Kul­tur des Hin­hö­rens – Be­stim­mungs­fak­to­ren und po­si­ti­ve Be­ein­flus­sungs­mög­lich­kei­ten in sta­tio­nä­ren Ein­rich­tun­gen der Ju­gend­hil­fe

Pro­jekt­da­ten

Lauf­zeit:
Au­gust 2014 - Mai 2017

Pro­jekt­ver­ant­wort­li­cher

Dr. Heinz Kind­ler, Deut­sches Ju­gend­in­sti­tut e.V.

Kon­takt

kind­ler(at)dji.​de

www.​dji.​de/​kultur

Hin­ter­grund des Pro­jekts

Mäd­chen und Jun­gen, die in Ein­rich­tun­gen der sta­tio­nä­ren Hil­fen zur Er­zie­hung leben, sind über­durch­schnitt­lich häu­fig von se­xu­el­ler Ge­walt be­trof­fen. Dies gilt so­wohl für Vor­er­fah­run­gen von Über­grif­fen in der Fa­mi­lie und im so­zia­len Nah­be­reich als auch für Grenz­über­schrei­tun­gen durch Mit­ar­bei­ten­de oder Peers in der Ein­rich­tung, in der sie leben. Die Wahr­schein­lich­keit, dass Über­grif­fe und se­xu­el­le Ge­walt gegen Ju­gend­li­che be­en­det und Hil­fe­pro­zes­se in­iti­iert wer­den kön­nen, steigt mit dem Grad der Be­reit­schaft be­trof­fe­ner Kin­der und Ju­gend­li­cher, sich als kom­pe­tent und un­ter­stüt­zend wahr­ge­nom­me­nen Er­wach­se­nen an­zu­ver­trau­en.
In­ter­na­tio­na­le Stu­di­en be­rich­ten je­doch über­ein­stim­mend von einer durch­schnitt­lich eher ge­rin­gen Ten­denz Ju­gend­li­cher, sich im Ernst­fall an päd­ago­gi­sche Be­zugs­per­so­nen zu wen­den. Damit kommt der Frage zen­tra­le Be­deu­tung zu, unter wel­chen Vor­aus­set­zun­gen päd­ago­gi­sche Fach­kräf­te von be­trof­fe­nen Her­an­wach­sen­den ins Ver­trau­en ge­zo­gen wer­den (kön­nen).

Fra­ge­stel­lung

Wel­che Vik­ti­mi­sie­rungs­er­fah­run­gen ma­chen Ju­gend­li­che, die in Ein­rich­tun­gen der sta­tio­nä­ren Ju­gend­hil­fe leben, und wie gehen sie damit um?

Wie be­ein­flus­sen in­sti­tu­tio­nel­le Struk­tu­ren sowie päd­ago­gi­sches Ver­hal­ten von Mit­ar­bei­ten­den sta­tio­nä­rer Ein­rich­tun­gen die Be­reit­schaft zur Of­fen­le­gung und Hil­fe­su­che bei se­xu­el­len Grenz­ver­let­zun­gen (Dis­clo­sure)?

Wie wird das Dis­clo­sure-Ver­hal­ten von Ju­gend­li­chen durch die Im­ple­men­tie­rung eines - im Rah­men des Vor­ha­bens spe­zi­ell für sta­tio­nä­re Hil­fe­set­tings ent­wi­ckel­ten - Prä­ven­ti­ons- und In­ter­ven­ti­ons­cur­ri­cu­lums be­ein­flusst?

Stu­die

Das For­schungs­pro­jekt führ­te bei 331 Kin­dern und Ju­gend­li­chen sowie 317 päd­ago­gi­schen Fach­kräf­ten zwei Da­ten­er­he­bun­gen im Ab­stand von neun Mo­na­ten durch. Das Prä­ven­ti­ons­cur­ri­cu­lum wurde in dem da­zwi­schen­lie­gen­den Zeit­raum bei einem Teil der be­frag­ten Ein­rich­tun­gen um­ge­setzt (In­ter­ven­ti­ons­grup­pe). Um Ein­drü­cke über mög­li­che Wir­kun­gen des Prä­ven­ti­ons­pro­gramms ge­win­nen zu kön­nen, wur­den zu­sätz­lich wei­te­re sta­tio­nä­re Ju­gend­hil­fe­ein­rich­tun­gen be­fragt, die die­ses Cur­ri­cu­lum in die­sem Zeit­raum nicht um­setz­ten (die so­ge­nann­te Kon­troll­grup­pe). Diese be­stand aus 26 Ein­rich­tun­gen, die In­ter­ven­ti­ons­grup­pe aus zwölf Ein­rich­tun­gen. Die mög­li­chen Wir­kun­gen des Prä­ven­ti­ons­pro­gramms auf die Dis­clo­sure-Be­reit­schaft bzw. das Dis­clo­sure-Ver­hal­ten wur­den so­wohl auf Grup­pen­ebe­ne als auch auf in­di­vi­du­el­ler Ebene ana­ly­siert.

Fol­gen­den Hy­po­the­sen soll­ten mit der Er­he­bung un­ter­sucht wer­den:

  1. Die Ein­rich­tungs­kul­tur be­ein­flusst das Dis­clo­sure-Ver­hal­ten - also die Frage, ob Kin­der und Ju­gend­li­che in Ein­rich­tun­gen der sta­tio­nä­ren er­zie­he­ri­schen Hil­fen er­leb­te se­xu­el­le Grenz­ver­let­zun­gen inner- und au­ßer­halb der Ein­rich­tung of­fen­le­gen.
  2. Je po­si­ti­ver die Ein­rich­tungs­kul­tur der Ein­rich­tung, desto häu­fi­ger wen­den sich die dort woh­nen­den Kin­der und Ju­gend­li­che an die Fach­kräf­te der Ein­rich­tung, wenn sie inner- oder au­ßer­halb der Ein­rich­tung se­xu­el­le Grenz­ver­let­zun­gen er­le­ben.
  3. Das Dis­clo­sure-Ver­hal­ten von Kin­dern und Ju­gend­li­chen  in  Ein­rich­tun­gen der sta­tio­nä­ren er­zie­he­ri­schen Hil­fen be­züg­lich se­xu­el­ler Grenz­ver­let­zun­gen inner- und au­ßer­halb der Ein­rich­tung lässt sich durch ein in der Ein­rich­tung durch­ge­führ­tes Prä­ven­ti­ons­pro­gramm, das Kin­der, Ju­gend­li­che und Fach­kräf­te aktiv ein­be­zieht, po­si­tiv ver­än­dern.

Aus­ge­wähl­te Er­geb­nis­se

„Ju­gend­li­che er­le­ben manch­mal, dass an­de­re sich ihnen ge­gen­über in un­an­ge­neh­mer Weise se­xu­ell ver­hal­ten. Seit du in die­ser Wohn­grup­pe lebst, hast du ir­gend­ei­ne der fol­gen­den Sa­chen er­lebt?“ Diese For­schungs­fra­ge war Aus­gangs­punkt der In­ter­views mit den Ju­gend­li­chen. Einen Über­blick über die se­xu­el­len Vik­ti­mi­sie­rungs­er­fah­run­gen der Be­frag­ten über die Tä­ter_in­nen wie auch Hin­wei­se auf die Orte, an denen die Ju­gend­li­chen diese Er­fah­run­gen mach­ten, geben nach­fol­gen­de Gra­fi­ken:

Pra­xis­be­zug

  • Ein ne­ga­ti­ves Grup­pen­kli­ma in der sta­tio­nä­ren Ein­rich­tung birgt ein hö­he­res Vik­ti­mi­sie­rungs­ri­si­ko, hemmt die die Be­reit­schaft für Dis­clo­sure und ver­stärkt Be­las­tungs­mo­men­te in­fol­ge se­xu­el­ler Vik­ti­mi­sie­rung für Ju­gend­li­che.
  • Ein po­si­ti­ves Grup­pen­kli­ma för­dert Dis­clo­sure nach kör­per­li­cher und emo­tio­na­ler Vik­ti­mi­sie­rung.
  • Ein po­si­ti­ves emo­tio­na­les Ver­hält­nis zwi­schen Vor­ge­setz­ten­und Fach­kräf­ten geht mit po­si­ti­ve­rer Wahr­neh­mung des Grup­pen­kli­mas durch Ju­gend­li­che ein­her.
  • Das Prä­ven­ti­ons­pro­gramm fürhrt zu einer Ab­nah­me se­cuel­ler Vik­ti­mi­sie­rung, ab­hän­gig vom Grad der Um­set­zung des Pro­gramms.

Pu­bli­ka­tio­nen

Ak­tu­ell sind noch keine Pu­bli­ka­tio­nen vor­han­den.