Ein Mann in gestreiftem Hemd schaut freundlich in die Kamera.© FH Kiel

Der Traum vom Haus­halts­ro­bo­ter

von Jana Tresp

„Ro­bo­ter fas­zi­nie­ren uns, weil sie Dinge tun, die wir nor­ma­ler­wei­se selbst ma­chen müss­ten“, sagt Dr. Bernd Fin­ke­mey­er. „Wer träumt nicht von einem Haus­halts­ro­bo­ter, der staub­saugt, den Ge­schirr­spü­ler ein- und aus­räumt, die Wä­sche macht usw.?“ Seit dem 1. Ok­to­ber 2012 ist er Pro­fes­sor für „Elek­tri­sche An­trie­be und Re­ge­lungs­tech­nik im Ma­schi­nen- und An­la­gen­bau“ am Fach­be­reich Ma­schi­nen­we­sen der Fach­hoch­schu­le Kiel. Davor war Dr. Fin­ke­mey­er als Ab­tei­lungs­lei­ter Steue­rungs­ent­wick­lung im Be­reich For­schung und Ent­wick­lung bei der Firma KUKA La­bo­ra­to­ries GmbH in Augs­burg tätig.

Jana Tresp (JT): Sie haben an der TU Braun­schweig Elek­tro­tech­nik mit dem Schwer­punkt Mess­re­ge­lungs- und Au­to­ma­ti­sie­rungs­tech­nik stu­diert. Wie kamen Sie dazu?

Bernd Fin­ke­mey­er (BF): Schon als Kind war ich ein klei­ner Elek­tro­bast­ler, habe Ra­di­os und Fern­se­her aus­ein­an­der ge­nom­men oder re­pa­riert. Daher kam für mich nur der Stu­di­en­gang Elek­tro­tech­nik in­fra­ge.

JT: Wie wür­den Sie Laien Ihr Ar­beits­ge­biet er­klä­ren?

BF: Mein Spe­zi­al­ge­biet ist die An­triebs- und Au­to­ma­ti­sie­rungs­tech­nik im Be­reich der Ro­bo­tik. Ich be­schäf­ti­ge mich damit, dass ein Ro­bo­ter exakt die Po­si­ti­on ein­nimmt, die ich ihm vor­ge­be. Dafür sind ver­schie­de­ne Kom­po­nen­ten not­wen­dig: der An­trieb an sich, eine Steue­rungs­tech­nik, eine Leis­tungs­elek­tro­nik, die En­er­gie ins Sys­tem ein­speist, und eine In­tel­li­genz, die das Ganze steu­ert und re­gelt.

JT: Hört sich an, als um­fas­se die Ro­bo­tik meh­re­re Dis­zi­pli­nen?

BF: Rich­tig. In der Ro­bo­tik spielt In­ter­dis­zi­pli­na­ri­tät eine große Rolle. An­fangs waren die Fach­be­rei­che Ma­schi­nen­bau und Elek­tro­tech­nik für die Leis­tungs­elek­tro­nik, In­for­ma­tik für die In­tel­li­genz von Ro­bo­tern zu­stän­dig. Da die neue Ge­ne­ra­ti­on von Ro­bo­tern noch enger mit Men­schen zu­sam­men­ar­bei­ten wird, kom­men heute noch wei­te­re Dis­zi­pli­nen wie So­zio­lo­gie und Psy­cho­lo­gie hinzu. So soll­te bei­spiels­wei­se das De­sign der Ro­bo­ter nicht ab­schre­ckend wir­ken und die Be­die­nung auch nicht tech­nisch aus­ge­bil­de­ten Men­schen mög­lich sein. Sich mit sol­chen The­ma­ti­ken aus­ein­an­der­zu­set­zen, kön­nen In­ge­nieu­rin­nen und In­ge­nieu­re al­lei­ne nicht mehr leis­ten.

JT: Auf wel­chen Ge­bie­ten gibt es heute Ro­bo­ter?

BF: Am be­kann­tes­ten sind die Ro­bo­ter, die in der Au­to­mo­bil­in­dus­trie ein­ge­setzt wer­den und bei­spiels­wei­se Ble­che zu­sam­men­schwei­ßen. Es gibt aber auch sol­che, die z.B. in der Ver­pa­ckungs­in­dus­trie oder im Be­reich En­ter­tain­ment ar­bei­ten. Letz­te­re sind an ihrem Greif­arm mit einem Stuhl aus­ge­stat­tet. Wer dar­auf Platz nimmt, kann mit dem Ro­bo­ter Ach­ter­bahn fah­ren. Noch be­ein­dru­cken­der wird diese Fahrt mit einem Mo­ni­tor auf dem Kopf – Stich­wort vir­tu­el­le Rund­gän­ge. In der Me­di­zin gibt es Rönt­gen­ro­bo­ter in Form eines C-Bo­gens, die um die Pa­ti­en­ten her­um­fah­ren und aus den un­ter­schied­li­chen Po­si­tio­nen Bil­der ma­chen.

JT: Ei­ner­seits fas­zi­nie­ren uns Ro­bo­ter, an­de­rer­seits fürch­ten viele, dass Ma­schi­nen ihnen die Ar­beit weg­neh­men. Wie sehen Sie das?

BF: Die Fas­zi­na­ti­on liegt darin, dass ein Ro­bo­ter Dinge tut, die wir nor­ma­ler­wei­se selbst ma­chen müss­ten. Im Prin­zip sind wir alle faul und froh, wenn uns der All­tag er­leich­tert wird. Wer träumt nicht von einem Haus­halts­ro­bo­ter, der staub­saugt, den Ge­schirr­spü­ler ein- und aus­räumt, die Wä­sche macht usw. Zudem gibt es Be­trie­be, in denen die Ar­beit ge­fähr­lich oder un­an­ge­nehm ist. In Gie­ße­rei­en macht es bei­spiels­wei­se Sinn, dass das heiße flüs­si­ge Me­tall von Ro­bo­tern be­wegt wird.

Die Angst, dass uns Ro­bo­ter die Ar­beit weg­neh­men, ba­siert auf einer an­de­ren Grund­la­ge. Das Pro­blem liegt nicht in der Ro­bo­tik, son­dern ver­mut­lich in un­se­rem Wirt­schafts­sys­tem. Ro­bo­ter wer­den lei­der nicht nur ein­ge­setzt, um Ar­beit zu er­leich­tern, son­dern vor allem um Pro­fit zu stei­gern. So­lan­ge das die Haupt­mo­ti­va­ti­on ist, wird die Angst blei­ben. Dabei ist je­doch zu be­den­ken, dass durch den Ein­satz von Ro­bo­tern In­dus­tri­en im Land ge­hal­ten wer­den, was sie zu not­wen­di­gen Part­nern macht.

JT: Was haben Sie ge­macht, bevor Sie an die FH Kiel ge­kom­men sind?

BF: Nach­dem ich an der TU Braun­schweig – al­ler­dings im Fach­be­reich In­for­ma­tik – über das Thema Ro­bo­ter­steue­rungs­tech­nik pro­mo­viert hatte, war ich bei der Firma KUKA in Augs­burg tätig und habe zu­letzt die Ab­tei­lung Steue­rungs­soft­ware­ent­wick­lung ge­lei­tet.

JT: Wie sind Sie an die FH Kiel ge­kom­men?

BF: Bei KUKA war ich ver­ant­wort­lich für eine Ab­tei­lung in­ner­halb des For­schungs- und Ent­wick­lungs­be­reichs, hatte dabei aber vor allem die Auf­ga­be, diese zu ma­na­gen. Die Per­so­nal­ver­ant­wor­tung für über 40 Mit­ar­bei­ter be­deu­te­te für mei­nen Ar­beits­all­tag in ers­ter Linie: Per­so­nal­ge­sprä­che, Bud­ge­tie­rung und Con­trol­ling sowie Vor­stands­prä­sen­ta­tio­nen. So habe ich in den ver­gan­ge­nen Jah­ren ei­ni­ges an Le­bens- und Be­rufs­er­fah­rung auch im in­dus­tri­el­len Um­feld ge­sam­melt, das ich nun gerne wei­ter­ge­ben möch­te. Dar­über freue ich mich.

JT: Was möch­ten Sie den Stu­die­ren­den ver­mit­teln?

BF: Neben den fach­li­chen In­hal­ten, wie diese Ma­schi­nen funk­tio­nie­ren, möch­te ich ihnen mit auf den Weg geben, wie der Be­rufs­all­tag aus­se­hen kann. Bevor ich an die FH Kiel kam, habe ich unter an­de­rem junge Ab­sol­ven­tin­nen und Ab­sol­ven­ten ein­ge­stellt. Viele hat­ten keine kon­kre­te Vor­stel­lung davon, wie Ihr Ar­beits­all­tag aus­se­hen soll – ob sie den gan­zen Tag am Rech­ner sit­zen oder lie­ber Teile zu­sam­men schrau­ben wol­len. Dar­auf möch­te ich die Stu­die­ren­den gerne vor­be­rei­ten und ge­ge­be­nen­falls Wei­chen stel­len.

Au­ßer­dem möch­te ich den Stu­die­ren­den ver­mit­teln, was Team­ar­beit be­deu­tet. Denn Ein­zel­gän­ger­tum gibt es in der Be­rufs­welt nicht. In die­sem Zu­sam­men­hang finde ich das star­tIng!-Pro­jekt der FH Kiel sehr gut. Da ler­nen die Stu­die­ren­den be­reits im ers­ten Se­mes­ter, eine Auf­ga­be im Team zu lösen. Gleich­zei­tig er­fah­ren sie wich­ti­ge Dinge über sich selbst: Wie funk­tio­nie­re ich im Team? Wie kom­mu­ni­zie­re ich? Wie löse ich Kon­flik­te? Diese Softs­kills sind für das spä­te­re Be­rufs­le­ben enorm wich­tig.

Kurz­bio­gra­fie

 

seit Ok­to­ber 2012 Pro­fes­sor an der Fach­hoch­schu­le Kiel, Fach­be­reich Ma­schi­nen­we­sen

2005-2012 un­ter­schied­li­che Po­si­tio­nen in Ge­sell­schaf­ten der KUKA AG, Augs­burg; zu­letzt: Lei­ter Steue­rungs­ent­wick­lung im Be­reich For­schung und Ent­wick­lung der KUKA La­bo­ra­to­ries GmbH

2004 Pro­mo­ti­on; Thema der Dis­ser­ta­ti­on: „Ro­bo­ter­steue­rungs­ar­chi­tek­tur auf der Basis von Ak­ti­ons­pri­mi­ti­ven"

1998-2005 Wis­sen­schaft­lich tech­ni­scher Mit­ar­bei­ter am In­sti­tut für Ro­bo­tik und Pro­zess­in­for­ma­tik, TU Braun­schweig

1993-1998 Stu­di­um der Elek­tro­tech­nik, Ver­tie­fungs­rich­tung Mess-, Re­ge­lungs- und Au­to­ma­ti­sie­rungs­tech­nik, TU Braun­schweig

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