Ein Mann© P. Knittler
Prof. Dr. Conrad Wiermann lehrt Pflanzenernährung und Bodenkunde am Fachbereich Agrarwirtschaft der FH Kiel.

Agroforst als Baustein ganzheitlicher Landwirtschaft

von Joachim Kläschen

Gefragt nach den Gründen, die für den Einsatz von Agroforst sprechen, muss Dr. Conrad Wiermann nicht lange überlegen. „Eine Verbesserung des Landschaftsbildes, mehr Biodiversität, besserer Gewässerschutz, stärkerer Klimaschutz und sogar Tierschutz“, zählt der Professor für Pflanzenernährung und Bodenkunde vom Fachbereich Agrarwirtschaft der Fachhochschule Kiel auf. Doch worum geht es eigentlich bei diesem System, das so viele Potenziale bietet, hierzulande allerdings weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit nur von wenigen Pionieren praktiziert wird.

Das Kunstwort ‚Agroforst‘ verweist auf die Begriffe Agrar- und Forstwirtschaft. „In der Regel werden in diesem Anbausystem Grenzstandorte, die keine hohen Erträge bringen, mit Gehölzen bepflanzt“, erklärt Wiermann. Dabei geht es allerdings nicht darum, mitten in einem ertragreichen Weizenfeld einen Eichenwald zu errichten, sondern Flächen, die beispielsweise aufgrund von Bodenbeschaffenheit, Lage oder hohem Grundwasserstand für eine intensive Bewirtschaftung ungeeignet sind, etwa mit Apfel- oder Birnbäumen zu bepflanzen. „Auch eine Bepflanzung mit Schwachhölzern wie Pappeln oder Weiden wäre im Sinne des Agroforst-Sytems“, führt der Professor aus.

Neben einem neuen Wirtschaftszweig, dem Verkauf von Obst oder Holzhackschnitzeln, bringen die Bäume weitere Vorteile mit sich, weiß Wiermann. „Der Bewuchs leistet einen Beitrag zum Gewässerschutz, da er Erosion verhindert. Das macht sich insbesondere in Hanglagen positiv bemerkbar. Darüber hinaus entziehen die Bäume der Atmosphäre das klimaschädliche Treibhausgas CO₂ und lagern es ein. An Tagen mit starker Sonneneinstrahlung finden Tiere in Agroforst-Systemen leichter Schatten. Wie Blühstreifen bieten Agroforst-Systeme zudem Lebensraum für Insekten und Kleintiere und tragen so zu einer Stärkung der Biodiversität bei.“

Allerdings müssen die Voraussetzungen stimmen, damit sich Agroforst sinnvoll einsetzen lässt – wobei sich, wie so häufig, Ökonomie und Ökologie gegenüberstehen. Wenn sich ein Landwirt für Agroforst entscheidet, tut er der Umwelt und damit der Gesellschaft grundsätzlich etwas Gutes. Aber wenn er dafür Flächen aus der produktiven Bewirtschaftung nimmt, muss er sich das auch leisten können. Selbst wenn die forstwirtschaftlich genutzte Fläche einen Ertrag abwirft, muss der Landwirt gut ein Jahrzehnt überbrücken, bis die Bäume Früchte tragen oder das Schwachholz schlagfertig ist.

Daher ist Agroforst in erster Linie ein Thema für Regionen, die Landwirte vor Herausforderungen stellen. „In Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg sind Böden sandig und trocken“, weiß Wiermann. „Hinzu kommt der Klimawandel, der die Erträge der etablierten Fruchtfolgen sinken lässt.“ Unter solch herausfordernden Bedingungen ist das Hemmnis, etwas Neues auszuprobieren, geringer. „In Schleswig-Holstein ist Agroforst auch deshalb noch kein großes Thema, weil wir hier überwiegend gute Acker- und Grünlandböden haben,“ schiebt Wiermann nach. Ohne finanzielle Anreize, etwa durch staatliche Prämien und Förderungen, wird das Anbausystem hierzulande – trotz aller Vorteile, die es mit sich bringt, weiterhin ein Nischendasein führen.

Allerdings gibt es auch in Schleswig-Holstein Pioniere, die mit Agroforst Erfahrungen sammeln und sich an positiven Effekten erfreuen. Als ein Beispiel nennt Wiermann die Unternehmung von Kherstin und Bert Riecken in Grossbarkau. Auf ihrem in der vierten Generation bewirtschafteten Eichhof wurden im Herbst 2020 insgesamt 1370 Bäume gepflanzt. Im Herbst 2021 kamen 67 hinzu. Von dieser Entscheidung profitiert langfristig nicht nur das Ökosystem sondern auch das Image – alle Produkte der Riekens werden als progressiv aufgewertet. Agroforst wird zu einem Gütesiegel, von dem Pioniere profitieren.

Während Agroforst mit seinen großen Potenzialen hierzulande noch eine Randerscheinung ist, hat sich das Anbausystem in anderen Ländern durchgesetzt. Als Beispiele für Regionen, in denen Land- und Forstwirtschaft Hand in Hand gehen, nennt Wiermann Costa Rica und Bolivien sowie Spanien. „In den Kaffeeplantagen sorgen große Bäume für Schatten und hemmen die Erosion. Das Iberische Schwein wird in Südwestspanien weitgehend pfleglos Kork- und Steineichenhainen gehalten – der luftgetrocknete iberischen Schinken gilt als Delikatesse.“

Und auch wenn das Thema Agroforst (noch) keinen festen Platz in den Curricula der Angebote des Fachbereiches Agrarwirtschaft hat, treibt es die Studierenden um. „Wenn interessierte Fragen zum Thema Agroforst kommen, gehe ich sehr gerne darauf ein. Eine zunehmende Anzahl von Studierenden setzt sich sogar in ihren Abschlussarbeiten mit Agroforst-Themen auseinander“, freut sich Wiermann.

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