ein Mann an der Eingangstür zur Universität in Oslo© M. Ruhm

Abschlussthesis auf „Europäisch“: European Project Semester in Oslo

von Marie Ohm

Malte Ruhm hat seinen Bachelor-Abschluss im Maschinenbau an der Fachhochschule Kiel in der Tasche. Seine Abschlussthesis schrieb er jedoch nicht in Kiel, sondern im Rahmen des durch Erasmus geförderten European Project Semesters an der Oslo Metropolitan University. Während seiner letzten Tage in Oslo sprach er mit Marie Ohm vom International Office über seine Erfahrungen.

Was ist das European Project Semester (EPS) und warum hast Du Dich dafür entschieden?

Das EPS ist ein über Erasmus gefördertes Projektsemester, das man an einer der europäischen Hochschulen absolvieren kann, die dem Netzwerk angehören. Es bereitet Studierende, insbesondere der Ingenieurswissenschaften, auf die Arbeit in multinationalen und interdisziplinären Teams vor. Sie arbeiten an realen Projekten, die gemeinsam mit lokalen Unternehmen, Forschungszentren oder Hochschulen durchgeführt werden. Als ich vom EPS erfuhr, stand es sofort fest, dass ich mich dafür bewerbe. Denn wenn man wie ich noch nicht länger im Ausland war, ist ein Auslandssemester die letzte Chance dazu vor dem Berufsleben.

19 europäische Hochschulen bieten die Teilnahme am EPS an. Warum hast du dich für die Oslo Metropolitan University (OsloMet) entschieden?

Mich hat der Ruf der skandinavischen Länder gereizt, dass dort mehr in Bildung investiert werde. Und Norwegen kannte ich von privaten Reisen. Ich mag die norwegische Landschaft. Tatsächlich habe ich die Natur um Oslo herum in meiner freien Zeit zum Skifahren und Mountain Biking genutzt. Schon am Stadtrand liegen Seen und Wälder. Sobald es wärmer wird, lernt man die „Outdoorliebe der Norweger*innen“ kennen. Es zieht sie dann nach draußen, und sie entspannen in Hängematten im Wald. Das habe ich gleich nachgemacht.

Wie und wo hast Du Dich vorbereitet?

Die Vorbereitung auf meine Zeit in Oslo war super. Die Mitarbeiterinnen des International Office der FH Kiel und der OsloMet haben mich sehr unterstützt. In Oslo standen uns der EPS-Koordinator und unser Projekt-Betreuer zur Seite. Da für die Teilnahme am EPS belastbare Englischkenntnisse (mind. B2) nötig sind, hatte ich zwei Semester lang die Kurse Englisch I und II am Zentrum für Sprachen und Interkulturelle Kompetenz (ZSIK) besucht. Dadurch erhielt ich gleich den Sprachnachweis für die Bewerbung. Das war super geregelt. Man sollte ausreichend Zeit dafür einplanen. Norwegisch zu lernen war keine Voraussetzung, aber das schadet bestimmt nicht.

Was war besonders an der Hochschule?

Aufgrund der Pandemie habe ich das reguläre Studieren an der OsloMet nicht erlebt. Erst in den letzten Wochen durften wir uns auf dem Campus aufhalten. Die Räumlichkeiten laden sehr zum Lernen und Verweilen ein. Es gibt viele gut ausgestattete Arbeitsplätze und eine angenehme Atmosphäre. Alle duzen sich, auch die Lehrenden mit den Studierenden, wodurch ein entspanntes Verhältnis entsteht.

Wie verlief das Projektsemester und wie war die Arbeit im europäischen Team?

Wir hatten eine Einarbeitungsphase von drei Tagen mit intensivem Teambuilding. Die war sinnvoll und hilfreich. Mein Team bestand aus drei Maschinenbauern, einem Mechatroniker und einer Energie-Ingenieurin. Wir kamen aus Belgien, Frankreich, Spanien und Deutschland und waren eine harmonische Gruppe. Die wenigen Differenzen, die wir hatten, hatten wir schnell ausdiskutiert. Kulturelle Unterschiede sind mir dennoch bewusstgeworden, insbesondere das „Deutschsein“. Das hat sich bei mir als Wunsch geäußert, Deadlines zu setzen. Ohne jetzt Stereotype bedienen zu wollen, war es bei meinen französischen Teamkolleg*innen tatsächlich so, dass sie in der Pause immer Baguettes aßen.
Es war toll, das Projektvorhaben selbstgestalten zu können. Der Rahmen war zwar vorgegeben, aber sehr unkonkret. Wir konnten im Team relativ frei entscheiden, in welche Richtung es gehen sollte. Das förderte das selbstständige Arbeiten. Unser Betreuer stand uns beratend zur Seite und hielt wöchentliche Meetings mit uns.

Und wovon handelte das Projekt?

Ursprünglich sollte das Projekt der Bau eines Service Vehicle sein, welches durch die Gruppe vor uns entwickelt wurde. Aber durch die Pandemie war das nicht möglich. Deshalb konzentrierten wir uns auf die mechanische Entwicklung eines Glider Recovery and Deployment System, um Messwerte zur Erforschung der Meere unter Wasser zu erheben. Unser Ziel war es, ein System zu entwerfen, das es Unmanned surface vessels (USV) ermöglicht, selbst einen Glider - eine Tauch-Drohne - einzusetzen und zu bergen. So wollten wir den autonomen Betrieb von Glidern erhöhen. Denn diese können nicht selbständig fahren, sondern müssen bisher von Hand gesteuert werden.

Oslo ist ja eine teure Stadt. Wie hast Du Dich finanziert?

Die Kosten in Oslo sind natürlich höher als in Kiel. Bio-Lebensmittel einzukaufen kostet ein Vermögen und Alkohol ist nicht bezahlbar, aber die Basislebensmittel sind preislich in Ordnung. Mein Wohnheimzimmer war etwas teurer als der Durchschnitt, aber das Erasmusstipendium hat meine Miete von ca. 460 EUR abgedeckt. Bei der Zimmersuche hilft die OsloMet übrigens.

Wie lief es nach dem Aufenthalt mit der Anerkennung der Leistungen?

Das EPS sollte im letzten Studiensemester absolviert werden. Dann wird das Projekt, zumindest am Fachbereich Maschinenwesen, mit 20 ECTS als Industrieprojekt, Thesis und Kolloquium anerkannt. Das hat bei mir einwandfrei geklappt, sodass ich nun fertig bin. Zusätzlich habe ich noch zwei Kommunikationskurse belegt.
 

Welche neuen Erfahrungen und Fähigkeiten helfen Dir für Deinen weiteren Werdegang?

Ich kann mich nun präziser auf Englisch ausdrücken, auch fachlich. Zudem habe ich gelernt, dass man in einem gemischten Team nicht von sich selbst und seinem Wissensstand ausgehen darf. Man darf nichts voraussetzen, da man seine eigene, auch kulturell geprägte (deutsche) Arbeits- und Sichtweise hat. Ich habe viel über mich und meine kulturelle Prägung reflektiert. Und wir haben gelernt, wirklich selbständig zu arbeiten. Das ist nicht nur vorteilhaft für das Berufsleben, quasi eine Generalprobe, sondern es tut auch gut, zu sehen, dass man Dinge selbst auf die Reihe bekommt. Ich bin jetzt noch begeisterter vom europäischen Gedanken und dankbar für diese Möglichkeit. Das EPS und Erasmus funktionieren gut und ich konnte so mit wenig Aufwand und Kosten wertvolle Erfahrungen im Ausland sammeln.

Welche Ratschläge hast Du für andere Studierende?

1. Nehmt bei eurem Auslandsaufenthalt alles mit – vor allem die Orientierungsveranstaltungen zu Beginn.
2. Bei Zweifeln, ob ihr fachlich ins EPS passt, fahrt dennoch. Es lässt sich alles mit den Betreuer*innen besprechen. Schaut euch auch die vergangenen Projekte auf der Homepage an!
3. EPS statt Kursprogramm: Die Gruppe ist kleiner und wie eine eigene Familie, und ihr sammelt super Praxiserfahrungen.

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