Die Weisheit, dass viele Köche den Brei verderben, gilt auch für das Bauwesen. Je mehr Gewerke an der Planung und Ausführung eines Bauprojekts beteiligt sind, desto größer ist auch die Wahrscheinlichkeit, dass etwas nicht klappt. Der wesentliche Grund dafür liegt für Prof. Dr.-Ing. Peter Rozsar in den hohen Ansprüchen an Kommunikation: „Jede Änderung in einer Planung hat vielfältige Folgen, und die müssen kommuniziert werden. Deshalb ist es so wichtig, dass alle Beteiligten gemeinsam an einem Projekt arbeiten und sich fortlaufend miteinander austauschen – damit alle immer den gleichen, aktuellen Stand haben und Fehler vermeiden werden.“ Die Methode des Building Information Modeling (BIM) kann dazu beitragen, dass viele Köche etwas sehr Geschmackvolles kredenzen.
Das BIM kombiniert – im besten Fall – alle relevanten Daten, die bei der Planung und dem Bau anfallen. Das schließt die Modelle von Architekt*innen, die Berechnungen von Statiker*innen sowie die Planung von Elektriker*innen und Installateur*innen für Wasser und Heizung mit ein. Ihnen allen stehen in einem BIM alle Informationen zur Verfügung. „Dabei können – und sollten – auch detaillierte Informationen in das Modell einfließen“, erklärt Peter Rozsar. „Per Klick auf ein Fenster im BIM weiß man dann beispielsweise, dass es sich um Holzfenster mit Sonnenschutz und Doppelverglasung eines bestimmten Herstellers handelt, in welche Richtung sie sich öffnen lassen und wie viel Lichteinfall sie erlauben.“
Aus dieser Informationsfülle ergeben sich vielfältige Möglichkeiten bei der Planung. „Ein Fenster im BIM ist eine Entität. Innerhalb des Modells verhält es sich wie ein reales Fenster“, weiß Rozsar. Das kommt beispielsweise in Simulationen zum Tragen, bei denen auch Klimafaktoren wie Temperatur und Lichteinfall einfließen. Das BIM erlaubt es so, mit der Position des Bauwerks zu experimentieren, um möglichst viel Tageslicht in ein Gebäude zu bringen oder die Leistung der Heizungsanlage so anzupassen, dass diese möglichst energieeffizient arbeitet.
„Ein BIM-Modell wächst während der Planung, Herstellung und während des Betriebs eines Bauwerks. Durch zusätzliche Informationen bringt es vor allem dem Facility Management, bei Wartungen wie Bauwerksprüfungen große Vorteile“, weiß der Professor für konstruktiven Ingenieurbau mit dem Schwerpunkt digitale Methoden. So zeigt das BIM bei der regelmäßigen Inspektion von Brücken nicht nur exakt die Position der zu prüfenden Stellen, sondern durch bei bisherigen Prüfungen hinterlegte Bilddaten, wie sich ein Schaden an dem Bauwerk entwickelt hat. So lassen sich durch BIM auch im Vorfeld Schlüsse ziehen, wie sich ein Bauwerk unter bestimmten Gegebenheiten entwickeln wird.
Doch auch an anderer Stelle kann das BIM bei der Betreuung eines Bauwerks unterstützen. „Für die Haustechnik ist die Option des ‚predictive maintenance‘ eine große Unterstützung“, führt Rozsar aus. „Da für alle Entitäten eines Gebäudes vielfältige Daten hinterlegt sind, weiß die Haustechnik bereits im Vorfeld, wann Komponenten das Ende ihrer Lebensdauer erreichen werden. So können der vorzeitige Austausch eingeleitet und teure Schäden vermieden werden.“ Durch weitere Informationsebenen kann das BIM über die gesamte Lebensdauer eines Bauwerks weiteren Nutzen entfalten. So kann eine Hausverwaltung im BIM Daten von Bewohnern hinterlegen und sich durch das Modell bei der Vermittlung freier Wohneinheiten unterstützen lassen.
Doch der Nutzen von BIM geht auch über die Lebensdauer eines Gebäudes hinaus, erklärt Peter Rozsar: „Der Abbruch eines Gebäudes wird durch BIM viel koordinierter, effektiver und sicherer, da durch die zur Verfügung stehenden Informationen klar ist, wo sich Schadstoffe befinden und welche Mengen anfallen. Auch wird durch die genauen Bezeichnungen der Baustoffe ein Recycling vieler Materialien ermöglicht.“ Bei all den Vorteilen ist der Professor allerdings sicher, dass BIM ‚nur‘ eine wichtige Unterstützung ist - ein praktisches Werkzeug, das die Erfahrung von Ingenieuren aber nicht ersetzen kann: „Die Daten des BIM sind wertvoll, aber man braucht auch ein Verständnis dafür, wie diese Daten entstehen und wie man sie interpretiert.“
Diese Einstellung vermittelt er auch seinen Studierenden, die er mit BIM und den Möglichkeiten der Methode schon früh vertraut macht. Dabei legt er großen Wert darauf, den Nutzen herauszustellen: „Die Studierenden sollen mit der BIM-Software keine Einfamilienhäuser in 3D konstruieren. Es geht darum, dass sie verstehen, wie unterschiedliche Faktoren beim Bau miteinander in Beziehung stehen, sich auswirken und wie man das Zusammenspiel bestmöglich dirigiert. Nur wenn sie verstehen, wie alles zusammenwirkt, können sie Fehler vermeiden, die in Bauprojekten immer hohe Kosten nach sich ziehen.“
Schließlich profitieren von BIM jedoch nicht nur die Bauherren und die planenden und ausführenden Gewerke. Rozsar kennt aus seiner beruflichen Tätigkeit noch einen weiteren wichtigen Vorteil der Methode: „Die Modelle und Simulationen helfen sehr, wenn es darum geht, die Öffentlichkeit und andere Stakeholder in Entscheidungsprozesse einzubinden. Mit BIM kann man plastisch zeigen, wie ein Neubau auf den Bestand auswirkt, wie Lärmemissionen auf ein Bauwerk wirken oder sogar, wie unterschiedliche Varianten eines Bauwerks sich in eine Umgebung einfügen. Die anschaulichen Simulationen sind einfach verständlicher als Zeichnungen und Pläne, und sie helfen dabei, Verständnis zu erzeugen und Entscheidungen schneller herbeizuführen.“