Anita Gruber© L. Steinbrecher

BotschafterInnen gefordert

von viel.-Redaktion

Anita Gruber arbeitet schon seit vielen Jahren als Lehrkraft für besondere Aufgaben am Fachbereich Soziale Arbeit und Gesundheit. Schwerpunkte ihrer Forschungs- und Lehrtätigkeit sind die Interkulturelle Arbeit mit Kindern und Jugendlichen und Interkulturelle Kompetenz. Die Diplom-Pädagogin ist verantwortlich für das Lehrmodul „Migration und Bildung“ mit dem die FH künftig MigrationsbotschafterInnen“ ausbilden möchte. Wie das Ganze funktioniert? Frauke Schäfer hat für viel. nachgefragt.

An wen richtet sich das Modul „Migration und Bildung“?

Unsere Hauptzielgruppe sind Studierende mit Migrationshintergrund, wobei wir Studierende ohne Migrationshintergrund auch nicht ausschließen, aber das Lehrmodul zielt vor allem auf die andere Gruppe ab. Wir wollen diese Studierenden dafür qualifizieren, Schüler und Schülerinnen mit Migrationshintergrund im Hinblick auf eine Hochschullaufbahn zu beraten.

Warum besteht an dieser Stelle Beratungsbedarf?

Der Anteil von Studierenden mit Migrationshintergrund ist an den Hochschulen statistisch gesehen sehr gering. Noch seltener besuchen diejenigen eine Hochschule, die in Deutschland aufgewachsen sind. Bildungsstudien erklären dies damit, dass bei den Migrantenfamilien oder auch bei den Schülern und Schülerinnen mit Migrationshintergrund zu wenig Informationen über die Hochschulzugänge vorhanden sind. Außerdem gibt es ohnehin eine Hemmschwelle: „Trau ich mir das zu, kann ich das?“ Auch das Wissen um die Durchlässigkeit unseres Bildungssystems, d.h. dass auch mit einem Realschulabschluss oder sogar mit einem Hauptschulabschluss ein Studium möglich ist, ist in Migrantenfamilien gar nicht vorhanden.

Wie und wo wollen Sie die Betroffenen informieren?

Vor allem in Schulen und auf Bildungsmessen. Wir setzen aber auch auf die Kooperation mit den Selbstorganisationen, wie der Türkischen Gemeinde oder dem Alevitischen Kulturverein, also dort, wo die Familien, Kinder und Jugendlichen vor Ort sind. Die Beratungstätigkeit soll in der Kernregion Kiel ausgeübt werden, dazu gehören auch Schulen und Einrichtungen in Neumünster sowie in den Kreisen Rendsburg-Eckernförde und Plön.

Es geht also nicht nur um neue Studierende für die FH Kiel?

Nein, dies ist keine Werbemaßnahme für die FH, es geht dabei um die deutsche Hochschullandschaft. Unser Vorhaben ist nicht nur auf Schleswig-Holstein beschränkt und schon gar nicht auf die FH Kiel.

Sie haben mittlerweile zwei Informationsveranstaltungen durchgeführt, um Studierende für das Modul zu gewinnen. Wie fiel die Resonanz aus?

Der Anmeldestand nach unseren Infoveranstaltungen hat mich positiv überrascht. Inzwischen haben sich 25 Studierende aus allen Fachbereichen, bis auf Agrarwirtschaft, verbindlich angemeldet. Davon sind 13 Studierende mit Migrationshintergrund. Ich finde das klasse. Wir müssen jetzt entscheiden, wie wir damit umgehen, weil wir uns eigentlich keine Obergrenze gesetzt haben. Wir werden noch nicht alle aufnehmen können, 16 reichen uns eigentlich. Aber alle, die sich angemeldet haben, werden auf jeden Fall berücksichtigt.

 

Wie wollen Sie die Studierenden qualifizieren?

Das Modul findet innerhalb der Interdisziplinären Wochen statt, zum ersten Mal im Wintersemester 2011/12. Mit diesem fachbereichsübergreifenden Modul möchten wir alle Fachbereiche erreichen. Die Studierenden werden in Rhetorik, Gesprächsführung und interkulturellen Kompetenzen geschult. Darüber hinaus vermitteln wir migrationstheoretische Grundlagen und auch Sachkompetenz im Hinblick auf die Hochschullandschaft der Bundesrepublik Deutschland, auf Hochschulzugangsmöglichkeiten und auf Finanzierungsmöglichkeiten des Studiums. Studierende mit Migrationshintergrund stammen häufig aus eher niedrigen sozialen Schichten. Sie sind stärker auf BAföG und ihren eigenen Verdienst angewiesen, um die geringere finanzielle Unterstützung durch ihre Eltern zu kompensieren.

Wie erklären Sie sich das große Interesse an dem Programm?

Das ist eine spannende Frage. Ich würde sagen, zum einen zeigt es, dass das Thema wirklich aktuell ist. Zum anderen, glaube ich, zeigt es auch, dass die Studierenden mit Migrationshintergrund aufgrund ihrer eigenen Bildungsbiografie schon sehr viel damit verbinden können. Außerdem lässt sich die Attraktivität noch dadurch erklären, dass die Inhalte des Moduls auch einen Wert für die eigene Persönlichkeitsbildung haben. Die Studierenden lernen etwas, das einen Sinn ergibt, egal in welchem Studienfach. Und es zeigt eine große Bereitschaft der Studierenden, an dieser Stelle auch ehrenamtlich aktiv zu werden, was mich besonders freut.

Aber für die Teilnahme am Modul wird es doch Creditpoints geben, oder?

Ja, die Studierenden bekommen fünf Creditpoints, das ist nicht besonders viel. Die Anerkennung ist auch noch offen. Es gibt nach wie vor einige Fachbereiche – leider gehört selbst unserer dazu –, die diese fachbereichsübergreifenden Module laut Prüfungsordnung noch nicht anerkennen können, weil die Änderungen an dieser Stelle noch nicht stattgefunden haben. Die Studierenden bekommen die Creditpoints zwar bestätigt, aber für ihr Studium selbst keine Entlastung. Insofern ist es für mich auch ein Stück weit Ehrenamt. Die eigentliche Arbeit folgt ja auch erst, wenn die Studierenden das Modul in der Theorie absolviert haben. Wir machen eine Modulprüfung und dann gehen sie in die praktische Tätigkeit, die viel Zeit in Anspruch nehmen wird. Ein Plus ist aber, dass diese Tätigkeit von der FH supervidiert wird. Die Studierenden werden also nicht allein gelassen und ich glaube, das ist schon ein ganz gutes Gesamtpaket.

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