Entdeckendes Lernen
Mit dem Entdeckenden Lernen ist eine pädagogisch-didaktische Methode zur Wissensaneignung gemeint, die dem Lernenden die Entdeckung seiner Umwelt selbst ermöglicht. Der gedankliche Ansatz ist seit dem antiken Griechenland bekannt. Der Begriff: "Entdeckendes Lernen" wurde von dem Amerikaner Jérome Seymour Bruner (Psychologe geb. 1915) in der von ihm seit 1961 damit beeinflussten pädagogisch-didaktischen Diskussion geprägt.
Vorteil dieser Form des Lernens ist, dass die eigenständig erarbeiteten Erlebnisse und Erfahrungen in konkretem Bezug zur eigenen Lebenswelt der Lernenden stehen. Damit erfolgen neben dem Zuwachs an Kenntnissen und Erfahrungen die Stärkung des Selbstbewusstseins und dieses nicht nur aus den gelungenen Aufgaben heraus, sondern auch aus der konkreten Bewältigung von eigenen Alltagsfragen und -problemen.
„Entdeckendes Lernen heißt:
fragen nach dem, was mich beschäftigt,
verstehen wollen, was ich erfahren habe
mit anderen zusammen die Welt ein Stück entzaubern, um dabei immer neue Rätsel aufzutun.
Entdeckendes Lernen heißt: Sich auf den Weg machen, um die Dinge und Menschen um sich herum besser begreifen zu lernen.“ (Zocher, U. 2000)
Wichtig beim Entdeckenden Lernen ist die Fragestellung und das Verlangen auf Antworten nach eigenen Fragestellungen. So wird der Lernende zum Forschenden nach eigenen Zielen. Bei einer selbst gemachten Entdeckung festigen sich die Erfahrungen viel besser, als wenn die Lerninhalte nur kopiert und auswendig gelernt werden. Das 'Ich' Subjekt steht im Vordergrund. Bei dem Entdeckenden Lernen forscht das einzelne Kind, als auch Kindergruppen. Dabei werden soziale Kompetenzen gefördert, da gemeinsame Ziele im Vordergrund stehen. Hier spielen Eigenverantwortlichkeit, Zielgerichtetheit und Planung eine große Rolle. Bei dieser Lernform führen immer mehrere Wege zum Ziel und jede Person oder Gruppe muss ihren eigenen Weg finden. Der Pädagoge hat hierbei nur eine unterstützende und evtl. leitende Funktion.
Das Entdeckende Lernen kann nicht in ein Zeitschema eingeteilt werden. Die Ziele, die die Kinder erreichen, müssen sie erst entdecken und eigenständig erklären. Das ist sehr zeitaufwendig und es ist schlecht zu planen wie lange das einzelne Kind für einen solchen Prozess benötigt. Vorbereitende Aspekte sollten hierbei sein, dass Neugier, Selbstständigkeit und Motivation der Kinder dabei geweckt werden und sie eigenständig Aufgaben erkennen und bewältigen. Dabei muss auf die individuellen Fähigkeiten und Charaktereigenschaften der Kinder eingegangen werden.
In den meisten Kindergärten wird in der heutigen Zeit ein großer Anteil selbstständig gelernt und die Kinder setzen sich eigenständig mit den Aufgaben auseinander, aber nur, wenn man sie lässt. Durch das „Entdeckende Lernen“ werden die Fähigkeiten geschult, neue Aufgaben eigenständig zu lösen.
Im Mittelpunkt steht der lernende Mensch, er wird durch das selbstständige spielerische „Arbeiten“ persönliche Erfahrungen sammeln und sich tiefer mit der zu lernenden Materie beschäftigen. Fakten werden hinterfragt und neue Tatsachen erforscht, um neue Erkenntnisse zu gewinnen. Eigenständiges lernen mit lebensnahen Aufgaben hilft dem Kind sich mit den Aufgaben zu vereinen und sie so besser aufzunehmen. Durch die aktive Arbeit wird das Kind auch kreativ gefordert, dies weckt die Neugier und fördert die Motivation. Darüber hinaus wird die Selbsttätigkeit, Selbstbestimmung und Selbstverantwortung im Lernprozess des Kindes gefördert.
Das soziale Klima wird durch das ungezwungene Entdecken im Kindergarten verbessert und die Kinder entwickeln Spaß und Interesse am Lernen. Die natürliche Neugier der Kinder unterstützt den Spaß am Entdecken und Experimentieren.
Entdeckendes Lernen: eine pädagogische Grundhaltung?!
Bei Durchsicht der Eigenschaftsliste wird klar, dass Entdeckendes Lernen dem konstruktivistischen Paradigma zugerechnet werden muss. Reinmann-Rothmeier und Mandl (2001b) führen Bruners Konzept denn auch unter den historischen Vorbildern neuer konstruktivistischer Ansätze auf. Entdeckendes Lernen kann daher im Grunde weniger als didaktisches Modell sondern vielmehr als pädagogische Grundhaltung aufgefasst werden. Eine wichtige Voraussetzung dafür ist die Neugierde des Lernenden. Da diese grundsätzlich nicht bei allen Menschen gleichartig ausgerichtet ist, stellt sich die Frage, wie Lern-arrangements gestaltet sein müssen, um entdeckendes Lernen zu fördern. Unter anderem wird es aktiviert "...durch neue, überraschende, inkongruente oder komplexe Informationen bzw. Situationen." (Kerres 2001, S.221).
Unter entdeckendem Lernen versteht BRUNER allgemein die selbstlernende Erschließung eines Wissensgebietes, wobei der Pädagoge nur eine beobachtende und helfende Funktion hat.
Da der Pädagoge die Kinder nie auf jede mögliche Situation vorbereiten kann, muss das Kind schon früh beginnen, Techniken zur Lösung von Fragen zu entwickeln. Nach BRUNER ist es wichtig, solche Fragelösetechniken zu üben. Es sind vier Merkmale des entdeckenden Lernens nach BRUNER zu benennen:
Die vier Merkmale des entdeckenden Lernens nach BRUNER
1. Transferförderung - Induktion
Das Kind geht mit gelerntem Wissen induktiv um, das heißt, es sucht nach jeder neu gelernten Wissenseinheit nach Gemeinsamkeiten in seiner schon vorhandenen Wissensstruktur und formuliert daraufhin Regeln, um sich bestimmte Gemeinsamkeiten erklären zu können. Je mehr Einzelfälle er kennenlernt, umso präziser werden seine Regeln, so dass er nach einer gewissen Weile in der Lage ist, auf der Basis seiner Regeln ungewisse Faktoren vorherzubestimmen.
2. Problemlösefähigkeit Hierzu gehört die Fähigkeit, die Lösung einer Frage selbstständig anzugehen. Der Lernende muss in der Lage sein, "die Fragestellung zu analysieren, Hypothesen zu formulieren und zu prüfen." (Edelmann, 1996: S. 216) Beherrscht das Kind diese Eigenschaft, so hat es gelernt, zu lernen, so BRUNER.
3. Intuitives Lernen
Hiermit sind Einfälle gemeint, deren Herkunft man nicht in Worte fassen kann. Der Volksmund nennt solche Einfälle auch "Geistesblitze". Intuitives Denken ist zurückzuführen auf die Vertrautheit in einem bestimmten Wissensgebiet. Hierdurch ist der Lernende in der Lage, bestimmte Denkschritte zu überspringen, um schneller zu seinem Ziel zu gelangen
4. Förderung der intrinsischen Motivation
Es wird beim entdeckenden Lernen Neugier gegenüber einem Wissensgebiet erzeugt, indem man nur Bruchstücke bekannt gibt und die Fülle der Informationen von den Kindern entdecken lässt. Diese Neugier wirkt motivierend auf die Kinder, neues Wissen zu erlangen.
Bruners Erkenntnisse und Annahmen werden heute von der Neurowissenschaft bestätigt!
Quellen: