So groß wie drei riesige Kleiderschränke mit tausenden Kabeln, hunderten Schaltern und Lampen: Das ist nur die Hälfte eines Computers, der ab 1973 an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) im Einsatz war. Genau diese Hälfte versteigert derzeit das Auktionshaus Christie’s in New York. Der angebotene PDP-KI10 mit der Seriennummer 676 war Teil eines Doppelsystems an der CAU. „Der Computer war damals wirklich etwas Besonderes. Das war ein sehr leistungsfähiges System“, erinnert sich Horst Holm. Der 81-Jährige war 33 Jahre lang Servicemitarbeiter an der Uni Kiel und hat auch den Rechner 676 gewartet, der jetzt versteigert wird. „Das Ganze war ein Timesharing-System. Da konnte man viele Leute über einzelne Terminals dransetzen, die gleichzeitig gearbeitet haben. Sie haben ihre Programme geschrieben und über den Rechner laufen lassen“, sagt Holm. Das System wurde nach neun Jahren ausgemustert und durch ein neueres abgelöst. Der gesamte Rechner landete zunächst in einem Lagerraum der Uni und später im Bestand der Computerschausammlung der Fachhochschule (FH) Kiel, dem Grundstock des heutigen Computermuseums. Einige Jahre später fand ein Teil des Systems den Weg in die USA, zu Microsoft-Mitgründer Paul Allen.
Platzprobleme führen zur Aufteilung
2009 begann die Fachhochschule Kiel mit den Planungen für das Computermuseum in einem ehemaligen Luftschutzbunker auf dem Campus. Markus Schack, der heutige Leiter des Museums, stieß dabei mit seinem Team auch auf den ehemaligen CAU-Rechner. „Wir wollten den Rechner auf jeden Fall behalten, weil er exemplarisch zeigt, wie Großrechner für einzelne Nutzerinnen und Nutzer zugänglich wurden. So wie wir es heute kennen. Allerdings bestand die Anlage aus sehr vielen Modulen, die nicht in unsere Räume passten. Wir haben also entschieden, nur einige der Schränke auszustellen“, erklärt Schack. Das Team der Computerschausammlung teilte daher das Doppelsystem und behielt Teile des Rechners mit der Seriennummer 587. Sie sind seit der Eröffnung 2011 im Museum ausgestellt. Der ausgemusterte Teil kam zu einem Sammler in Deutschland und in den 2010er-Jahren in das Living Computer Museum des Multimilliardärs und Microsoft-Mitgründers Paul Allen in Seattle.
Der Rechner 676 hatte das Interesse Allens erweckt, weil er zusammen mit Bill Gates an einem baugleichen Modell die Grundlagen für die erste kommerzielle Software von Microsoft geschaffen hatte: Allen und Gates hatten in den späten 1960er-Jahren während ihrer High-School-Zeit in Seattle Programme in den Sprachen BASIC und FORTRAN auf dem Rechner geschrieben. Anfang der 1970er nutzten sie das gleiche Computermodell an der Harvard University. Um die Geschichte seiner Softwareentwicklung zu bewahren, erwarb Paul Allen den Rechner.
Ein Stück Computergeschichte aus Kiel unterm Hammer
„Als der Computer ankam, wollte Paul Allen ihn sofort sehen“, erinnert sich Stephen Jones, der Senior Manager für Restaurierung und Sammlung des Museums, in einem Artikel des Auktionshauses Christie’s. Paul Allen habe persönlich viel Zeit investiert, um den Rechner zu restaurieren und wieder zum Laufen zu kriegen. Nach Allens Tod 2018 musste das Museum allerdings schließen. Christie’s versteigert jetzt die Exponate in einer Onlineauktion bis zum 12. September. Den Wert des Rechners aus Kiel schätzt das Auktionshaus auf 30.000 bis 50.000 USD.
„Ich freue mich sehr, dass der Rechner jetzt eine solche Aufmerksamkeit bekommt“, sagt Markus Schack mit Blick auf die andere Hälfte des ehemaligen CAU-Rechners in seinem Computermuseum an der FH Kiel. „Das zeigt auch, dass wir hier eine qualitativ hochwertige Sammlung haben.“ Mitbieten wolle er nicht, denn ein Platzproblem habe das Museum auch heute noch. „Wir freuen uns aber, wenn jemand mitbietet, der das Gerät zu schätzen weiß und auch für die Öffentlichkeit zugänglich macht“, sagt Schack. Das hofft auch der ehemalige CAU-Servicemitarbeiter Horst Holm. „Ich habe mein ganzes Arbeitsleben diesen Geräten gewidmet. Die Reparatur war auch nicht immer ganz einfach, wenn man sich allein die Verdrahtung mal anschaut.“ Mitbieten möchte aber auch er nicht: „Ich habe mein eigenes kleines Computermuseum bereits zu Hause“, sagt Holm mit einem Lächeln.
Videobeitrag zu diesem Thema:
https://videoportal.rz.uni-kiel.de/Mediasite/Play/6f0fedefdd554bbabace4e8c9777c7f91d
Link zur Versteigerung bei Christie’s: