Se­xua­li­sier­te Über­grif­fe und Schu­le

Prä­ven­ti­on und In­ter­ven­ti­on

Pro­jekt­da­ten

Lauf­zeit
Ok­to­ber 2012 - Sep­tem­ber 2015

Pro­jekt­ver­ant­wort­li­che

Prof. Dr. Bar­ba­ra Rend­torff, Uni­ver­si­tät Pa­der­born

Kon­takt

bar­ba­ra.rend­torff(at)uni-pa­der­born.de

Pro­jekt­ko­or­di­na­ti­on  cmahs(at)mail.​upb.​de/

san­dra.glam­mei­er(at)hs-nie­der­rhein.de

Hin­ter­grund des Pro­jekts

Aus­gangs­punkt des Pro­jekts war die Er­kennt­nis, dass sich die Er­zie­hungs­wis­sen­schaft, aber auch die Schu­le als päd­ago­gi­sche In­sti­tu­tio­nen bis­her kaum mit der Pro­ble­ma­tik se­xu­el­ler Ge­walt gegen Kin­der und Ju­gend­li­chen be­schäf­tigt hat­ten. Aus­ein­an­der­set­zun­gen mit den Zu­sam­men­hän­gen zwi­schen Macht in päd­ago­gi­schen Be­zie­hun­gen, ge­schlecht­li­chen sowie se­xu­el­len As­pek­ten und den in­sti­tu­tio­nel­len sowie struk­tu­rel­len Hin­ter­grün­den von se­xua­li­sier­ten Über­grif­fen fehl­ten.

Um die Schu­le hin zu einem Ort der Prä­ven­ti­on se­xu­el­ler Ge­walt und ge­lin­gen­der In­ter­ven­ti­on und Un­ter­stüt­zung für be­trof­fe­ne Kin­der und Ju­gend­li­che zu ent­wi­ckeln, müs­sen zu­nächst Fra­gen nach den Ge­lin­gens­fak­to­ren, den Bar­rie­ren und den Po­ten­tia­len für die Ent­wick­lung und die nach­hal­ti­ge Durch­füh­rung von Schutz­kon­zep­ten ge­klärt wer­den. Eine we­sent­li­che Rolle spie­len hier die Hal­tun­gen und Komp­ten­zen der Lehr­kräf­te.

Fra­ge­stel­lung

Wel­che Er­fah­run­gen, Hand­lungs­ori­en­tie­run­gen und Fort­bil­dungs­be­dar­fe zei­gen sich bei Lehr­kräf­ten und Lehr­amts­stu­die­ren­den im Kon­text se­xu­el­ler Ge­walt?

Wel­che Mög­lich­kei­ten nach­hal­ti­ger Kom­pe­tenz­ver­bes­se­run­gen über Fort­bil­dun­gen er­wei­sen sich als hilf­reich?

Stu­die

Nach der Ana­ly­se des For­schungs­stan­des wurde zum einen eine qua­li­ta­ti­ve Be­fra­gung mit Ex­per­t_in­nen durch­ge­führt, wel­che in der Prä­ven­ti­on und In­ter­ven­ti­on se­xu­el­ler Ge­walt tätig sind und in die­sem Kon­text auch Lehr­kräf­te fort­bil­den und be­ra­ten.
Zum an­de­ren wurde der Fort­bil­dungs­be­darf der Lehr­kräf­te im Kreis Pa­der­born und der Stu­die­ren­den der Uni­ver­si­tät Pa­der­born mit­hil­fe von zwei quan­ti­ta­ti­ven Fra­ge­bo­gen­erhe­bun­gen er­mit­telt. Dazu wur­den zu­nächst Lehr­amts­stu­die­ren­de der Uni­ver­si­tät Pa­der­born im Rah­men von Se­mi­na­ren und mit Hilfe eines On­line­fra­ge­bo­gens be­fragt (n=821). Im An­schluss daran er­folg­te die Er­he­bung bei Lehr­kräf­ten aller Schul­for­men im Kreis Pa­der­born (n=976).
Auf die­ser Basis wur­den Fort­bil­dun­gen in ver­schie­de­nen For­ma­ten für Lehr­kräf­te und Lehr­amts­stu­die­ren­de kon­zi­piert, er­probt, eva­lu­iert, sowie ein Kon­zept ent­wi­ckelt, mit dem die Nach­hal­tig­keit und wei­te­re Ver­brei­tung des Wis­sens unter den Lehr­kräf­ten ge­lin­gen kann.

Aus­ge­wähl­te Er­geb­nis­se

Die Pro­jekt­er­geb­nis­se ver­deut­li­chen, dass für ein ge­lin­gen­des Han­deln von Lehr­kräf­ten im Kon­text se­xu­el­ler Ge­walt noch ei­ni­ge Hür­den be­stehen. Lehr­kräf­te kön­nen zum Bei­spiel kaum an Aus­bil­dungs­in­hal­te an­knüp­fen, die für das Thema se­xu­el­le Ge­walt re­le­vant sind. Ein Gro­ß­teil der Lehr­kräf­te hatte sich bis­her kaum mit se­xu­el­ler Ge­walt aus­ein­an­der­ge­setzt. Grund- und För­der­schu­len schei­nen in der the­men­spe­zi­fi­schen Ent­wick­lung be­reits etwas wei­ter vor­an­ge­schrit­ten als wei­ter­füh­ren­de Schu­len. Auch die Er­fah­run­gen mit Prä­ven­ti­ons­ar­beit sind schul­for­m­ab­hän­gig, wobei die Er­fah­rung nicht immer mit si­che­rem In­ter­ven­ti­ons­wis­sen ein­her­geht. Die kann mit gro­ßen Hand­lungs­un­si­cher­hei­ten ver­knüpft sein und den Prä­ven­ti­ons­ef­fekt ein­schrän­ken.
Se­xu­el­le Über­grif­fe sind noch nicht un­be­dingt im Wahr­neh­mungs­ho­ri­zont von Lehr­kräf­ten vor­han­den. Teil­wei­se zei­gen sich auch Zwei­fel an der Rea­li­tät se­xu­el­ler Über­grif­fe und die Angst vor einer fal­schen Be­schul­di­gung gegen die ei­ge­ne Per­son oder gegen an­de­re Per­so­nen. Die Ängs­te ste­hen dabei in kei­nem Ver­hält­nis zu der tat­säch­li­chen Ge­fahr, ver­stär­ken aber das Pro­blem, dass be­trof­fe­nen Kin­dern und Ju­gend­li­chen häu­fig nicht ge­glaubt wird bzw. dass diese die Lehr­kräf­te we­ni­ger als An­sprech­per­so­nen wahr­neh­men. Ob se­xu­el­le Ge­walt wahr­ge­nom­men wird, hängt auch damit zu­sam­men, ob diese Wahr­neh­mung als in den eig­ne­nen Zu­stän­dig­keits­be­reich fal­lend ein­ge­schätzt wird. In den Fort­bil­dun­gen wurde dar­über hin­aus deut­lich, dass auch die schuk­ty­pi­schen Struk­tu­ren (z.B. Ein­zel­käm­per­tum, kaum eta­blier­te kol­le­gia­le Be­ra­tung und Su­per­vi­si­on) in Bezug auf die Mög­lich­kei­ten und Gren­zen von schu­li­schem Kin­der­schutz re­flek­tiert wer­den müs­sen. Wei­ter­hin zeig­te sich, dass zwar um­fang­rei­che Fort­bil­dun­gen für Teams not­wen­dig und hilf­reich sowie durch schul­in­ter­ne Fort­bil­dun­gen zu er­gän­zen sind, dass aber beide Ver­sio­nen nicht die fach­li­che Be­glei­tung und Un­ter­stüt­zung der Lehr­kräf­te bei der Ent­wick­lung und Eta­blie­rung eines Schutz­kon­zep­tes er­set­zen kön­nen. Einen fi­nan­zi­ell un­ter­stütz­te Ko­ope­ra­ti­on mit Pra­xis­ex­per­t_in­nen der Prä­ven­ti­on und In­ter­ven­ti­on für die Schul­ent­wick­lung er­scheint daher un­ab­ding­bar.

Pra­xis­be­zug

Für die wei­te­re Schul­ent­wick­lung er­scheint ein pro-ak­ti­ver An­satz zen­tral. Dabei ist nicht nur die stär­ke­re Ver­net­zung mit der re­gio­na­len Fach­pra­xis wich­tig, son­dern auch eine in­ten­si­vier­te Un­ter­stüt­zung durch die Schul­auf­sichts­be­hör­den. Not­wen­dig er­scheint eine bun­de­wei­te Fort­bil­dungs­of­fen­si­ve, die Er­kennt­niss und Er­fah­run­gen aus dem vor­lie­gen­den Pro­jekt mit fach­li­cher Be­glei­tung der Schul­ent­wick­lung durch die Fach­pra­xis ver­knüpft.

Pu­bli­ka­tio­nen

Ver­öf­fent­licht:

Glam­mei­er, San­dra (2015): Nicht-in­ten­tio­na­le As­pek­te von Er­zie­hung im päd­ago­gi­schen Han­deln von Lehr­kräf­ten im Kon­text von se­xu­el­len Über­grif­fen. In: Rend­torff, Bar­ba­ra; Mahs, Clau­dia; Ries­ke, Tho­mas Viola (Hrsg.):  Er­zie­hung, Ge­walt, Se­xua­li­tät. Op­la­den: Bar­ba­ra Bud­rich. S. 131-145.

Rend­torff, Bar­ba­ra; Glam­mei­er, San­dra; Vo­gel­sang, Ve­re­na (2016): Bil­dung, Ge­walt, Ge­schlecht. In: Bil­stein, Jo­han­nes; Eca­ri­us, Jutta; Ri­cken, Nor­bert; Sten­ger, Ur­su­la (Hrsg.): Bil­dung und Ge­walt. 1. Auf­la­ge. Wies­ba­den: VS Ver­lag für So­zi­al­wis­sen­schaf­ten. S. 129-144.

Rend­torff, Bar­ba­ra; Mahs, Clau­dia; Ries­ke, Tho­mas Viola (2016): Er­zie­hung, Ge­walt, Se­xua­li­tät. Op­la­den: Ver­lag Bar­ba­ra Bud­rich.

In Vor­be­rei­tung:

Glam­mei­er, San­dra: Ge­schlech­ter­wis­sen­schaft­li­che Per­spek­ti­ven auf se­xu­el­le Ge­walt gegen Kin­der und Ju­gend­li­che seit den 1980er Jah­ren. In: Baa­der, Meike So­phia; Jan­sen, Chris­ti­an; König, Julia; Sager, Chris­tin (Hrsg.): Ta­bu­bruch und Ent­gren­zung. Kind­heit und Se­xua­li­tät nach 1986. Wien: Böhlau-Ver­lag. In Ar­beit.

Glam­mei­er, San­dra; Fein, Syl­via: Schul­ent­wick­lung und Fort­bil­dungs­be­dar­fe von Lehr­kräf­ten im Kon­text se­xu­el­ler Ge­walt. In: Ret­kow­ski, Alex­an­dra; Trei­bel, An­ge­li­ka; Tui­der, Eli­sa­beth (Hrsg.): Hand­buch Se­xua­li­sier­te Ge­walt und päd­ago­gi­sche Kon­tex­te. Theo­rie, For­schung, Pra­xis. Wein­heim und Basel: Beltz Ju­ven­ta. In Ar­beit.

Glam­mei­er, San­dra: Se­xu­el­le Ge­walt und Schu­le. In: Dek­ker, Arne; Hen­ning­sen, Anja; Ret­kow­sik, Alex­an­dra; Voß, Heinz-Jür­gen; Waz­la­wik, Mar­tin (Hrsg.): Se­xu­el­le Ge­walt in päd­ago­gi­schen Kon­tex­ten. Ak­tu­el­le For­schun­gen und Per­spek­ti­ven. Wies­ba­den: VS Ver­lag. In Ar­beit.