Drei Wochen ist es her, dass die 60. Präsidentschaftswahlen in den USA für Donald Trump ausgegangen sind. Seither vergeht kein Tag, an dem er nicht Thema in den Nachrichten ist. Was die Rückkehr des Republikaners ins Weiße Haus bedeutet, skizziert Dr. Harm Bandholz, Professor für Volkswirtschaftslehre und internationale Wirtschaftspolitik an der FH Kiel, im Interview.
Hätten Sie damit gerechnet, das Donald Trump am 5.11. ein zweites Mal die Präsidentschaftswahl gewinnen würde und sich gegen Kamala Harris durchsetzt?
Dass Donald Trump die Wahl nochmal gewinnen könnte, hatte sich schon im Laufe des Jahres abgezeichnet. Man muss allerdings sagen, dass es zwischenzeitlich mit dem Wechsel von Joe Biden zu Kamala Harris durchaus Hoffnung gab, dass wir eine zweite Amtszeit von Donald Trump vermeiden könnten. Am Ende war es den Umfragen nach auf Messers Schneide. Von daher ist es zwar überraschend, wie deutlich Donald Trump die Wahl gewonnen hat, aber der Umstand, dass er gewonnen hat, nicht.
So eindeutig, wie es in den ersten Stunden der Auszählung aussah, war der Wahlerfolg Trumps doch aber gar nicht.
Man muss eingestehen, dass Donald Trump eine deutliche Mehrheit der insgesamt abgegebenen Stimmen geholt hat. Das Plus von 2,5 Millionen ist nicht nur der größte Vorsprung, den ein republikanischer Kandidat seit 1988 einfahren konnte. Es ist überhaupt erst das zweite Mal seit den späten 1980er Jahren, dass ein Republikaner die Popular Vote gewinnen konnte – das einzige andere Mal war das Bush Jr. 2004 nach dem Terrorangriff von 9/11. In all den anderen Jahren haben die Demokraten die Mehrheit der Stimmen bekommen, auch wenn sie nicht immer den Präsidenten gestellt haben.
Woran hat es gelegen, dass Kamala Harris die Wählerinnen und Wähler nicht überzeugen konnte?
An einer Antwort arbeiten die Wahlforscher noch. Aus ökonomischer Sicht muss man sagen, den USA geht es sehr gut, vor allem im Vergleich zu Deutschland. Trotzdem haben die Wähler es Joe Biden übelgenommen, dass die Inflationsrate so hoch war. Das war nämlich ein Problem, auf das die aktuelle Regierung keine Antwort hatte, auch wenn sie daran aus meiner Sicht keine Schuld trug. Doch das war den Wählern egal. Der zweite Punkt war, dass Trump die Migrationsentwicklung in den USA erfolgreich zum Thema gemacht und viele Wähler damit angesprochen hat. Und vielleicht waren viele amerikanische Wähler schlichtweg auch nicht bereit für eine Präsidentin mit indisch-jamaikanischen Wurzeln.
Zu guter Letzt muss man festhalten, dass Kamala Harris kaum ein eigenes Profil hatte. Sie ist mit einer „Ich bin nicht Trump“-Agenda angetreten, hat aber wenig eigene Vorschläge gemacht. Das war möglicherweise auch dem geschuldet, dass sie relativ kurzfristig zur Kandidatin ernannt wurde. Aber vielleicht war es auch einfach ihre Taktik, von der sie dachte, das würde zum Wahlsieg ausreichen. Hat es aber nicht.
Aber warum hat Trump auch bei den Wählerinnen und Wählern der Minderheitengruppen so viele Stimmen holen können?
Das ist auf den ersten Blick sicherlich eine Überraschung. Mit dem Shift zu Kamala Harris sah es zumindest in den Umfragen so aus, dass die Afro-Amerikaner doch verstärkt die Demokraten wählen. Aber ein anderer wichtiger Punkt, den wir nicht vergessen dürfen, ist die Religion. Trump steht in der republikanischen Partei für die erzkonservativen Christen. Und da die Hispanics sehr gläubig sind, wählen viele von ihnen Trump, weil sie glauben, dass er der bessere religiöse Kandidat ist – auch wenn sich seine Anti-Migrationspolitik vornehmlich gegen sie richtet.
Was bedeutet die Präsidentschaft Trumps für die Beziehung zwischen den USA und Deutschland?
Trump hat schon in seiner ersten Amtszeit gezeigt, dass er offensichtlich ein Problem mit Deutschland hat. Der größte außenpolitische „Gegner“ für die USA ist China, aber dann kommt auch schon bald Deutschland. Wie es nun wirklich weitergeht, hängt sicherlich auch von der deutschen Politik ab, möglicherweise gibt es einen Bundeskanzler, mit dem Trump besser klarkommt als seinerzeit mit Angela Merkel. Ich bezweifle das allerdings.
Es geht Trump darum, amerikanische Stärke zu demonstrieren, und er möchte, dass die anderen Länder vor ihm einknicken und machen, was er gern möchte. Natürlich sind die USA das größte Land der Welt und einer der wichtigsten Handelspartner für die meisten europäischen Länder. Von daher gibt es eine wirklich starke Verhandlungsmacht, die Trump gern ausspielt. Die einzige Chance, die Deutschland in diesem Kontext hat, ist zu versuchen, die wichtigen europäischen Nachbarländer zu vereinen und mit geschlossener Stimme aufzutreten. Ansonsten läuft man Gefahr, dass Trump uns gegeneinander ausspielt und jedes einzelne Land klein hält.
Worauf muss sich die deutsche Wirtschaft einstellen?
Wirtschaftspolitisch gehen von der Wahl Trumps einige Risiken für Deutschland und Europa aus. Das prominenteste Beispiel sind die Zölle, die Trump gegen alle Länder einführen möchte – zehn Prozent oder 20 Prozent. Meine Auffassung dazu ist, dass wir mit einem zehnprozentigen Zoll klarkommen würden. Natürlich gibt es einige Unternehmen, die davon überdurchschnittlich stark betroffen sind – für die ist es eine echte Herausforderung, sich anzupassen. Aber aus ökonomischer Sicht ist ein zehnprozentiger Zoll vergleichbar mit einer zehnprozentigen Aufwertung des Euro gegenüber dem Dollar. Und ein solches Niveau hatten wir schon, ohne dass die deutsche Wirtschaft daran zerbrochen wäre. Die Zölle würden unsere Wettbewerbsposition schwächen, aber ich glaube wie die meisten anderen Volkswirte, dass der größte Leidtragende dieser Zölle eigentlich der amerikanische Konsument sein wird.
Potenziell schlimmer als die Zölle, ist diese Unsicherheit, die von Trump ausgeht. Man weiß nie genau, was er als nächstes macht. Das ist etwas, was die Unternehmen noch weniger mögen als zum Beispiel die Gewissheit, dass demnächst Zölle in Höhe von zehn Prozent eingeführt werden.
Gibt es Branchen, die besonders stark betroffen sind?
Letztlich leiden alle die Firmen und Branchen, die einen besonders großen Anteil ihrer Umsätze im Ausland und in den USA erwirtschaften, unter Zöllen und Unsicherheit. Dabei darf man aber nicht vergessen, dass die größten Probleme, unter denen die deutschen Unternehmen gerade leiden, hausgemacht sind. Wenn wir die lösen, kommen wir auch besser mit einem Donald Trump im Weißen Haus zurecht.
Wie sieht es für die deutschen Anleger aus – müssen sie sich Sorgen um ihre Investments machen?
Die Reaktion der Finanzmärkte direkt nach der Wahl ging in die erwartete Richtung: Die Anleger sind aktuell sehr froh über die Wahl von Donald Trump. Das liegt eben daran, dass ein Teil seiner Agenda darin besteht, die Unternehmenssteuern weiter zu senken, die Märkte zu deregulieren – das ist etwas, was Finanzmärkte und Finanzinvestoren mögen. Trump möchte auch die Krypto-Industrie stärken, die USA zur Krypto-Hauptstadt der Welt machen. Entsprechend ist der Bitcoin auch gut gelaufen. Mittelfristig gibt es allerdings durchaus Risiken, welche die Märkte aus meiner Sicht bislang nicht eingepreist haben. Wenn zum Beispiel die Zölle tatsächlich eingeführt werden, dann ist das etwas, was nicht nur ausländischen Unternehmen, sondern auch einigen amerikanischen Produzenten schadet. Denn für sie werden importierte Rohstoffe und Zwischenleistungen teurer, und zudem dürfte der US-Dollar aufwerten. Auch der Konsum wird nachlassen. Das könnte also eine Art Wendepunkt sein, an dem die Finanzmärkte zumindest mal stärker darüber nachdenken, was Trump für sie eigentlich bedeutet.
Langfristig, das ist über 2025 hinaus, birgt die Agenda von Donald Trump erhebliche Inflationsrisiken. Dauerhaft höhere Inflationsraten könnten ein weitere Grund dafür sein, dass die Stimmung an den Finanzmärkten kippt.
Was sind das für Inflationsrisiken?
Die Inflationsrisiken, die von Trumps Agenda ausgehen, sind vielfältig. Zölle treiben die Preise im Inland, die Staatsverschuldung wird steigen, denn die geplanten Steuereinnahmen werden nicht durch die Einnahmen aus höheren Zöllen gedeckt werden. Zudem sollten die Steuersenkungen die Wirtschaft ankurbeln, was möglicherweise dazu führt, dass die US-Wirtschaft überhitzt.
Normalerweise würde die US-Notenbank auf eine solche Entwicklung mit Zinsanhebungen reagieren. Doch genau das ist etwas, was Donald Trump gar nicht gefällt. Er möchte nicht, dass die Fed sein schönes wirtschaftspolitisches Programm durch zu hohe Zinsen bremst. Zu diesem Zweck wird er versuchen, die Unabhängigkeit der Notenbank einzudämmen. Und das ist aus meiner Sicht eines der ganz großen Risiken. Wenn Trump das schaffen sollte, birgt das nämlich mittelfristig die wohl größten Inflationsgefahren. Vom Zeitplan her, könnte Trump diesen Schritt spätestens 2026 machen, wenn die Amtszeit vom aktuelle Fed Chair Jay Powell ausläuft. Allerdings ist im Gespräch, dass Trump bereits vorher einen Schattenmann installiert, der in den FOMC-Sitzungen die Strippen zieht und dafür sorgt, dass Powell in seinen letzten Amtsmonaten eine, wie der Amerikaner sagt, „lame duck“ ist und Trumps Politik durchsetzt.
Wenn man sich die ersten Besetzungen der Ministerposten durch Donald Trump anschaut und seine Ankündigung hört, er werde wie ein Diktator regieren – wie groß muss unsere Sorge um die Demokratie in Amerika sein?
Sie wächst. Das muss man klar sagen. Trump hat keinen Hehl daraus gemacht, dass es nach dem Wahlsieg auch darum gehen wird, sich an politischen Gegnern zu rächen. Da können einem schon Schauer über den Rücken laufen. Es geht um politische Säuberungen des Justizministeriums, alle Leute, die gegen ihn waren, möchte er rauskehren, auch unter dem Vorwand des Bürokratieabbaus.
Wie in Deutschland gibt es zwar auch in den USA eine Dreiteilung der Gewalten. Den obersten Gerichtshof haben die Republikaner aber schon seit Trumps erster Amtszeit und zwar relativ deutlich, im Weißen Haus regiert Trump, und im Kongress wird sich spätestens nach dem beeindruckenden Wahlsieg von Trump, in dessen Sog die Republikaner auch das Repräsentantenhaus gewonnen haben, keiner trauen, Trump zu widersprechen. De facto ist es daher also so, dass Trump mit absoluter Mehrheit regieren kann. Und man muss ehrlich sagen, dass es schwer zu prognostizieren ist, wie weit er diese Macht ausreizen möchte. Im Moment glaube ich noch daran, dass die Verfassung aufrechterhalten wird – nicht zuletzt, weil viele Konservative daran festhalten wollen. Aber man hat gesehen, dass Trump mit all seinen Thesen, egal wie radikal sie bisher waren, Erfolg gehabt hat und mit einer deutlichen Mehrheit gewählt wurde.
Könnte so ein Szenario auch auf Deutschland überschwappen?
Nicht zuletzt aufgrund unserer Geschichte ist die große Mehrheit der deutschen Wähler natürlich sehr wachsam, wenn sich solche Tendenzen abzeichnen. Aber man kann nicht leugnen, dass wir in den letzten Jahren von den Wahlergebnissen her zumindest in die Richtung gegangen sind. Ich glaube trotzdem, dass wir deutlich weiter von einer solchen Entwicklung entfernt sind, als es in den USA der Fall ist, weil zum einen der Unterschied zwischen den Parteien in Deutschland – auch wenn man vielleicht aktuell nicht den Eindruck hat – deutlich kleiner ist als die Kluft zwischen Demokraten und Republikanern und zum anderen auch die Kluft zwischen den Wählern in Deutschland deutlich geringer ist als in den USA.
Der Wechsel des Präsidenten in Washington steht im Januar an – wie sehen Sie dem Tag entgegen?
Die zweite Amtszeit von Trump wird am 20. Januar beginnen und ich will keinen Hehl daraus machen, dass ich diesem Tag nicht besonders entgegenfiebere. Aus rein wirtschaftlicher Sicht werden wir auch die zweiten vier Jahre unter Trump überstehen können. Meine größeren Sorgen beziehen sich eher auf ethnische und politische Fragen. Trumps Beispiel könnte weiter Schule machen, zeigt er doch, dass man mit einer wenig staatsmännischen Art Karriere machen kann und Wahlen sogar verhältnismäßig hoch gewinnt, indem man bestimmte Wählergruppen radikal anspricht. Dass das in Deutschland in dem Maße passiert, erwarte ich derzeit noch nicht, aber es reicht ja auch, wenn es zunächst unsere Nachbarländer trifft. Extreme Meinungsmacher würden immer stärker ermutigt und irgendwann schwappt es dann vielleicht doch zu uns rüber. Das ist meine ganz große politische Sorge bezüglich der zweiten Amtszeit von Donald Trump. Und aus geopolitischer Sicht ist es natürlich der Kurs der künftigen US-Regierung bezüglich der Ukraine. Hier sehe ich für Europa erhebliche Gefahren, sollten sich die USA sich aus dieser Koalition zurückziehen.
Vielen Dank für das Gespräch.