Wenn Awais Ahmed heute von seiner Schulzeit erzählt, lacht er viel. Doch der Bildungsweg des Sohnes pakistanischer Eltern war keinesfalls gerade und eben, sondern voller Hindernisse: „Ich war als Grundschüler laut und aktiv“, erinnert sich Ahmed an die Anfänge in Kappeln. Trotz durchschnittlicher Noten sprach die Grundschule lediglich eine Empfehlung für die Hauptschule aus. „Alle meine Freunde hatten eine Empfehlung für das Gymnasium“, so der 28-Jährige. Seine Eltern waren mit dieser Empfehlung nicht einverstanden und dachten nicht daran, ihr zu folgen. Eine Entscheidung für die Ahmed heute dankbar ist: „Zum Glück glaubten meine Eltern an mich.“
An der Realschule hatte er vorranging ein Ziel: „Ich wollte ein Jahr ‚überleben‘ und nicht wegen Dummheiten fliegen.“ Doch tatsächlich musste Ahmed wegen schlechter Noten und Dummheiten zurück an seine Grundschule, die zudem die örtliche Hauptschule war. „Es war furchtbar, die Blicke und Sprüche der Lehrerinnen erdulden zu müssen“, erinnert sich Ahmed. Über die Zeit bis zum Hauptschulabschluss sagt er: „Ich hatte das Gefühl, die Lehrkräfte hätten keine Lust auf ihren Job.“ Motivation und Förderung hätte er keine erfahren. „Die herrschende Grundhaltung war, so Ahmed, dass aus ihm und anderen nichts werden würde und sie keine Chance an einer Berufsschule hätten“, erinnert sich der Kappelner.
Dennoch ging Ahmed nach dem Abschluss der Hauptschule an eine Berufsschule, um dort seinen Realschulabschluss nachzuholen. „Ich hatte aufgrund des Klimas und der Aussagen an der Hauptschule natürlich Versagensängste“, sagt der Kappelner. „Es war jedoch ganz anders! Die Lehrkräfte waren wie Freunde, interessiert und unterstützend.“ Diese tolle Erfahrung habe viel in ihm angefacht. Kurz vor dem Abschluss habe er seine Lieblingslehrerin gefragt, ob sie glaube, dass er auch das Abitur schaffen könne. „Sie sagte mir, ganz ohne Herablassung, dass sie ihre Zweifel habe“, so Ahmed. Doch sein Ehrgeiz war geweckt. Er wollte es sich beweisen. „Ich hörte auf, im Unterricht zu stören, und lernte mehr.“ Der Ehrgeiz-Schub zahlte sich aus. „Ich hatte eine Reihe Einsen. Meine Lieblingslehrerin war nun überzeugt, dass ich das Abitur schaffen könnte“, erinnert er sich.
So kam es auch, und nach dem Abitur schrieb der Kappelner sich an der Christian-Albrechts-Universität für den Studiengang Volkswirtschaftslehre ein, der ihm jedoch aufgrund der vielen Theorie und des fehlendem Praxis-Bezugs nicht zusagte. Er beschloss aber, in Kiel zu bleiben und eine kaufmännische Ausbildung zu starten. Der Wunsch zu studieren jedoch blieb, und Ahmed geriet in seiner neuen Heimat in einen Freundeskreis, in dem viele an der FH Kiel studierten. „Sie erzählten viel Positives, vor allem von dem Studiengang Öffentlichkeitsarbeit und Unternehmenskommunikation“, so Ahmed. Er bewarb sich und wurde angenommen.
Heute studiert Ahmed im fünften Semester Öffentlichkeitsarbeit und Unternehmenskommunikation und bereut die Entscheidung nicht. „Alles ist sehr anwendungsbezogen. Man arbeitet in kleinen Kohorten, und die Dozierenden sind dabei sehr persönlich unterstützend“, sagt Ahmed, der noch eine Anekdote zur Praxisorientierung liefert: „Freunde, die bereits in meiner Branche arbeiten, erzählen von genau den Arbeitsschritten, die wir an der FH vorab lernen – der Praxisbezug räumt schon im Voraus Hürden aus, auf die wir später im Beruf treffen.“
Ahmed möchte andere ermutigen: „Grade jungen Leuten mit Migrationshintergrund oder solchen, die auf dem dritten Bildungsweg unterwegs sind, rate ich, nicht an negative Prognosen von Lehrkräften zu glauben.“ Ahmed ist wichtig zu betonen, dass er stolz ist, Deutscher zu sein, auch wenn er wisse, wie problematisch diese Aussage gelesen werden kann. „Ich schätze mich glücklich, in einem so tollen Land zu leben, das einem so viele Chancen bietet.“