Horst Holm (links) und Markus Schack stehen im Computermuseum der FH Kiel © R. Ves­ter
Horst Holm (links) und Mar­kus Schack freu­en sich über die Auf­merk­sam­keit für den Rech­ner aus Kiel. Mit­bie­ten wol­len die Bei­den aber nicht.

Auk­ti­ons­haus Chris­tie’s ver­stei­gert ein Stück Kie­ler Com­pu­ter­ge­schich­te

von Ra­fa­el Ves­ter (CAU)/Frau­ke Schä­fer

So groß wie drei rie­si­ge Klei­der­schrän­ke mit tau­sen­den Ka­beln, hun­der­ten Schal­tern und Lam­pen: Das ist nur die Hälf­te eines Com­pu­ters, der ab 1973 an der Chris­ti­an-Al­brechts-Uni­ver­si­tät zu Kiel (CAU) im Ein­satz war. Genau diese Hälf­te ver­stei­gert der­zeit das Auk­ti­ons­haus Chris­tie’s in New York. Der an­ge­bo­te­ne PDP-KI10 mit der Se­ri­en­num­mer 676 war Teil eines Dop­pel­sys­tems an der CAU. „Der Com­pu­ter war da­mals wirk­lich etwas Be­son­de­res. Das war ein sehr leis­tungs­fä­hi­ges Sys­tem“, er­in­nert sich Horst Holm. Der 81-Jäh­ri­ge war 33 Jahre lang Ser­vice­mit­ar­bei­ter an der Uni Kiel und hat auch den Rech­ner 676 ge­war­tet, der jetzt ver­stei­gert wird. „Das Ganze war ein Time­sha­ring-Sys­tem. Da konn­te man viele Leute über ein­zel­ne Ter­mi­nals dran­set­zen, die gleich­zei­tig ge­ar­bei­tet haben. Sie haben ihre Pro­gram­me ge­schrie­ben und über den Rech­ner lau­fen las­sen“, sagt Holm. Das Sys­tem wurde nach neun Jah­ren aus­ge­mus­tert und durch ein neue­res ab­ge­löst. Der ge­sam­te Rech­ner lan­de­te zu­nächst in einem La­ger­raum der Uni und spä­ter im Be­stand der Com­pu­ter­schau­samm­lung der Fach­hoch­schu­le (FH) Kiel, dem Grund­stock des heu­ti­gen Com­pu­ter­mu­se­ums. Ei­ni­ge Jahre spä­ter fand ein Teil des Sys­tems den Weg in die USA, zu Mi­cro­soft-Mit­grün­der Paul Allen.

Platz­pro­ble­me füh­ren zur Auf­tei­lung

2009 be­gann die Fach­hoch­schu­le Kiel mit den Pla­nun­gen für das Com­pu­ter­mu­se­um in einem ehe­ma­li­gen Luft­schutz­bun­ker auf dem Cam­pus. Mar­kus Schack, der heu­ti­ge Lei­ter des Mu­se­ums, stieß dabei mit sei­nem Team auch auf den ehe­ma­li­gen CAU-Rech­ner. „Wir woll­ten den Rech­ner auf jeden Fall be­hal­ten, weil er ex­em­pla­risch zeigt, wie Gro­ß­rech­ner für ein­zel­ne Nut­ze­rin­nen und Nut­zer zu­gäng­lich wur­den. So wie wir es heute ken­nen. Al­ler­dings be­stand die An­la­ge aus sehr vie­len Mo­du­len, die nicht in un­se­re Räume pass­ten. Wir haben also ent­schie­den, nur ei­ni­ge der Schrän­ke aus­zu­stel­len“, er­klärt Schack. Das Team der Com­pu­ter­schau­samm­lung teil­te daher das Dop­pel­sys­tem und be­hielt Teile des Rech­ners mit der Se­ri­en­num­mer 587. Sie sind seit der Er­öff­nung 2011 im Mu­se­um aus­ge­stellt. Der aus­ge­mus­ter­te Teil kam zu einem Samm­ler in Deutsch­land und in den 2010er-Jah­ren in das Li­ving Com­pu­ter Mu­se­um des Mul­ti­mil­li­ar­därs und Mi­cro­soft-Mit­grün­ders Paul Allen in Se­at­tle.

Der Rech­ner 676 hatte das In­ter­es­se Al­lens er­weckt, weil er zu­sam­men mit Bill Gates an einem bau­glei­chen Mo­dell die Grund­la­gen für die erste kom­mer­zi­el­le Soft­ware von Mi­cro­soft ge­schaf­fen hatte: Allen und Gates hat­ten in den spä­ten 1960er-Jah­ren wäh­rend ihrer High-School-Zeit in Se­at­tle Pro­gram­me in den Spra­chen BASIC und FOR­TRAN auf dem Rech­ner ge­schrie­ben. An­fang der 1970er nutz­ten sie das glei­che Com­pu­ter­mo­dell an der Har­vard Uni­ver­si­ty. Um die Ge­schich­te sei­ner Soft­ware­ent­wick­lung zu be­wah­ren, er­warb Paul Allen den Rech­ner.

Das Bild zeigt einen blauben Großrechner der Uni Kiel. Er umfasst mehrere Schränke©© CHRIS­TIE'S IMAGES LTD. 2024
Der ehe­ma­li­ge Rech­ner 676 der Uni Kiel, der jetzt bei Chris­tie‘s ver­stei­gert wird, war zu groß für die Aus­stel­lung im Com­pu­ter­mu­se­um der FH Kiel und wurde aus­sor­tiert. Das Bild zeigt den Rech­ner in Paul Al­lens Li­ving Com­pu­ter Mu­se­um in Se­at­tle.

Ein Stück Com­pu­ter­ge­schich­te aus Kiel un­term Ham­mer

 „Als der Com­pu­ter ankam, woll­te Paul Allen ihn so­fort sehen“, er­in­nert sich Ste­phen Jones, der Se­ni­or Ma­na­ger für Re­stau­rie­rung und Samm­lung des Mu­se­ums, in einem Ar­ti­kel des Auk­ti­ons­hau­ses Chris­tie’s. Paul Allen habe per­sön­lich viel Zeit in­ves­tiert, um den Rech­ner zu re­stau­rie­ren und wie­der zum Lau­fen zu krie­gen. Nach Al­lens Tod 2018 muss­te das Mu­se­um al­ler­dings schlie­ßen. Chris­tie’s ver­stei­gert jetzt die Ex­po­na­te in einer On­line­auk­ti­on bis zum 12. Sep­tem­ber. Den Wert des Rech­ners aus Kiel schätzt das Auk­ti­ons­haus auf 30.000 bis 50.000 USD.

„Ich freue mich sehr, dass der Rech­ner jetzt eine sol­che Auf­merk­sam­keit be­kommt“, sagt Mar­kus Schack mit Blick auf die an­de­re Hälf­te des ehe­ma­li­gen CAU-Rech­ners in sei­nem Com­pu­ter­mu­se­um an der FH Kiel. „Das zeigt auch, dass wir hier eine qua­li­ta­tiv hoch­wer­ti­ge Samm­lung haben.“ Mit­bie­ten wolle er nicht, denn ein Platz­pro­blem habe das Mu­se­um auch heute noch. „Wir freu­en uns aber, wenn je­mand mit­bie­tet, der das Gerät zu schät­zen weiß und auch für die Öf­fent­lich­keit zu­gäng­lich macht“, sagt Schack. Das hofft auch der ehe­ma­li­ge CAU-Ser­vice­mit­ar­bei­ter Horst Holm. „Ich habe mein gan­zes Ar­beits­le­ben die­sen Ge­rä­ten ge­wid­met. Die Re­pa­ra­tur war auch nicht immer ganz ein­fach, wenn man sich al­lein die Ver­drah­tung mal an­schaut.“ Mit­bie­ten möch­te aber auch er nicht: „Ich habe mein ei­ge­nes klei­nes Com­pu­ter­mu­se­um be­reits zu Hause“, sagt Holm mit einem Lä­cheln.

Vi­deo­bei­trag zu die­sem Thema:

https://​videoportal.​rz.​uni-​kiel.​de/​Mediasite/​Play/​6f0​fede​fdd5​54bb​abac​e4e8​c977​7c7f​91d

Link zur Ver­stei­ge­rung bei Chris­tie’s:

https://​onlineonly.​christies.​com/​s/​firsts-​history-​computing-​paul-​g-​allen-​collection/​dec-​pdp-​10-​ki-​10-​mainframe-​computer-​125/​230064

 

 

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