DigiZert
Digitales Zertifikatsystem der Kartoffel-Wertschöpfungskette zur Dokumentation landwirtschaftlicher Klima- und Umweltschutzmaßnahmen
Fördergeber: BMEL/BLE (im Auftrag des deutschen Bundestages)
Fördersumme: 1,4 Mio. Euro
Laufzeit: 01.12.2022 bis 30.11.2025
Personal:
- 2 wiss. Mitarbeiter (1 Projektkoordinator, 2 Doktorranden)
- 2 techn. Mitarbeiter
Die Anforderungen der Verbraucher an die Qualität von Lebensmitteln haben in den letzten Jahren erheblich zugenommen. Dabei stehen vor allem Prozessqualitäten im Vordergrund, die am Endprodukt nicht überprüfbar sind (z.B. Tier- und Umweltschutz). Dies betrifft die gesamte Wertschöpfungskette – von der Vorproduktion bis zum Lebensmitteleinzelhandel. Die sorgfältige Dokumentation aller durchgeführten Maßnahmen während des Produktionsprozesses wird für alle Wertschöpfungsteilnehmer immer wichtiger, um gesetzliche Anforderungen sowie Branchenstandards privater Qualitätszertifizierer (z.B. der QS Qualität und Sicherheit GmbH) zu erfüllen. Mit der Länge der jeweiligen Wertschöpfungskette, wie sie in Abbildung 1 beispielhaft für die in diesem Projekt zu betrachtende Kartoffelproduktion abgebildet ist, steigen die zu überblickenden.
Die Zukunftsregion Kartoffel bietet sich für eine solche Betrachtung an, da die Wertschöpfungskette und die Teilnehmer in einer erfassbaren Größe/ Anzahl zusammenliegen. Die Kartoffel, als eine der drei wichtigen Stärkelieferanten neben Getreide und Mais für die Ernährungssicherung, hat in Deutschland eine Anbaufläche von 274.900 ha (BMEL, 2020). Deutschland ist damit der größte Kartoffelproduzent in der EU (21% der Produktion). Der Pro-Kopf-Verbrauch von Kartoffeln liegt bei 57,4 kg/Jahr. In allen Bundesländern in Deutschland werden Kartoffeln angebaut, aber in der geplanten Zukunftsregion Niedersachsen und Schleswig-Holstein werden 50 % der gesamten Kartoffeln für die weitere Verwendung als Speise-, Stärke-, Veredlungs- oder Pflanzkartoffel produziert. Die Pflanzgutvermehrungsfläche von Niedersachen und Schleswig-Holstein entspricht 54 % der Gesamtfläche Deutschlands (BLE, 2020). Darüber hinaus hat der bedeutendste Landtechnikhersteller für Kartoffeltechnik, die „Grimme Gruppe“ seinen Hauptsitz in Niedersachsen. Im Bereich des Handels und der Verarbeitung von Kartoffeln, sind deutschlandweit nur wenige Unternehmen aktiv und es liegt eine moderat bis stark konzentrierte Marktkonzentration vor (IBISWorld 2022).
In der geplanten Zukunftsregion haben die wichtigsten Unternehmen der Branche (EUROPLANT Pflanzenzucht GmbH, Lünekartoffel-Vertrieb GmbH & Co. KG, Böhm-Nordkartoffel Agrarproduktion GmbH & Co. OHG, Emsland-Stärke AG, Avebe Kartoffelstärkefabrik Prignitz/Wendland GmbH, Lorenz Snack-World Holding GmbH, Agrarfrost Holding GmbH & Co. KG) ihre Standorte.
Das zu entwickelnde digitale Zertifikatsystem für die Kartoffel-Wertschöpfungskette wird ein vernetzter digitaler Zwilling eines analogen Prüfungs- und Zertifizierungssystems für Klima- und Umweltschutzmaßnahmen sein. Ein entscheidender Unterschied wird dabei die Skalierbarkeit, also die weitreichende Nutzbarkeit des digitalen Systems sein. Verändert sich die Marktnachfrage oder die Kundenanforderungen (z.B. mehr Biodiversität, CO² Neutralität), können neue digitale Zertifikate entworfen, diskutiert und flexibel implementiert werden. Durch eine logische Bündelung und automatische Abfrage von verfügbaren Zertifikaten besitzt die landwirtschaftliche Betriebsleitung eine aktuelle Übersicht der Zertifikatkontrakte und -angebote mit und von unterschiedlichen Partnern. Das Ziel des Projektes ist es, digitale Zertifikate für Klima- und Umweltschutzmaßnahmen im Kartoffelanbau zu entwickeln, über Blockchain-Mechanismen (Ferdinand J.H. und Reckleben Y. 2020) abzusichern und in einer Transaktionsplattform testweise u.a. mit Hilfe von Mobilfunk innerhalb der Wertschöpfungskette auszutauschen. Dabei soll ein Data Warehouse aufgebaut werden, welches sich mit Hilfe einer Breitband- und Mobilfunkanbindung aus Betriebs-, Maschinen- und Feldinformationen speist (siehe Abbildung 2) und an die Datenbank-Struktur des Experimentierfelds BeSt-SH angegliedert ist.
Mit der automatischen Validierung von Dokumentationsdaten durch eine digitale Datenbankverbindung und dem Abgleich von Kontrolllisten und Einsatz von Datenvalidierungsalgorithmen soll dabei eine hohe Informationsqualität sichergestellt und Datenmanipulationen verhindert werden. Als Ergebnis soll der Informationsbedarf sämtlicher Partner innerhalb der Kartoffel-Wertschöpfungskette mit dem Verschwiegenheitsbedarf der Kartoffelproduzenten durch Herausgabe von Zertifikaten vereint werden.
Durch die Entwicklung und den Einsatz eines Mobilfunk-Blockchain-Routers zur Aufzeichnung und Validierung von Maschineninformationen während der Arbeit werden die notwendigen Arbeits- und Qualitätsnachweise in dem Data Warehouse over-the-air gespeichert. Beispielsweise könnte das Zertifikat zur Dokumentation einer angepassten Pflanzenschutzmaßnahme folgende Parameter enthalten: Anwendungsdatum, Feld, behandelte Kultur, behandelte Fläche, Handelsname und Wirkstoff des eingesetzten Mittels, Aufwandmenge, Anwendungsgebiet, Name des Anwenders, Maschine/Gerät, Düsentyp, Nutzung der Teilbreitenschaltung, Wetterbedingungen und aktueller Sachkundenachweis. Weitere Anwendungsfälle wären u.a. die Dokumentation von angelegten Blühflächen, die Verringerung oder der völlige Verzicht auf mineralische Düngemittel in definierten Zonen oder bodenschonende Arbeitsweisen durch angepasste Fahrstrategien und Reifendrücke. Fünf ausgewählte Maßnahmen werden als konkrete Anwendungsfälle innerhalb der Projektlaufzeit konzipiert, notwendige Informationen miteinander verknüpft und die Zertifikatvergabe und -transaktion innerhalb der Wertschöpfungskette vom Produzenten bis zum Konsumenten getestet.
So entsteht für die gesamte Wertschöpfungskette eine verlässliche Dateninfrastruktur die in beiden Richtungen, zum Verbraucher hin und von ihm an die Produzenten zurück, funktioniert und so für alle Teilnehmer in der Wertschöpfungskette einen echten Mehrwert bietet.