Bereits im vergangenen Jahr hat Sabine Grosser die Professur für Ästhetische Bildung am Fachbereich Soziale Arbeit und Gesundheit der Fachhochschule Kiel übernommen. Was sie ihren Studierenden beibringen möchte, und was die Ästhetische Bildung überhaupt beinhaltet, hat sie Jana Tresp erzählt:
Jana Tresp (JT): Wie würden Sie Laien die Ästhetische Bildung erklären?
Sabine Grosser (SG): Die meisten verbinden mit Ästhetik die Antike, die griechische Philosophie und die Begriffe des Schönen und Erhabenen. Nach unserem heutigen Verständnis beinhaltet das Feld alle Bereiche der sinnlichen Wahrnehmung, die bei uns besondere Empfindungen auslösen. Mich interessieren insbesondere das Visuelle und die visuelle Kultur. In meiner Habilitationsschrift habe ich mich zum Beispiel mit der Entwicklung zeitgenössischer Kunst in Sri-Lanka im Kontext kultureller Globalisierung beschäftigt.
JT: Warum der Schwerpunkt Kunst in Sri-Lanka? Waren Sie vor Ort?
SG: Ja. Nach meiner Promotion habe ich dort von 1997 bis 2002 als DAAD-Lektorin gearbeitet und hatte so die Gelegenheit, die Kultur dieses Inselstaats kennenzulernen. Ausgehend von Fragestellungen aus meiner eigenen künstlerischen Praxis hatte ich mich in meiner Dissertation am Beispiel des Beuys Schülers Blinky Palermo mit der Entwicklung vom Tafelbild zur Installation beschäftigt. Die Idee des Tafelbildes ist ganz eng an die abendländische Philosophie und Ästhetik geknüpft und setzt eine ganz bestimmte Weltsicht und ein Weltverständnis voraus. Ich habe mich gefragt, ob das auch in der Kunst sichtbar ist. Das war tatsächlich der Fall. Sri Lanka ist vorwiegend buddhistisch und hinduistisch geprägt. Die aktuelle Kunstszene wird jedoch noch stark von der von den Kolonialherren in die Kultur gebrachten Tafelmalerei beeinflusst, neuere Kunstformen spielen bisher keine große Rolle. Perspektive und die damit verbundenen, ordnenden Strukturen von Welt, wie Hierarchisierung oder Beziehungen, wie ein Oben und Unten oder Vorne und Hinten, finden in der dortigen Malerei jedoch eine andere Ausprägung. Objekte stehen zum Beispiel sehr viel mehr nebeneinander, miteinander, so wie es im buddhistischen Denken angelegt ist.
JT: Wie kommt es, dass Sie sich mit Ästhetischer Bildung beschäftigen?
SG: Ich habe Kunstpädagogik studiert. Durch ihre drei Säulen Kunstwissenschaft, Kunstpädagogik und die Kunstpraxis ermöglicht diese Fachrichtung einen breiten Zugriff auf Kunst und Kultur. In meiner eigenen künstlerischen Arbeit habe ich die bereits erwähnte Entwicklung von der Malerei hin zu raumbezogenen Projekten durchlaufen. Zudem habe ich Ausstellungen kuratiert und kulturelle Veranstaltungen organisiert. Mit der Promotion und Habilitation haben sich meine Schwerpunkte in den wissenschaftlichen Bereich verlagert und so habe ich die Bezüge zu den Nachbarwissenschaften, wie zum Beispiel den Sozialwissenschaften, verstärkt. Seit 2004 arbeite ich in der Forschungsgruppe ‚Ästhetisches Lernen‘ an der Universität Paderborn.
JT: Was wollen Sie den Studierenden vermitteln?
SG: Mein primäres Interesse ist es, sie zu einer Auseinandersetzung mit eigenen Fragestellungen anzuregen. Eine geschulte Wahrnehmung und der kompetente Umgang mit visuellen Phänomenen sind heute Grundkompetenzen, die in sehr vielen Bereichen relevant sind, wenn auch in unterschiedlichen Ausprägungen. Bezogen auf die Studiengänge hier am Fachbereich werde ich gemeinsam mit den Studierenden prüfen, welche Aspekte jeweils wichtig sind und entsprechende Schwerpunkte setzen.
JT: Arbeiten Sie mit den Studierenden auch praktisch oder nur auf einer theoretischen Ebene?
SG: Im Bereich der Ästhetischen Bildung gibt es an der FH bereits ein breites Spektrum von Praxisangeboten. Die Studierenden können diverse künstlerische Techniken erproben, vom Siebdruck bis zur Fotographie. Das ist auch wichtig – sie sollen gerade nicht nur die Theorie lernen, sondern auch praktische Erfahrung sammeln, sowohl im eigenen kreativen Tun als auch in der Reflexion darüber.