Ein Mann © F. Ki­li­an

„Der ein­sa­me Seg­ler“ er­obert die Her­zen des Pu­bli­kums

von Len­nard Woro­bic

Als eine „ver­rück­te Idee“ be­zeich­ne­te Jan­nis Lip­pisch seine Pro­duk­ti­on in der Ent­ste­hungs­pha­se. Mitt­ler­wei­le ist dar­aus ein fünf­ein­halb-mi­nü­ti­ger Film ge­wor­den, der im Mai 2020 den Pu­bli­kums­preis beim „Nur 48 Stun­den“-Film­wett­be­werb ge­wann. Schon immer in­ter­es­sier­te Jan­nis Lip­pisch sich für Filme. Durch das Mul­ti­me­dia Pro­duc­tion-Stu­di­um an der Fach­hoch­schu­le Kiel ent­wi­ckel­te er nach und nach auch eine Lei­den­schaft dafür, Filme selbst zu pro­du­zie­ren. Mitt­ler­wei­le stu­diert der 27-jäh­ri­ge im fünf­ten Se­mes­ter Me­di­en­kon­zep­ti­on an der Fach­hoch­schu­le Kiel und ist par­al­lel dazu frei­be­ruf­lich tätig.

Jan­nis Lip­pisch pro­du­ziert Image­fil­me, nimmt an Pro­jek­ten und Wett­be­wer­ben teil und ist zudem ge­lern­ter Film-Py­ro­tech­ni­ker. „Wie kriegt man es hin, dass ein Auto mög­lichst rea­li­täts­nah ex­plo­diert?“ – mit Fra­gen wie die­sen be­schäf­tigt er sich re­gel­mä­ßig. Im letz­ten Jahr nahm Lip­pisch zum ers­ten Mal als Re­gis­seur mit einem ei­ge­nem Film am „Nur 48 Stun­den“-Film­wett­be­werb teil und schaff­te es bis in die letz­te Runde. In „Rewin­ders“ baute er da­mals auch eine Ex­plo­si­on ein, das Set­ting in sei­nem neuen Film „Der ein­sa­me Seg­ler“ ist hin­ge­gen ru­hi­ger, me­lan­cho­lisch, und doch dra­ma­tisch. Ur­sprüng­lich han­delt es sich dabei aber um ein mu­si­ka­li­sches Ex­pe­ri­ment. Nor­ma­ler­wei­se wer­den die Ge­scheh­nis­se auf der Lein­wand durch Film­mu­sik er­gänzt, in Jan­nis Lip­pisch‘ Pro­duk­ti­on ge­schieht es je­doch um­ge­kehrt. „Ich hatte immer die Zahl 48 und das Ge­räusch, wenn man sie mit einem Blei­stift auf ein Blatt schreibt, im Kopf“, er­zählt der junge Fil­me­ma­cher. Ge­mein­sam mit sei­nem Team­mu­si­ker Lucas Pin­now, alias Steig­bü­gel, ent­wi­ckel­te er aus dem Ge­räusch der Mine auf dem Pa­pier und dem Stift im An­spit­zer einen „Beat“ für ein Mu­sik­stück. Dar­auf­hin kon­tak­tier­te Lip­pisch Sän­ger*innen aus ver­schie­de­nen Mu­sik­rich­tun­gen und bat sie, je­weils einen ei­ge­nen Song­text zu schrei­ben und auf­zu­neh­men, an­ge­lehnt an das zuvor kom­po­nier­te Thema. „Dar­aus sind viele tolle Songs ent­stan­den, die aber alle un­fass­bar un­ter­schied­lich waren“, so Lip­pisch. Die ur­sprüng­lich ei­gen­stän­di­gen Auf­nah­men aus Mu­sik­rich­tun­gen wie Jazz, Rock und Indie fass­ten er und sein Team an­schlie­ßend zu einem Ge­samt­werk zu­sam­men.

„Ich habe diese Ge­schich­te dann mit dem ein­sa­men Seg­ler um­klam­mert, der Zu­hau­se sitzt und ver­sucht, seine Er­leb­nis­se zu ver­ar­bei­ten“, er­zählt Jan­nis Lip­pisch, der den Prot­ago­nis­ten selbst spielt. Die­ser bringt den Ver­lust von drei Freun­den in Form von Zeich­nun­gen aufs Pa­pier. Für den gan­zen Film fer­tig­te Mar­le­na Wels zahl­rei­che Ein­zel­skiz­zen an, wel­che die Hand­lung wie­der­ge­ben. Es ent­steht eine trau­ri­ge At­mo­sphä­re, die mit­un­ter an die Co­ro­na­zeit an­ge­lehnt ist. „Ich woll­te einen Film ma­chen, der in die Zeit passt, aber nicht davon han­delt“, be­tont Jan­nis Lip­pisch. Die star­ke Bin­dung zwi­schen dem Seg­ler und sei­nen Freun­den ist re­prä­sen­ta­tiv für die Si­tua­ti­on vie­ler Men­schen: Freun­de sind durch die Pan­de­mie von­ein­an­der ge­trennt, so dass sie sich nicht sehen kön­nen – ihre enge Bin­dung bleibt je­doch be­stehen. „Das woll­te ich mit dem Film abs­tra­hiert dar­stel­len“, er­klärt Lip­pisch.

Die Pro­duk­tio­nen der Fi­nal­teil­neh­mer wer­den ge­wöhn­lich im Me­tro­ki­no auf der Lein­wand prä­sen­tiert, an­schlie­ßend äu­ßern sich die Fil­me­ma­cher zu ihren Wer­ken. Auf­grund der Co­ro­na-Pan­de­mie blieb den Ver­an­stal­tern keine an­de­re Wahl, als das Event on­line statt­fin­den zu las­sen. „Es gab einen Stream über Twitch, zwi­schen­zeit­lich wur­den die Fil­me­ma­cher per Zoom in­ter­viewt. Das haben die Or­ga­ni­sa­to­ren aber wirk­lich sehr gut hin­be­kom­men“, be­rich­tet Jan­nis Lip­pisch. Dass er für sei­nen Film „Der ein­sa­me Seg­ler“ den Pu­bli­kums­preis er­hielt, sei für ihn eine Ehre: „Für das Pu­bli­kum macht man ja schlie­ß­lich den Film.“ Diese Be­stä­ti­gung ist red­lich ver­dient, zumal hin­ter allen Pro­duk­tio­nen ein enor­mer Ar­beits­auf­wand steckt. Wie be­reits der Name des Wett­be­werbs ver­rät, müs­sen die Filme in­ner­halb von 48 Stun­den ge­dreht und ab­ge­ge­ben wer­den. „Zum einen ist das eine Her­aus­for­de­rung, auf der an­de­ren Seite aber auch eine Chan­ce, weil man die­sen Druck hat, etwas zu schaf­fen und schnell fer­tig­zu­stel­len“, meint Lip­pisch. Nicht ohne Grund lau­tet das Motto des Wett­be­werbs: „Fil­me­ma­chen unter Ad­re­na­lin.“

Um si­cher­zu­ge­hen, dass die Teil­neh­mer*innen sich auch wirk­lich an die Zeit­vor­ga­be hal­ten, gibt es stren­ge Be­din­gun­gen. In die­sem Jahr galt es etwa das Über­the­ma „ge­braucht“ sowie die Be­grif­fe „Linse“, „Boxer“ und „16 Kno­ten“ ein­zu­bau­en. Die Kno­ten geben die Wind­ge­schwin­dig­keit wie­der, die zu einer be­stimm­ten Uhr­zeit an einer Wet­ter­sta­ti­on ab­ge­le­sen wer­den muss­te, er­klärt Lip­pisch. Zwar dür­fen die Merk­ma­le nicht zu­sam­men in einer Szene vor­kom­men und sol­len statt­des­sen über ver­schie­de­ne Sze­nen des Films ver­teilt sein, sie müs­sen aber auch nicht durch­gän­gig prä­sent sein. Dafür las­sen sich ver­schie­de­ne Tak­ti­ken an­wen­den – man­che pro­du­zie­ren alles spon­tan. „Dann wird die Zeit aber sehr eng“, ver­si­chert Jan­nis Lip­pisch. Er und sein Team haben zuvor be­reits eine grobe Story, Lo­ca­ti­on und Schau­spie­ler fest­ge­legt und an­schlie­ßend alles an den Rah­men an­ge­passt.

Die Her­aus­for­de­rung des „Nur 48 Stun­den“-Film­wett­be­werbs hat Jan­nis Lip­pisch mit Bra­vur ge­meis­tert. Auch nach dem Stu­di­um möch­te er in der Film­bran­che ar­bei­ten: „Das ist ein­fach mein Ding, und dafür bren­ne ich.“ Durch die Aus­zeich­nung, die er für sei­nen Film „Der ein­sa­me Seg­ler“ er­hielt, ist Lip­pisch sei­nem Traum ein Stück näher ge­kom­men.

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