D“. In den ver­gan­ge­nen Jah­ren hat die Hoch­schu­le viele au­ßer­ge­wöhn­li­che Werke zeit­ge­nös­si­scher Ma­le­rei, Fo­to­gra­fie, Plas­ti­ken und In­stal­la­tio­nen zu­sam­men­ge­tra­gen. Über hun­dert auf dem Cam­pus vor­han­de­ne Ein­zel­wer­ke wer­den er­fasst, in einer web­ba­sier­ten Da­ten­bank ka­ta­lo­gi­siert und mit mul­ti­me­dia­len Quel­len ver­netzt. Für die kunst­in­ter­es­sier­ten Gäste der „Kul­tur­in­sel Diet­richs­dorf“ wird es damit bald einen neu­ar­ti­gen Zu­gang zu den Aus­stel­lungs­wer­ken geben.

Sie sind alle herz­lich auf die „Kul­tur­in­sel Diet­richs­dorf“ ein­ge­la­den!

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