Tierwohlkennzeichnungen - Analyse der staatlichen und privatwirtschaftlichen Aktivitäten

Einführung der Tierwohlkennzeichnung bei Milch in 2022: Eine begleitende Analyse der staatlichen und privatwirtschaftlichen Aktivitäten

Fördergeber: Edmund Rehwinkel-Stiftung

Fördersumme: 20.000 Euro

Anfang des Jahres 2022 beginnt erstmalig die Tierwohlkennzeichnung Milch, basierend auf den Anforderungen des Lebensmitteleinzelhandels, bei ersten Frischmilchprodukten. Die Milcherzeuger sollen 1,2 Ct/kg Rohmilch als Aufschlag für die Erfüllung der Kriterien der Haltungsform 2 erhalten. Anbieter von Zertifizierungen sind die DLG und QM. Gleichzeitig plant das BMEL in diesem Jahr eine Tierhaltungskennzeichnung u.a. für Milchkühe und Rinder. Zusätzlich sind staatliche Förderungen für höhere Tierwohlstandards geplant. Darüber hinaus plant die EU-Kommission im Zuge der Farm-to-Fork-Strategie eine Tierwohlkennzeichnung. Ähnlich wie schon bei der Einführung der Kennzeichnung von „Ohne Gentechnik“ und von Bioqualität durch Verbandslabel (z.B. Bioland) geht auch hier die Wirtschaft mit privatwirtschaftlichen Lösungen voran. Erst zeitversetzt kommen staatliche Lösungen. Der Lebensmitteleinzelhändler Aldi plant bis 2023 40% der Milchprodukte auf die Haltungsformen 3 und 4 umzustellen. Bis 2024 will Aldi vollständig auf die Haltungsform 1 (Anbindehaltung) verzichten und zu 100% auf deutsche Herkunft umstellen. Bereits jetzt kommen 25% der Aldi-Milch aus Haltungsformen 3 und 4. Bis 2030 sollen dann 100% der Milch aus den Haltungsformen 3 und 4 stammen.

Vor diesem Hintergrund ist es fraglich (a) wie sich die privatwirtschaftlichen von den geplanten staatlichen Standards genau unterscheiden und (b) wie die Milchviehbetriebe die neue Kennzeichnung und die entsprechenden Standards akzeptieren. Akzeptanz und positive Motivation sind wichtige Voraussetzungen für die Teilnahme an Qualitätssicherungsstandards, denn ein System, das u.a. als bürokratische Last wahrgenommen wird, führt langfristig nicht zu Qualitätsverbesserungen, da intrinsische Motivation verdrängt wird (Frey und Jegen 2001). Akzeptanz ist daher entscheidend, damit möglichst viele milchviehhaltende Betriebe die Entwicklung zu mehr Tierwohl einschlagen und das Gesamtsystem effizient und durch alle getragen wird. Fraglich ist auch, mit welchen Aufschlägen die Milch mit Tierwohlkennzeichnung vermarktet wird.

Zielsetzung und Schwerpunkt:

Insgesamt dürfte es angesichts der hohen Kosten und der großen Hoffnungen, die in die derzeitigen und zukünftigen privatwirtschaftlichen und staatlichen Tierkennzeichnungsstandards gesteckt werden, hinreichenden Anlass geben, die Akzeptanz der aktuellen sowie zukünftiger Systeme bei den Landwirten zu untersuchen. Denn langfristig werden die Systeme nur erfolgreich sein, wenn die Milchviehhalter*innen hinter den Standards stehen und deren Funktionsfähigkeit garantieren. Um die Perspektiven einschätzen zu können, die sich durch eine Umstellung auf Tierwohlmilch für Landwirte ergeben, sollen in dem geplanten Forschungsprojekt zunächst a) die Ermittlung und Abgrenzung der Anforderungen gegenwärtiger und zukünftig geplanter staatlicher und privatwirtschaftlicher Tierwohlstandards erfolgen, darauf aufbauend b) die Einstellungen von Milchviehalter*innen zur Etablierung der Tierwohlkennzeichnungen identifiziert werden sowie c) begleitende Store Checks zur Einführung der Tierwohlstandards stattfinden,  um die Sortenanteile von Tierwohlmilch als Indikator für die gegenwärtigen Diffusion der neuen Tierwohlkennzeichen im Lebensmitteleinzelhandel zu ermitteln.