Wertschöpfungskettenmanagement, ein solches Wortungetüm kann auch nur die deutsche Sprache hervorbringen. Glücklicherweise hat sich Holger Schulze von dieser Buchstabenaneinanderreihung nicht abschrecken lassen und sich auf die Professur für „Wertschöpfungskettenmanagement in der Agrar- und Ernährungswirtschaft“ beworben. Nun lehrt er dieses komplexe Gebiet seit dem 1. April 2018 am Fachbereich Agrarwirtschaft. Mit Pressesprecherin Frauke Schäfer hat er über seinen beruflichen Werdegang, die ersten Monate an der FH und sein tolles Kollegium gesprochen.
Prof. Schulze, ich habe mir Ihren Werdegang angeschaut, und da Sie ein Agrarwirtschaftsgymnasium besucht haben, gehe ich schwer davon aus, dass Sie von einem Hof kommen.
Ja, das ist richtig.
Was war das für ein Hof?
Wir haben bis heute einen Ackerbaubetrieb, der aber nun Teil einer Unternehmensgesellschaft ist. Der Betrieb umfasst 450 Hektar und liegt in der Lüneburger Heide. Wir bauen hauptsächlich Kartoffeln, Zuckerrüben und Getreide an. Unser landwirtschaftlicher Betrieb war für mich der Anreiz, auf das Agrarwirtschaftsgymnasium zu gehen. Aber eigentlich war das ein ganz normales Gymnasium mit zwei zusätzlichen Fächern - Agrartechnik und Betriebswirtschaftslehre. In der Abiturprüfung musste ich zum Beispiel eine Futterration für eine Milchkuh berechnen, ein etwas anderes Abiturthema also.
Nach Abitur und Wehrdienst haben Sie ein Praktikum auf dem Lehr- und Forschungsgut Ruthe der Tierärztlichen Hochschule Hannover absolviert. Haben Sie damals mit einem veterinärmedizinischen Studium geliebäugelt?
Wir hatten auf unserem Ackerbaubetrieb nur ein paar Pferde. In Ruthe konnte ich während des Praktikums unterschiedliche Nutztierbereiche kennenlernen, die Sauen-, Geflügel- und Milchviehhaltung. Tierarzt wollte ich aber nicht werden, ich wusste schon, dass ich Agrarwissenschaften studieren würde. Ich wollte einfach die Zeit davor sinnvoll nutzen und meine Kompetenzen ausbauen.
Studiert haben Sie dann in Göttingen mit der Fachrichtung Wirtschafts- und Sozialwissenschaften des Landbaus. Was soll ich mir darunter vorstellen?
Landwirtinnen und Landwirte müssen betriebswirtschaftlich sinnvoll wirtschaften können, das ist klar. Aber die Landwirtschaft wird ja auch stark von der Politik beeinflusst, damals war der Markt deutlich regulierter als heute. Es ging also unter anderem darum, die Marktordnungen für Zucker und Milch aus volks-und betriebswirtschaftlicher Sicht zu betrachten. Diskutiert wurden aber auch soziale Themen, wie die Veränderung der landwirtschaftlichen Betriebsstrukturen oder auch Genderfragen.
Ein ziemlich breites Spektrum. Wofür konnten Sie sich denn besonders begeistern?
Ich habe mit sehr viel Begeisterung den Bereich Marketing und Marktforschung für Lebensmittel und Agrarprodukte vertieft. Aber auch die Themen Marktlehre und Mikroökonomie haben mich interessiert. Dort habe ich auch als Tutor gearbeitet. Meine Kommilitoninnen und Kommilitonen zu unterstützen hat mir damals sehr viel Spaß gemacht. Das war dann auch mein erster Kontakt mit dem, was ich heute mache.
Trotzdem haben Sie keine Universitätslaufbahn eingeschlagen, sondern sind nach der Promotion zum Thema „Qualitätssicherungssysteme in der Land- und Ernährungswirtschaft“ in die Wirtschaft gegangen zu Deere & Company. John Deere?
Ja, der weltweit größte Maschinenhersteller für Landmaschinen, ein sehr innovatives Unternehmen. Ich hatte dort in den vergangenen zehn Jahren drei sehr spannende Positionen inne: Angefangen habe ich als „Manager Market Intelligence“ und unter anderem die landwirtschaftlichen Märkte sowie Trends und Entwicklungen analysiert. Anschließend war ich in der Kundenmarktforschungsabteilung sowie im Strategischen Marketing beschäftigt. Insgesamt war es eine sehr schöne Zeit, in der ich sehr viele praktische Erfahrungen gesammelt habe.
Nun waren Sie schon zehn Jahre bei John Deere, als Sie die Ausschreibung gesehen haben. Hatten Sie keine Lust mehr?
Ich hatte nie ausgeschlossen, an eine Hochschule zu wechseln. Nach zehn Jahren in der Praxis war es ein guter Zeitpunkt für einen Wechsel. Nun möchte ich meine Erfahrungen an Studentinnen und Studenten weitergeben. Mein Lehrgebiet Wertschöpfungskettenmanagement ist darüber hinaus ein sehr spannender und neuer Bereich. Ich kann also sehr viel gestalten und das möchte ich vor allem mit den Studierenden zusammen machen.
Was genau erarbeiten Sie jetzt mit Ihren Studierenden? Was verbirgt sich hinter Wertschöpfungskettenmanagement in der Agrar- und Ernährungswirtschaft?
Viele denken bei der „Landwirtschaft“ ja nur an die Landwirtinnen und Landwirte. Aber das Ganze ist ein komplexes System, eine Kette. Es fängt z.B. an mit dem Saatgut, den Maschinen, dem Dünger – den Faktoren, die der Landwirt und die Landwirtin für ihre Arbeit benötigen. Das Getreide wird angebaut, geerntet und in der Mühle zu Mehl gemahlen. Das Produkt wird dann z.B. zu einer Pizza weiterverarbeitet, landet im Handel und anschließend bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern. Das ist die Wertschöpfungskette. Jeder dieser Bereiche birgt besondere Herausforderungen, die die Studierenden kennenlernen sollen, die Qualitätssicherung zum Beispiel ist über die gesamte Kette ein ganz wichtiger Aspekt.
Sie sind jetzt ein halbes Jahr an der Fachhochschule Kiel, wie sind Sie angekommen?
Ich fühle mich sehr gut und habe sehr viel Spaß bei der Arbeit mit den Studierenden. Auch wenn ich jetzt am Anfang mal nachts bis halb eins meine Vorlesung vorbereiten muss, weiß ich, dass ich die richtige Entscheidung getroffen habe und komme von Tag zu Tag mehr an.
Und fühlen Sie sich durch die Kolleginnen und Kollegen unterstützt?
Ich fühle mich sehr gut unterstützt. Das Klima ist super hier, sehr offen, ich kann zu jedem hingehen und Fragen stellen. Wir haben hier ein sehr kollegiales Miteinander.