Blick in den schallarmen Messraum; Wände, Decke und Boden sind mit Schaumstoff-Kegeln ausgekleidet.© F. Klein
Blick in den schallarmen Messraum der FH Kiel.

Das stillste Örtchen der FH Kiel

von Felix Klein

Langsam gehen die Lichter an und tauchen den Raum in weißes Licht. Fenster gibt es keine. Wände, Decke und Boden sind vollständig von grauen Schaumstoff-Keilen bedeckt, nur die Klinke der Tür wurde ausgespart. Ein begehbares Metallgitter schwebt einige Zentimeter über dem Boden und ermöglicht den Zugang. Auf dem Gitter steht ein Tisch mit technischen Geräten. Raum 3.20 in Gebäude C12 ist der leiseste Raum an der Fachhochschule Kiel. Hier ist es still, sehr still sogar.

Wer den schallarmen Messraum der FH Kiel betritt, bemerkt schnell, dass etwas anders ist als sonst: Es scheint, als habe man Druck auf den Ohren. Scheint, denn dem ist nicht so. Die Stille ist ungewohnt. Doch was bedeutet schallarm? „Zum einen gibt es keine Umgebungsgeräusche“, sagt Matthias Riedel, Labormitarbeiter am Institut für Physik und Allgemeine Elektrotechnik des Fachbereichs Informatik und Elektrotechnik. Zum anderen reflektiert der Schall nicht zurück in Richtung seiner Quelle. „Eine Schallwelle verhält sich ähnlich einer Billardkugel – in dem Winkel, in dem sie auftrifft, kommt sie zurück“, erklärt er. Einfallswinkel gleich Ausfallswinkel. Anders beim schallarmen Raum: Die Beschaffenheit der Wände des Raumes erlauben es den Schallwellen nicht, im gleichen Winkel reflektiert zu werden. Die Welle verliert sich – die Wände „verschlucken“ das Geräusch.

Die Industrie nutzt solche Räume „immer dann, wenn man eine genaue Messung braucht“, sagt Riedel. „Wenn man sich sicher sein will, dass die Geräte keine Störungen empfangen und der Schall nur von der Quelle kommt.“ Unternehmen testen Maschinen und Geräte auf ihre Schallleistung oder kalibrieren Mikrofone und andere Messgeräte in der störungsfreien Umgebung.

Und wofür braucht die FH Kiel diesen Raum? „Wir nutzen ihn für die Medieningenieure im ersten Semester für Akustikversuche“, erklärt Riedel. Ausgestattet mit einem Lautstärkemessgerät und einem Oszilloskop machen die Studierenden Schallwellen sichtbar und lernen grundlegende Zusammenhänge der Wellentheorie. Sie sehen, wie Schallwellen einander auslöschen oder wie Wellenberge und Täler sich verstärken. Neben Lehrveranstaltungen steht der Raum den Studierenden auch für Projekt- oder Abschlussarbeiten zur Verfügung. „Einmal hat sogar eine Mitarbeiterin gefragt, ob sie nicht im schallarmen Messraum arbeiten könne, da vor ihrem Fenster eine Baustelle war“, erinnert sich Riedel. Vorbeigekommen sei sie nie.

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