ein Mann im Portrait vor einer Glasfront© H. Börm

Buil­ding In­for­ma­ti­on Mo­de­ling er­mög­licht nach­hal­ti­ges Pla­nen, Bauen und Un­ter­hal­ten

von Joa­chim Kläschen

Die Weis­heit, dass viele Köche den Brei ver­der­ben, gilt auch für das Bau­we­sen. Je mehr Ge­wer­ke an der Pla­nung und Aus­füh­rung eines Bau­pro­jekts be­tei­ligt sind, desto grö­ßer ist auch die Wahr­schein­lich­keit, dass etwas nicht klappt. Der we­sent­li­che Grund dafür liegt für Prof. Dr.-Ing. Peter Roz­sar in den hohen An­sprü­chen an Kom­mu­ni­ka­ti­on: „Jede Än­de­rung in einer Pla­nung hat viel­fäl­ti­ge Fol­gen, und die müs­sen kom­mu­ni­ziert wer­den. Des­halb ist es so wich­tig, dass alle Be­tei­lig­ten ge­mein­sam an einem Pro­jekt ar­bei­ten und sich fort­lau­fend mit­ein­an­der aus­tau­schen – damit alle immer den glei­chen, ak­tu­el­len Stand haben und Feh­ler ver­mei­den wer­den.“ Die Me­tho­de des Buil­ding In­for­ma­ti­on Mo­de­ling (BIM) kann dazu bei­tra­gen, dass viele Köche etwas sehr Ge­schmack­vol­les kre­den­zen.

Das BIM kom­bi­niert – im bes­ten Fall – alle re­le­van­ten Daten, die bei der Pla­nung und dem Bau an­fal­len. Das schlie­ßt die Mo­del­le von Ar­chi­tekt*innen, die Be­rech­nun­gen von Sta­ti­ker*innen sowie die Pla­nung von Elek­tri­ker*innen und In­stal­la­teur*innen für Was­ser und Hei­zung mit ein. Ihnen allen ste­hen in einem BIM alle In­for­ma­tio­nen zur Ver­fü­gung. „Dabei kön­nen – und soll­ten – auch de­tail­lier­te In­for­ma­tio­nen in das Mo­dell ein­flie­ßen“, er­klärt Peter Roz­sar. „Per Klick auf ein Fens­ter im BIM weiß man dann bei­spiels­wei­se, dass es sich um Holz­fens­ter mit Son­nen­schutz und Dop­pel­ver­gla­sung eines be­stimm­ten Her­stel­lers han­delt, in wel­che Rich­tung sie sich öff­nen las­sen und wie viel Licht­ein­fall sie er­lau­ben.“

Aus die­ser In­for­ma­ti­ons­fül­le er­ge­ben sich viel­fäl­ti­ge Mög­lich­kei­ten bei der Pla­nung. „Ein Fens­ter im BIM ist eine En­ti­tät. In­ner­halb des Mo­dells ver­hält es sich wie ein rea­les Fens­ter“, weiß Roz­sar. Das kommt bei­spiels­wei­se in Si­mu­la­tio­nen zum Tra­gen, bei denen auch Kli­ma­fak­to­ren wie Tem­pe­ra­tur und Licht­ein­fall ein­flie­ßen. Das BIM er­laubt es so, mit der Po­si­ti­on des Bau­werks zu ex­pe­ri­men­tie­ren, um mög­lichst viel Ta­ges­licht in ein Ge­bäu­de zu brin­gen oder die Leis­tung der Hei­zungs­an­la­ge so an­zu­pas­sen, dass diese mög­lichst en­er­gie­ef­fi­zi­ent ar­bei­tet.

„Ein BIM-Mo­dell wächst wäh­rend der Pla­nung, Her­stel­lung und wäh­rend des Be­triebs eines Bau­werks. Durch zu­sätz­li­che In­for­ma­tio­nen bringt es vor allem dem Fa­ci­li­ty Ma­nage­ment, bei War­tun­gen wie Bau­werks­prü­fun­gen große Vor­tei­le“, weiß der Pro­fes­sor für kon­struk­ti­ven In­ge­nieur­bau mit dem Schwer­punkt di­gi­ta­le Me­tho­den. So zeigt das BIM bei der re­gel­mä­ßi­gen In­spek­ti­on von Brü­cken nicht nur exakt die Po­si­ti­on der zu prü­fen­den Stel­len, son­dern durch bei bis­he­ri­gen Prü­fun­gen hin­ter­leg­te Bild­da­ten, wie sich ein Scha­den an dem Bau­werk ent­wi­ckelt hat. So las­sen sich durch BIM auch im Vor­feld Schlüs­se zie­hen, wie sich ein Bau­werk unter be­stimm­ten Ge­ge­ben­hei­ten ent­wi­ckeln wird.

Doch auch an an­de­rer Stel­le kann das BIM bei der Be­treu­ung eines Bau­werks un­ter­stüt­zen. „Für die Haus­tech­nik ist die Op­ti­on des ‚pre­dic­ti­ve main­ten­an­ce‘ eine große Un­ter­stüt­zung“, führt Roz­sar aus. „Da für alle En­ti­tä­ten eines Ge­bäu­des viel­fäl­ti­ge Daten hin­ter­legt sind, weiß die Haus­tech­nik be­reits im Vor­feld, wann Kom­po­nen­ten das Ende ihrer Le­bens­dau­er er­rei­chen wer­den. So kön­nen der vor­zei­ti­ge Aus­tausch ein­ge­lei­tet und teure Schä­den ver­mie­den wer­den.“ Durch wei­te­re In­for­ma­ti­ons­ebe­nen kann das BIM über die ge­sam­te Le­bens­dau­er eines Bau­werks wei­te­ren Nut­zen ent­fal­ten. So kann eine Haus­ver­wal­tung im BIM Daten von Be­woh­nern hin­ter­le­gen und sich durch das Mo­dell bei der Ver­mitt­lung frei­er Wohn­ein­hei­ten un­ter­stüt­zen las­sen.

Doch der Nut­zen von BIM geht auch über die Le­bens­dau­er eines Ge­bäu­des hin­aus, er­klärt Peter Roz­sar: „Der Ab­bruch eines Ge­bäu­des wird durch BIM viel ko­or­di­nier­ter, ef­fek­ti­ver und si­che­rer, da durch die zur Ver­fü­gung ste­hen­den In­for­ma­tio­nen klar ist, wo sich Schad­stof­fe be­fin­den und wel­che Men­gen an­fal­len. Auch wird durch die ge­nau­en Be­zeich­nun­gen der Bau­stof­fe ein Re­cy­cling vie­ler Ma­te­ria­li­en er­mög­licht.“ Bei all den Vor­tei­len ist der Pro­fes­sor al­ler­dings si­cher, dass BIM ‚nur‘ eine wich­ti­ge Un­ter­stüt­zung ist - ein prak­ti­sches Werk­zeug, das die Er­fah­rung von In­ge­nieu­ren aber nicht er­set­zen kann: „Die Daten des BIM sind wert­voll, aber man braucht auch ein Ver­ständ­nis dafür, wie diese Daten ent­ste­hen und wie man sie in­ter­pre­tiert.“

Diese Ein­stel­lung ver­mit­telt er auch sei­nen Stu­die­ren­den, die er mit BIM und den Mög­lich­kei­ten der Me­tho­de schon früh ver­traut macht. Dabei legt er gro­ßen Wert dar­auf, den Nut­zen her­aus­zu­stel­len: „Die Stu­die­ren­den sol­len mit der BIM-Soft­ware keine Ein­fa­mi­li­en­häu­ser in 3D kon­stru­ie­ren. Es geht darum, dass sie ver­ste­hen, wie un­ter­schied­li­che Fak­to­ren beim Bau mit­ein­an­der in Be­zie­hung ste­hen, sich aus­wir­ken und wie man das Zu­sam­men­spiel best­mög­lich di­ri­giert. Nur wenn sie ver­ste­hen, wie alles zu­sam­men­wirkt, kön­nen sie Feh­ler ver­mei­den, die in Bau­pro­jek­ten immer hohe Kos­ten nach sich zie­hen.“

Schlie­ß­lich pro­fi­tie­ren von BIM je­doch nicht nur die Bau­her­ren und die pla­nen­den und aus­füh­ren­den Ge­wer­ke. Roz­sar kennt aus sei­ner be­ruf­li­chen Tä­tig­keit noch einen wei­te­ren wich­ti­gen Vor­teil der Me­tho­de: „Die Mo­del­le und Si­mu­la­tio­nen hel­fen sehr, wenn es darum geht, die Öf­fent­lich­keit und an­de­re Sta­ke­hol­der in Ent­schei­dungs­pro­zes­se ein­zu­bin­den. Mit BIM kann man plas­tisch zei­gen, wie ein Neu­bau auf den Be­stand aus­wirkt, wie Lärm­emis­sio­nen auf ein Bau­werk wir­ken oder sogar, wie un­ter­schied­li­che Va­ri­an­ten eines Bau­werks sich in eine Um­ge­bung ein­fü­gen. Die an­schau­li­chen Si­mu­la­tio­nen sind ein­fach ver­ständ­li­cher als Zeich­nun­gen und Pläne, und sie hel­fen dabei, Ver­ständ­nis zu er­zeu­gen und Ent­schei­dun­gen schnel­ler her­bei­zu­füh­ren.“

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